Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des § 2077 BGB / Lebensversicherung im Erbfall
Leitsatz (amtlich)
1. a) Im Rahmen von §§ 2077, 1933 BGB sind die Voraussetzungen für die Scheidung einer Ehe nach Maßgabe der §§ 1565ff. BGB bezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalls zu prüfen.
b) Hat der überlebende Ehegatte der Scheidung nur in einer Unterhaltsvereinbarung zugestimmt, nicht aber gegenüber dem Familiengericht im Scheidungsverfahren, können die Voraussetzungen des § 1566 Abs. 1 BGB nicht bejaht werden.
c) Daß die Ehegatten vor dem Erbfall länger als ein Jahr getrennt gelebt haben, ist, zwar bei der Prüfung von § 1565 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Darüber hinaus begründet die einjährige Trennung jedoch keine tatsächliche Vermutung für das Scheitern der Ehe.
d) Die Beweislast wird nicht dadurch verändert, daß dem Erbprätendenten, der sich dem überlebenden Ehegatten gegenüber auf §§ 2077, 1933 BGB beruft, ein Erbschein erteilt worden ist.
2. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß das Bezugsrecht aus einer vom Erblasser abgeschlossenen Lebensversicherung allein von den dafür im Versicherungsvertrag genannten Bedingungen abhängt. Der Rechtsgrund zum Behalten der Versicherungssumme kann aber entfallen, wenn die Erben des Versicherungsnehmers das zwischen diesem und dem Bezugsberechtigten bestehende Valutaverhältnis rückabwickeln können (Bestätigung von BGH, Urteil vom 1. April 1987 – IVa ZR 26/86 – LM BGB § 2077 Nr. 3 = NJW 1987, 3131).
Normenkette
BGB §§ 2077, 1933; VVG § 166
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe |
LG Mannheim |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20. Oktober 1993 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist der Vater des verstorbenen Ehemannes der Beklagten. Mit der Klage wird die Abtretung des Anspruchs der Beklagten auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Lebensversicherung verlangt, die ihr Ehemann abgeschlossen hatte.
Nach dem Versicherungsantrag vom 11. März 1989 sind beim Tode des Ehemannes bezugsberechtigt in der Reihenfolge der Ziffern unter Ausschluß der jeweils nachfolgend Berechtigten
- der überlebende Ehegatte, mit dem der Versicherte im Zeitpunkt seines Ablebens verheiratet war,
- die ehelichen und ihnen gleichgestellten Kinder,
- die Eltern,
- die Erben.
Die Beklagte hatte am 12. August 1988 die Ehe mit dem Sohn des Klägers geschlossen. Im Sommer 1989 war er aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen und hatte am 5. Juni 1990 die Scheidung beantragt. In einer außergerichtlichen Unterhaltsvereinbarung vom 15. August 1990 hat die Beklagte schriftlich erklärt, daß sie dem Scheidungsantrag zustimmen werde. Termin zur mündlichen Verhandlung beim Familiengericht war zunächst auf den 11. Januar 1991 bestimmt, dann aber aus dienstlichen Gründen auf den 7. Februar 1991 verlegt worden. Am 16. Januar 1991 starb der erst 33 Jahre alte Ehemann nach kurzem Krankenhausaufenthalt an einem Gehirntumor.
Die Beklagte hat ein handschriftliches Testament ihres Ehemannes vom 17. Januar 1989 vorgelegt, in dem sie und ihr nicht vom Erblasser abstammender Sohn zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt worden sind. Die Parteien streiten über die Echtheit dieses Testaments. Das Nachlaßgericht hat das Testament gemäß §§ 2077, 2085 BGB für unwirksam gehalten und dem Kläger und seiner von ihm geschiedenen Ehefrau als Eltern und gesetzlichen Erben einen Erbschein zu je 1/2 erteilt.
Das Landgericht hat die Klage auf Abtretung der Versicherungssumme an die Eltern abgewiesen und den Kläger auf die von der Beklagten erhobene Widerklage verurteilt, den Versicherungsschein herauszugeben. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hält den Kläger zur Rückforderung des der Beklagten zugewandten Lebensversicherungsanspruchs für aktivlegitimiert, weil er Miterbe seines Sohnes geworden sei. Das Testament vom 17. Januar 1989 sei nämlich, falls es überhaupt vom Erblasser stamme, jedenfalls gemäß § 2077 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen jedoch seine Auffassung nicht, beim Tode des Ehemannes der Beklagten hätten die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe vorgelegen.
1. Allerdings erkennt das Berufungsgericht zutreffend, daß ein Scheitern der Ehe im vorliegenden Fall nicht gemäß § 1566 Abs. 1 BGB unwiderlegbar vermutet werden kann, obwohl die Ehegatten unstreitig mehr als ein Jahr lang getrennt gelebt haben; denn die Beklagte hat der Scheidung nicht zugestimmt. Die Zustimmung ist eine Prozeßhandlung (BGHZ 111, 329, 331). Sie muß im Scheidungsverfahren dem Gericht gegenüber erklärt und kann bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung widerrufen werden (§ 630 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Gesetzgeber bevorzugt damit das Interesse an der Aufrechterhaltung der Ehe. Einer außergerichtlichen Zustimmung gegenüber dem Antragsteller des Scheidungsverfahrens, wie sie die Beklagte hier in der Vereinbarung vom 15. August 1990 erklärt hat, kommt mithin keine endgültig bindende Wirkung zu (RGRK-BGB/Graßhoff, 12. Aufl. § 1566 Rdn. 23, 25; MK/Wolf, BGB 3. Aufl. § 1566 Rdn. 23, 24; Staudinger/Rauscher, BGB 12. Aufl. § 1566 Rdn. 27; Damrau, NJW 1977, 1169, 1171). Von einer wirksamen Zustimmung gegenüber dem Gericht im Scheidungsverfahren kann auch bei einer Anwendung des § 1566 Abs. 1 BGB im Rahmen der §§ 1933, 2077 BGB nicht abgesehen werden (Dieckmann, FamRZ 1979, 389, 396).
2. Das Berufungsgericht hält die Ehe jedoch für gescheitert (§ 1565 Abs. 1 BGB). Dazu stellt es fest, die Beklagte und ihr Ehemann, die zum Zeitpunkt seines Todes mehr als ein Jahr lang getrennt gelebt haben, hätten jedenfalls bis zum Jahreswechsel 1990/1991 keine konkreten Schritte unternommen, um die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherzustellen. Der Ehemann habe sich vielmehr einer anderen Frau zugewandt. Die Beklagte behaupte zwar unter Vorlage von eigenen Tagebuchaufzeichnungen, ihr Ehemann habe vom 3. bis zum 13. Januar 1991, als er ins Krankenhaus eingeliefert wurde, in ihrer Wohnung mit ihr und ihrem Sohn wie früher gelebt. Daraus folge aber nicht, daß der Ehemann seinen noch im Januar 1991 vor Zeugen geäußerten Scheidungsentschluß aufgegeben hätte. Insoweit sei auch der Vortrag des Klägers in Betracht zu ziehen, das von der Beklagten behauptete Verhalten ihres Ehemannes Anfang Januar 1991 erkläre sich damit, daß er den Fortgang des Scheidungsverfahrens nicht habe gefährden wollen. Jedenfalls sei die Behauptung der Beklagten, sie habe damals mit ihrem Ehemann Gespräche über eine gemeinsame Zukunft geführt, auch im Hinblick auf dessen Lebensplanungen mit seiner amerikanischen Freundin zu unbestimmt, um die tatsächliche Vermutung für die Zerrüttung der Ehe zu widerlegen, die sich bereits aus der einjährigen Trennung ergebe.
3. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
a) § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt für die Feststellung des Scheiterns der Ehe u.a. voraus, daß die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht. Für eine solche „Diagnose” kommt es nicht darauf an, ob das, was typischerweise zu einer normalen ehelichen Lebensgemeinschaft gehört, noch vorzufinden ist oder nicht. Maßgebend ist vielmehr, von welchen subjektiven Vorstellungen die konkrete Lebensgemeinschaft der Ehegatten des jeweiligen Falles geprägt war. Sie können Umstände für belanglos gehalten haben, die für andere Ehegatten wichtig sind (Soergel/Heintzmann, BGB 12. Aufl. § 1565 Rdn. 11, 12; MK/Wolf, aa0 § 1565 Rdn. 20ff.). Feststellungen dazu, was für die Lebensgemeinschaft der Ehegatten des vorliegenden Falles wesentlich war, fehlen im Berufungsurteil. Damit fehlt auch die Grundlage für die Prüfung der Frage, ob diese konkrete Lebensgemeinschaft beim Tod des Ehemannes nicht mehr bestanden hat.
Der Prozeßstoff liefert Anhaltspunkte dafür, daß die sexuelle Treue der Ehegatten kein wesentliches Moment dieser Ehe war (vgl. die im Nachlaßverfahren im Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 15. April 1993 S. 12 f. genannten Indizien). Bezeichnenderweise hat die Beklagte im Hinblick auf die intime Beziehung ihres Mannes zu seiner amerikanischen Freundin erklärt, er sei durch deren Einfluß viel ausgeglichener geworden; sie habe es auch nicht als merkwürdig empfunden, daß diese Freundin sie und ihren Sohn habe kennenlernen wollen (GA II 37f.). Ein langjähriger Freund des Ehemannes, der Zeuge K., hat bekundet, das Scheitern der Ehe habe weniger an spektakulären Ereignissen wie dauerndem „Fremdgehen” eines Ehepartners gelegen, sondern daran, daß die Ehepartner allmählich jede Möglichkeit verloren hätten, ohne Streit auf vernünftiger Basis Gespräche miteinander zu führen (GA I 84).
Für die konkrete Lebensgemeinschaft von Bedeutung könnte die Aussage der Mutter des Ehemannes sein, ihr Sohn habe aus der eigenen Erfahrung mit seinen Eltern gewußt, wie schwer ein Kind an einer gescheiterten Ehe trage. Deshalb habe er die Beklagte zu sich genommen, als sie schwanger gewesen sei und auf der Straße gestanden habe; er habe sie schützen wollen (GA II 41). Der Kläger bestreitet nicht, daß sein Sohn zum Sohn der Beklagten eine enge und herzliche Beziehung hatte (GA I 153).
Der Ehemann hatte seine amerikanische Freundin erst im Oktober 1990 kennengelernt (GA I 38). Nach den Aussagen des Freundes K. plante der Ehemann, nach Amerika zu ziehen und dort mit der amerikanischen Freundin ein neues gemeinsames Unternehmen zu gründen (GA I 84f.). Der Kläger hat dagegen ausgesagt, im Rahmen der geschäftlichen Besprechungen mit dem in seinem Unternehmen tätigen Sohn seien auch Vorstellungen aufgekommen, daß er für einige Zeit, z.B. für ein Jahr, nach Amerika gehen würde, um dort tätig zu sein (GA II 45). Die Beklagte hat darauf hingewiesen, ihr Ehemann habe die amerikanische Freundin schon deshalb nicht heiraten wollen, weil sie sich habe sterilisieren lassen; ihr Mann habe aber Kinder über alles geliebt (GA II 37). Dem hat die Mutter des Ehemannes freilich widersprochen (GA II 41).
Dieser Prozeßstoff ist für die Frage erheblich, worin die konkrete Lebensgemeinschaft der hier zu beurteilenden Ehe bestanden hat. Damit hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt. Daher lassen seine Feststellungen nicht den Schluß zu, daß diese Lebensgemeinschaft im Zeitpunkt des Todes des Ehemannes nicht mehr bestanden habe.
b) Auch wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht, sie schon mehr als ein Jahr lang getrennt voneinander leben und einer von ihnen die Scheidung beantragt hat, setzt § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Feststellung des Scheiterns dieser Ehe weiterhin voraus, daß eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann. Dafür reicht es nicht aus, wenn nicht feststeht, ob den Ehegatten eine Wiederherstellung gelingen wird. Vielmehr kann ein Scheitern der Ehe nicht festgestellt werden, wenn beide Ehegatten auch nur zu einem Versöhnungsversuch bereit sind. Es ist nicht erforderlich, daß der Versöhnungsversuch tatsächlich schon begonnen hat (Soergel/Heintzmann, aa0 § 1565 Rdn. 25-27). Auch damit hat sich das Berufungsurteil nicht hinreichend auseinandergesetzt.
Daß Versöhnungsansätze gemäß § 1567 Abs. 2 BGB für die Trennungsfrist des § 1566 Abs. 1 BGB unschädlich sind, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, schließt nicht aus, daß sie im Rahmen der von § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB geforderten Prognose Bedeutung haben können. Ob die vom Berufungsgericht als wahr unterstellten Tagebuchaufzeichnungen der Beklagten tatsächlich keine Ansätze für eine Versöhnung aufweisen, läßt sich jedenfalls nicht ohne Feststellungen zu dem hier wesentlichen Inhalt der ehelichen Lebensgemeinschaft beurteilen. Auch ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen, daß sich die Beziehung zu der amerikanischen Freundin bereits zu einer die Ehe mit der Beklagten ausschließenden Lebensplanung verfestigt hätte.
Allerdings haben Zeugen bekundet, daß der Ehemann bis zuletzt vorgehabt habe, sich scheiden zu lassen. Nach Aussagen des Zeugen K. hat er noch am 7. Januar 1991 geäußert, er sei sehr froh, daß seine Ehe nun kurz vor der Scheidung stehe; er hoffe, daß die Beklagte nicht versuchen werde, die Scheidung hinauszuzögern; deshalb tue er im Augenblick alles, um die Beklagte nicht zu reizen (GA I 83). Die Beklagte wollte sich jedoch nicht scheiden lassen, wie die Mutter des Ehemannes bestätigt hat (GA II 41). Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob der Ehemann auch dann auf einer Scheidung bestanden hätte, wenn die Beklagte in dem bevorstehenden Termin vor dem Familiengericht seinem Scheidungsbegehren nicht zugestimmt hätte. Aus den Angaben der Eltern des Ehemannes geht hervor, daß sie die Scheidung von ihm erwarteten. Der Kläger hat angegeben, der schlechte Verlauf der Ehe habe sich außerordentlich negativ auf die Tätigkeit seines Sohnes in der Firma ausgewirkt (GA II 43). Das ist bei der Prüfung der Frage zu berücksichtigen, ob der Ehemann die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft, wie er und die Beklagte sie verstanden, ernsthaft und endgültig abgelehnt hat. Zwar genügt für eine negative Prognose schon die Einstellung eines der beiden Ehegatten. Zur Feststellung dieser Scheidungsvoraussetzung reicht aber die bloße Erklärung des sich von der Ehe lösenden Ehegatten nicht aus, er sehe die Ehe als endgültig zerrüttet oder gescheitert an (BGH, Urteil vom 141. Juni 1978 – IV ZR 164/77 – NJW 1978, 1810, 1811 unter 2).
c) Rechtsfehlerhaft geht das Berufungsgericht schließlich von einer tatsächlichen Vermutung für die Zerrüttung der Ehe schon aufgrund des einjährigen Getrenntlebens der Eheleute aus. Die Dauer der Trennung, insbesondere soweit sie über die Mindestfrist von einem Jahr hinausgeht, gehört zwar zu den Umständen, die der Tatrichter in seine Prüfung einzubeziehen hat, ob eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann (BGH, Urteil vom 14. Juni 1978 – IV ZR 164/77 – NJW 1978, 1810, 1811 unter 2; Urteil vom 31. Januar 1979 – IV ZR 72/78 – NJW 1979, 1042 unter I; Soergel/Heintzmann, aaO § 1565 Rdn. 26). Eine darüber hinausgehende Bedeutung im Sinne einer tatsächlichen Vermutung für das Scheitern der Ehe kommt der Trennungszeit jedoch nicht zu.
d) Die Verfahrensrügen der Revision gegen die Verwertung der Aussagen im Nachlaßverfahren greifen allerdings nicht durch. Es hätte der Beklagten freigestanden, eine erneute Vernehmung der Zeugen zu beantragen, die nicht mit Hinweis auf das Vernehmungsprotokoll des Nachlaßgerichts hätte abgelehnt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1992 – VI ZR 215/91 – VersR 1992, 1028, 1029 unter II 1 c m.w.N.). Einen solchen Antrag weist die Revision aber nicht nach; er ist auch nicht ersichtlich.
4. a) Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB trägt der die Scheidung begehrende Ehegatte (Soergel/Heintzmann, aaO § 1565 Rdn. 22, 33; MK/Wolf, aaO § 1565 Rdn. 61). Nichts anderes gilt bei der Anwendung von §§ 2077, 1933 BGB. Wer die Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung geltend macht, muß insbesondere beweisen, daß im Zeitpunkt des Erbfalls keine Versöhnungsbereitschaft der Ehegatten bestand (Soergel/Loritz, aa0 § 2077 Rdn. 20; Soergel/A. Stein, aa0 § 1933 Rdn. 9).
b) Daran ändert hier auch der Erbschein nichts, der den Kläger und seine geschiedene Ehefrau als gesetzliche Erben ausweist. Zwar wird gemäß § 2365 BGB vermutet, daß dem im Erbschein ausgewiesenen Erben das angegebene Erbrecht zustehe und daß er nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist der Prozeßrichter beim Streit unter Erbprätendenten aber an den Erbschein nicht gebunden, soweit es um die Auslegung eines Testaments geht (so zuletzt Urteil vom 12. Mai 1993 – IV ZR 227/92 – NJW 1993, 2171, 2172 unter 5 a.E. m.w.N.). Im vorliegenden Fall geht es in erster Linie um die Anwendung von § 2077 BGB, der die Auslegung des Testaments betrifft (BGH, Urteil vom 6. Mai 1959 – V ZR 97/58 – FamRZ 1960, 28, 29 unter II 2; Soergel/Loritz, aa0 § 2077 Rdn. 2 m.w.N.). Wenn der Prozeßrichter ohne Bindung an den Erbschein zu prüfen hat, ob gemäß § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB im Zeitpunkt des Erbfalls die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe des Erblassers mit dem als Erben eingesetzten Ehegatten gegeben waren, kann für die gleichlautenden Voraussetzungen des § 1933 Satz 1 BGB nichts anderes gelten.
II. 1. Falls das Testament echt ist und das Berufungsgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangt, daß beim Tod des Ehemannes die Voraussetzungen für eine Scheidung vorgelegen haben, wäre gemäß § 2077 Abs. 3 BGB zu prüfen, ob es hinreichende Anhaltspunkte dafür gibt, daß das Testament auch für diesen Fall gelten sollte. Das läßt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht unbedingt allein dem Umstand entnehmen, daß der Erblasser sein Testament vom 17. Januar 1989 nicht geändert hat, als er im Januar 1991 im Krankenhaus lag.
2. wenn die Erbeinsetzung der Beklagten gemäß § 2077 Abs. 1 BGB unwirksam sein sollte, würde deshalb die in demselben Testament erfolgte Erbeinsetzung ihres Sohnes gemäß § 2085 BGB nur unwirksam werden, wenn anzunehmen ist, daß der Erblasser den Sohn nicht unabhängig von der Einsetzung seiner Mutter bedacht hätte. Das hat der Kläger zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 1959 – V ZR 20j59 – LM BGB § 2085 Nr. 2 Bl. 3). Soweit es dazu im Berufungsurteil heißt, andere Gesichtspunkte für die Erbeinsetzung des Stiefsohnes als die Ehe mit der Beklagten seien nicht ersichtlich, bedarf es erneuter Prüfung im Hinblick auf die oben unter I 3 a wiedergegebene Aussage der Mutter des Erblassers über dessen Erfahrungen als Kind aus einer gescheiterten Ehe und seiner damit zusammenhängenden Beziehungen zu dem Kind der Beklagten. Für den Willen bei Testamentserrichtung ist ferner der Brief des Erblassers an die Beklagte vom 11. September 1990 von Bedeutung (GA I 46: „Das Kind …. das ich als meinen Sohn liebte, aber dessen Vater ich nicht bin”).
III. Auch wenn der Kläger nicht kraft Testaments von der Erbfolge ausgeschlossen ist, sondern als Miterbe gemäß § 2039 BGB einen zum Nachlaß gehörigen Anspruch geltend machen kann, können die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts zur Begründetheit dieses Anspruchs nicht bestehenbleiben.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht der Beklagten zwar ein Anspruch auf die Lebensversicherungssumme zu, weil ihr Bezugsrecht als Ehefrau nur durch eine Scheidung auflösend bedingt gewesen sei und § 2077 BGB nicht entsprechend auf die Bezugsberechtigung angewandt werden könne. Infolge des Scheiterns der Ehe sei aber die Geschäftsgrundlage für die Zuwendung des Bezugsrechts entfallen. Die Beklagte habe nicht bewiesen, daß trotz Scheiterns der Ehe etwas anderes habe gelten sollen und der Ehemann das Bezugsrecht aus Versorgungsgesichtspunkten heraus nicht widerrufen habe. Der Beklagten sei die mit der Klage geforderte Abtretung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung auch zuzumuten, weil es aller Voraussicht nach ohne den Tod des Ehemannes zu einer Scheidung gekommen wäre, die Beklagte dadurch bereits das Bezugsrecht verloren hätte und wegen der Gütertrennung, die vor der Heirat vereinbart worden war, auch am Rückkaufswert nicht beteiligt gewesen wäre.
2. Daran ist entgegen der von beiden Parteien vorgetragenen Bedenken richtig, daß die Bezugsberechtigung, d.h. der Anspruch aus § 331 BGB gegen den Lebensversicherer, von ihrem Rechtsgrund zu unterscheiden ist, der im Deckungsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer einerseits und dem Valutaverhältnis zwischen zuwendendem Versicherungsnehmer und den als Bezugsberechtigten benannten Personen andererseits besteht. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß das Bezugsrecht allein von den dafür im Versicherungsvertrag vereinbarten Bedingungen abhängt, ein Rechtsgrund zum Behalten des Bezugsrechts aber entfallen kann, wenn das Valutaverhältnis zurückabgewickelt werden muß (Urteil vom 1. April 1987 – IVa ZR 26/86 – NJW 1987, 3131f. unter 1 und 2; ebenso Bruck/Möller/Winter, VVG 8. Aufl. Bd. V/2 Anm. H 165; Muscheler, WM 1994, 921, 923).
Für das Bezugsrecht der Beklagten, die nicht geschieden worden ist, spielt es mithin keine Rolle, wenn beim Tod ihres Ehemannes die Voraussetzungen für eine Scheidung vorgelegen haben sollten. Dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer wie hier das Bezugsrecht gemäß § 166 Abs. 1 Satz 2 VVG zu seinen Lebzeiten frei hätte widerrufen können. Er wäre deshalb nicht auf einen Rückabwicklungsanspruch aus dem Valutaverhältnis angewiesen gewesen. Mit dem Eintritt des Versicherungsfalles erlischt aber das Widerrufsrecht. Nun kommt es auf das Valutaverhältnis für die Frage an, ob der Begünstigten ein Rechtsgrund zum Behalten zusteht. Zur Geltendmachung eines Rückabwicklungsanspruchs aktivlegitimiert sind die Erben des Versicherungsnehmers und nicht etwa nachrangig als Bezugsberechtigte benannte Personen.
3. Zutreffend rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht die Beweislast in der Frage, was Geschäftsgrundlage der Zuwendung im Valutaverhältnis geworden ist, rechtsfehlerhaft beurteilt hat.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann durch eine umbenannte Zuwendung unter Ehegatten ein ehebezogenes Rechtsgeschäft eigener Art geschlossen werden, aus dem sich – insbesondere bei Gütertrennung – nach dem Scheitern der Ehe entsprechend den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage Ausgleichsansprüche ergeben können, wenn die Beibehaltung der Vermögensverhältnisse, die durch die Zuwendung eines Ehegatten an den anderen herbeigeführt worden sind, dem benachteiligten Ehegatten nicht zuzumuten ist (st. Rspr., zuletzt Urteil vom 13. Juli 1994 – XII ZR 1/93 – NJW 1994, 2545 = FamRZ 1994, 1167).
Die Beklagte hat hier vorgetragen, ihr Ehemann habe noch im Herbst 1990 gesagt, daß er es für richtig gehalten habe, sie in jedem Fall durch eine sehr hohe Lebensversicherung finanziell abzusichern (GA I 24). Die amerikanische Freundin des Ehemannes hat in einer eidesstattlichen Versicherung für das Nachlaßgericht u.a. erklärt, er habe die Beklagte und ihren Sohn in Sicherheit wissen wollen und ihr berichtet, daß er genug Geld bezahlt habe, damit für beide gesorgt sei (GA I 80). Das Landgericht ist davon ausgegangen, das Bezugsrecht aus der Lebensversicherung habe der Versorgung der Beklagten gerade auch im Falle des Todes ihres Ehemannes während eines Scheidungsverfahrens und selbst dann dienen sollen, wenn die Voraussetzungen für eine Scheidung vorgelegen hätten. Mit der Einräumung des Bezugsrechts habe der Ehemann seinen auch in einem Scheidungsverfahren fortbestehenden Unterhaltspflichten Rechnung tragen wollen (GA I 210). Das hat sich die Beklagte in der Berufungserwiderung zu eigen gemacht und darauf hingewiesen, daß ihr Ehemann trotz der Beziehung zu der amerikanischen Freundin bis zu seinem Tod das Bezugsrecht nicht widerrufen habe (GA II 95ff.).
Danach ist streitig, ob dem Bezugsrecht im vorliegenden Fall eine umbenannte Zuwendung des sonst üblichen Inhalts zugrunde liegt, deren Geschäftsgrundlage mit dem Scheitern der Ehe entfällt. Vielmehr macht die Beklagte geltend, ihr Ehemann habe mit der Zuwendung des Bezugsrechts ihren Unterhalt und ihre Versorgung gerade auch für den Fall des Scheiterns der Ehe sichern wollen (etwa gemäß § 1586b BGB).
b) Die Beweislast dafür, daß dies nicht zutrifft, sondern daß das Fortbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft Geschäftsgrundlage war, trägt der Kläger. Wer sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft, hat zu beweisen, daß dem Vertragsschluß die Vorstellungen zugrunde gelegen haben, deren Wegfall er geltend macht (BGH, Urteil vom 31. Januar 1969 – V ZR 52/66 – WM 1969, 527, 528f. unter 3; Urteil vom 15. Februar 1989 – IVb ZR 105/87 – NJW 1989, 1986, 1988 unter II 3; Urteil vom 31. Mai 1990 – I ZR 233/88 – GRUR 1990, 1005, 1006 unter II 1 b; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 1 2. Aufl. § 242 Rdn. 17). Anders liegt es zwar, wenn der Wegfall der Geschäftsgrundlage unstreitig ist, aber geltend gemacht wird, das Kausalverhältnis bestehe gleichwohl – etwa mit geändertem Inhalt – fort (BGH, Urteil vom 12. April 1973 – II ZR 147/71 – WM 1973, 1176f.). Hier ist aber gerade streitig, was Geschäftsgrundlage für die Einräumung des Bezugsrechts war. Für den dazu vom Kläger zu erbringenden Beweis genügt es nicht, daß das Berufungsgericht im Hinblick auf die Unterhaltsvereinbarung vom 15. August 1990 lediglich Zweifel daran äußert, ob der Ehemann von einem Widerruf des Bezugsrechts der Beklagten aus Gesichtspunkten ihrer Versorgung heraus abgesehen habe.
IV. Sollte das Berufungsgericht nach weiterer Sachaufklärung und Beweiswürdigung wiederum zu dem Ergebnis gelangen, daß die Geschäftsgrundlage entfallen ist, müßte auch die Aktivlegitimation des Klägers noch einmal überprüft werden. Wenn die Ehe beim Tod des Mannes gescheitert war, könnte die testamentarische Erbeinsetzung der Beklagten gemäß § 2077 BGB unwirksam sein. Zu prüfen bliebe, ob und inwieweit die testamentarische Einsetzung ihres Sohnes die gesetzliche Erbfolge ausschließt. Falls danach die gesetzliche Erbfolge zum Zuge kommt, würde das Erbrecht der Beklagten aus § 1931 BGB wegen des Scheiterns der Ehe gemäß § 1933 BGB entfallen. Soweit die Anspruchsberechtigung des Klägers von §§ 2077, 1933 BGB abhängt, käme es auf die Bedenken gegen deren Verfassungsmäßigkeit an (dazu vgl. BGHZ 111, 329, 333f.).
Da die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Klage aufzuheben war, konnte auch seine Entscheidung über die von der Klage abhängige Widerklageforderung nicht bestehenbleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 604912 |
BGHZ 128, 125 |
BGHZ, 125 |
NJW 1995, 1082 |
ZEV 1995, 150 |