Leitsatz (amtlich)
a) Der Einwendungsdurchgriff gem. §§ 358, 359 BGB in der bis zum 3.8.2011 geltenden Fassung setzt einen entgeltlichen Darlehensvertrag voraus.
b) Ein entgeltlicher Darlehensvertrag liegt nicht deshalb vor, weil der Darlehensgeber das zinslos gewährte Darlehen aufgrund einer Vereinbarung mit dem Unternehmer nur teilweise an diesen auszahlt.
Normenkette
BGB §§ 358-359
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 25.03.2013; Aktenzeichen 17 U 4579/12) |
LG Landshut (Entscheidung vom 04.10.2012; Aktenzeichen 23 O 2386/12) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des OLG München vom 25.3.2013 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Darlehensvertrag.
Rz. 2
Der Kläger erwarb am 4.3.2011 von der B. KG (im Folgenden: Unternehmer) zwei Türen zum Preis von 6.389,15 EUR inklusive Montage. Gleichzeitig unterschrieb er in den Geschäftsräumen des Unternehmers, der seine Produkte mit einer "0 %-Finanzierung" bewarb, auf einem dort bereitliegenden Formular der beklagten Bank unter dem Datum des 1.3.2011 einen Antrag auf Abschluss eines Darlehensvertrages, den die Beklagte am 21.6.2011 annahm. Danach betrug der Nettodarlehensbetrag 6.389,15 EUR, den der Kläger in einer Rate von 264,25 EUR und 23 weiteren monatlichen Raten von 266,30 EUR zurückzuzahlen hatte. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten trat der Kläger ihr den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens ab. Der formularmäßige Vertrag enthielt die Anweisung des Klägers an die Beklagte, den "als Zwischensumme ausgewiesenen Betrag", d.h. 6.389,15 EUR, an den Unternehmer auszuzahlen. Aufgrund einer Vereinbarung mit dem Unternehmer zahlte die Beklagte nur 5.973,86 EUR an diesen.
Rz. 3
Nach dem Einbau der Türen rügte der Kläger Mängel und beantragte die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. Der gerichtlich bestellte Sachverständige stellte Mängelbeseitigungskosten von 5.415,50 EUR und eine Minderung von 550 EUR fest. Der Kläger trat gegenüber dem Unternehmer vom Vertrag zurück und ist der Auffassung, er sei gem. §§ 358, 359 BGB zur Rückzahlung des Darlehens an die Beklagte nicht verpflichtet.
Rz. 4
Seine Klage auf Feststellung, dass der Beklagten aus dem Darlehens- und Lohnabtretungsvertrag vom 1. März/21.6.2011 keine Rechte mehr zustehen, ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision ist unbegründet.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Die Beklagte habe gegen den Kläger gem. § 488 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des an den Unternehmer ausgezahlten Betrages von 5.973,86 EUR. Der Kläger könne sich demgegenüber nicht auf Mängel der Türen und seinen Rücktritt vom Vertrag mit dem Unternehmer berufen. Die Voraussetzungen eines Einwendungsdurchgriffs gem. §§ 358, 359 BGB lägen nicht vor. § 358 BGB setze einen Verbraucherdarlehensvertrag, d.h. einen entgeltlichen Darlehensvertrag gem. § 491 Abs. 1 BGB voraus. Ein solcher liege nicht vor, weil der Kläger der Beklagten für die Gewährung des Darlehens kein gesondertes Entgelt habe zahlen müssen. Er habe an die Beklagte denselben Betrag zu zahlen gehabt, den er dem Unternehmer geschuldet habe. Dass dieser bei der Überweisung des Kaufpreises durch die Beklagte einen Abschlag akzeptiert habe, komme dem Kläger nicht zugute, weil er dem Unternehmer trotzdem nur den vereinbarten Preis habe zahlen müssen. Der Darlehensvertrag habe ihm faktisch den Vorteil verschafft, seine Kaufpreisschuld nicht in einer Summe, sondern in Raten zu begleichen.
II.
Rz. 8
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
Rz. 9
Die Beklagte hat gegen den Kläger aufgrund des Darlehensvertrages vom 1. März/21.6.2011 gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des an den Unternehmer ausgezahlten Darlehens. Die Voraussetzungen eines Einwendungsdurchgriffs gem. §§ 358, 359 BGB in der bei Abschluss des Darlehensvertrages am 1. März/21.6.2011 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) sind nicht erfüllt.
Rz. 10
1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die §§ 358, 359 BGB a.F. einen Verbraucherdarlehensvertrag i.S.d. § 491 Abs. 1 BGB, d.h. einen entgeltlichen Darlehensvertrag voraussetzen (vgl. Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2004, § 358 Rz. 21).
Rz. 11
a) Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschriften, die ausdrücklich von einem Verbraucherdarlehensvertrag sprechen. Diese Formulierung ist im Gesetzgebungsverfahren bewusst zur "Anpassung an die Begrifflichkeit in den §§ 491 ff. BGB-BE" (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 9.10.2001 zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/7052, 194 f.) gewählt worden.
Rz. 12
b) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, auf das Erfordernis einer Entgeltlichkeit des Darlehensvertrages sei im Wege einer teleologischen Reduktion zu verzichten. Dies erfordere der Regelungszweck der §§ 358, 359 BGB a.F., den Verbraucher vor Risiken zu schützen, die ihm durch die Aufspaltung eines Erwerbsgeschäftes in ein Bargeschäft und einen damit verbundenen Darlehensvertrag drohten. Diese Gefahr bestehe unabhängig davon, ob es sich um einen entgeltlichen oder unentgeltlichen Darlehensvertrag handele.
Rz. 13
Diese Auffassung ist unzutreffend. Die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion liegen nicht vor. Eine teleologische Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (BGH, Urt. v. 26.11.2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rz. 22; v. 21.12.2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rz. 31). Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein (BGH, Urt. v. 13.11.2001 - X ZR 134/00, BGHZ 149, 165, 174). Nach diesen Maßstäben liegt keine verdeckte Regelungslücke vor, weil der Gesetzgeber, wie dargelegt, den Anwendungsbereich der §§ 358, 359 BGB a.F. bewusst auf Verbraucherdarlehensverträge begrenzt und diese in § 491 Abs. 1 BGB als entgeltliche Darlehensverträge definiert hat.
Rz. 14
c) Dass die §§ 358, 359 BGB a.F. nur entgeltliche Darlehensverträge erfassen, steht in Einklang mit der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. EU Nr. L 133, 66), deren Umsetzungsfrist im Jahr 2011 abgelaufen war. Der Einwendungsdurchgriff gem. Art. 15 Abs. 2 dieser Richtlinie gilt gem. Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie nicht für zins- und gebührenfreie Kreditverträge. Von der im zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie eröffneten Möglichkeit, die Bestimmungen der Richtlinie auch auf Kreditverträge bzw. verbundene Kredite, die nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie bzw. unter deren Begriffsbestimmung für verbundene Kreditverträge fallen, anzuwenden, hat der deutsche Gesetzgeber, wie dargelegt, in §§ 358, 359 BGB a.F. für unentgeltliche Darlehensverträge keinen Gebrauch gemacht.
Rz. 15
d) Durch Art. 1 Nr. 5 und 6 des am 4.8.2011 in Kraft getretenen Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge vom 27.7.2011 (BGBl. I, 1600) sind in § 358 Abs. 1 und 3 Satz 1 und 2, Abs. 4 Satz 2 BGB und § 359a Abs. 3 BGB die Wörter "Verbraucherdarlehensvertrag" bzw. "Verbraucherdarlehensverträge" jeweils durch die Wörter "Darlehensvertrag", "Darlehensvertrag gem. Abs. 1 oder 2" bzw. "Darlehensverträge" ersetzt worden. Damit sollte dem geänderten Begriff des Verbraucherdarlehensvertrags Rechnung getragen werden, dem früher generell entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer unterfielen (§ 491 Abs. 1 BGB), während seit dem 11.6.2010 bestimmte Vertragsarten (§ 491 Abs. 2 BGB) ausgenommen sind (Begr. des RegEntwurfs vom 17.3.2011, BT-Drucks. 17/5097, 17 f.). Angesichts dieses Regelungszwecks erscheint fraglich, ob aufgrund dieser Gesetzesänderung der Einwendungsdurchgriff auch bei unentgeltlichen Darlehensverträgen eröffnet ist. Dies bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, weil der vorliegende Darlehensvertrag vom 1. März/21.6.2011 nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich der seit dem 4.8.2011 geltenden geänderten Vorschriften fällt.
Rz. 16
2. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag sei kein Verbraucherdarlehensvertrag, d.h. kein entgeltlicher Darlehensvertrag i.S.d. § 491 Abs. 1 BGB.
Rz. 17
a) Unter Entgelt ist jede Art von Gegenleistung des Verbrauchers für das eingeräumte Kapitalnutzungsrecht (BGH, Urt. v. 16.10.2007 - XI ZR 132/06, BGHZ 174, 39 Rz. 17) zu verstehen (Schürnbrand in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 491 Rz. 37). Darunter fallen zunächst Zinsen und andere laufzeitabhängige Kosten (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2012, § 491 Rz. 48). Auch ein Disagio oder Damnum stellt im Zweifel ein Entgelt für die Kapitalnutzung dar (BGH, Urt. v. 29.5.1990 - XI ZR 231/89, BGHZ 111, 287, 288 f.). Die Höhe des Entgelts ist unerheblich (OLG Köln ZIP 1994, 776). Nur unerhebliche Kleinstbeträge begründen keine Entgeltlichkeit (LG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1442, 1443). Entsprechend Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 2008/48/EG werden mit dem Erfordernis der Entgeltlichkeit nur zinslose und gebührenfreie Darlehen aus dem Verbraucherdarlehensrecht ausgenommen (Begr. des RegEntwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 21.1.2009, BT-Drucks. 16/11643, 75 f.).
Rz. 18
b) Gemessen hieran ist der Darlehensvertrag vom 1. März/21.6.2011 kein entgeltlicher Darlehensvertrag. In dem Vertrag sind keine Zinsen oder Gebühren vereinbart worden. Dass die Beklagte an den Unternehmer nicht den vollen Nettodarlehensbetrag von 6.389,15 EUR, sondern nur 5.973,86 EUR ausgezahlt hat, rechtfertigt die Annahme einer Entgeltlichkeit nicht. Der von der Beklagten einbehaltene Differenzbetrag stellt kein Entgelt für die Kapitalnutzung dar. Vielmehr hat die Beklagte den Darlehensvertrag in Höhe dieses Betrages nicht erfüllt. Der vertragliche Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Auszahlung des vollen Darlehensnettobetrages i.H.v. 6.389,15 EUR ist durch die Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Unternehmer, die der Auszahlung des verminderten Betrages von 5.973,86 EUR zugrunde liegt, unberührt geblieben. Gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB schuldet der Kläger, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, nur die Rückzahlung des tatsächlich zur Verfügung gestellten Darlehens i.H.v. 5.973,86 EUR.
Rz. 19
c) Die Ausführungen der Revision rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Revision meint, weder § 491 BGB noch Art. 2 Abs. 2 Buchst. f i.V.m. Art. 3 Buchst. n der Richtlinie 2008/48/EG setze eine unmittelbare Entgeltzahlung durch den Verbraucher selbst voraus. Entscheidend sei, dass irgendeine Gegenleistung erfolge, die sich zum finanziellen Nachteil des Verbrauchers auswirken könne. Eine solche Belastung beinhalte die vorliegende Null-Finanzierung in verschleierter Form. Die vom Unternehmer verlangte Vergütung für die Warenleistung dürfte in der vorliegenden Konstellation höher ausfallen als ohne zusätzlich vereinbarte Finanzierung. In diesem Zusammenhang sei, um den Verbraucherschutz nicht auszuhöhlen, eine generalisierende Betrachtung geboten und die Möglichkeit einer Umlegung der Vergütung für die Kreditgewährung im Wege einer Kaufpreiserhöhung als ausreichend anzusehen. Da der Verbraucher die Kalkulationsgrundlagen des Unternehmers nicht kenne, könnten von ihm nicht die Darlegung und der Beweis verlangt werden, dass die vereinbarte Gegenleistung wegen der Finanzierung höher ausgefallen sei. Um eine Umgehung der §§ 358, 359 BGB a.F., § 491 BGB zu verhindern, sei von einer vom Darlehensgeber bzw. vom Unternehmer zu widerlegenden Vermutung auszugehen, dass bei verbundenen Verträgen trotz angeblicher Null-Finanzierung ein entgeltlicher Darlehensvertrag vorliege.
Rz. 20
Mit dieser Argumentation kann die Revision nicht durchdringen. Die Beklagte erlangt bei der vorliegenden Null-Finanzierung weder vom Kläger noch vom Unternehmer noch von dritter Seite eine irgendwie geartete Gegenleistung, die sich zum finanziellen Nachteil des Klägers auswirken könnte. Als eine solche Gegenleistung kommt insb. nicht die Differenz zwischen dem Darlehensnettobetrag i.H.v. 6.389,15 EUR und dem von der Beklagten an den Unternehmer ausgezahlten Betrag von 5.973,86 EUR in Betracht. Die Beklagte hat gegen den Kläger, wie bereits dargelegt und vom Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt, gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB nur einen Anspruch auf Rückzahlung des zur Verfügung gestellten Darlehens, d.h. auf Rückzahlung von 5.973,86 EUR. Sie erhält also nur das ausgezahlte Kapital zurück, aber keinen darüber hinausgehenden Vermögensvorteil, der sich irgendwie zum Nachteil des Klägers auswirken könnte. Sofern der Unternehmer den Kläger auf Zahlung des vollen Preises von 6.389,15 EUR in Anspruch nimmt, ergibt sich auch daraus keine der Beklagten zufließende Gegenleistung.
Fundstellen
Haufe-Index 7377144 |
BGHZ 2015, 302 |
BB 2014, 2497 |
BB 2014, 2625 |
BB 2014, 2835 |
DB 2014, 13 |
DB 2014, 2585 |
DB 2014, 6 |
NJW 2014, 3719 |
EBE/BGH 2014, 355 |
EWiR 2014, 733 |
JR 2016, 384 |
NZG 2014, 1421 |
WM 2014, 2091 |
WuB 2015, 7 |
ZAP 2015, 181 |
ZIP 2014, 2119 |
ZIP 2014, 79 |
DZWir 2015, 275 |
DZWir 2015, 46 |
MDR 2014, 1401 |
MDR 2014, 8 |
VersR 2015, 1131 |
VuR 2014, 5 |
VuR 2015, 180 |
BKR 2015, 33 |
RÜ 2015, 4 |
StBW 2014, 840 |
ZBB 2014, 427 |
FMP 2015, 2 |
LL 2014, 877 |