Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch einer Partei gegen ihr Mitglied auf Zahlung eines Teils seiner Aufwandsentschädigung als Sonderbeitrag ist als zivilrechtlicher Anspruch gerichtlich durchsetzbar.
Normenkette
PartG § 27 Abs. 1 S. 1; KomVerfG § 35 Abs. 3; GG Art. 21 Abs. 1 S. 3, Art. 38 Abs. 1 S. 2, Art. 48 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Entscheidung vom 06.08.2021; Aktenzeichen 1 S 16/21) |
AG Naumburg (Entscheidung vom 11.01.2021; Aktenzeichen 12 C 261/20) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 6. August 2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist ein rechtlich selbständiger Kreisverband der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU). Der Beklagte war von 1972 bis zu seinem Parteiaustritt im November 2019 Mitglied des Klägers. Im Jahr 2015 wurde er zum ehrenamtlichen Bürgermeister der in Sachsen-Anhalt gelegenen Gemeinde F. gewählt. Als solcher erhielt er eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 765 €. Zur Bürgermeisterwahl war er nicht als Kandidat der CDU angetreten, sondern als Einzelkandidat ohne finanzielle oder personelle Unterstützung durch den Kläger.
Rz. 2
Die Finanz- und Beitragsordnung der Landessatzung der CDUSachsen-Anhalt (Anlage B der Landessatzung, im Folgenden: FBO CDU-LSA) enthielt im streitgegenständlichen Zeitraum in der bis zum 31. Mai 2019 geltenden Fassung folgende Regelung:
§ 6 weitere Beiträge (Sonderbeiträge)
[…]
(4) |
Kommunale Amtsträger entrichten monatlich neben ihrem satzungsmäßigen persönlichen Mitgliedsbeitrag mindestens 3 % ihres Grundgehalts sowie 15 % ihrer Aufwandsentschädigung als Sonderbeitrag an ihren Kreisverband; kommunale Mandatsträger entrichten in gleicher Weise 15 % ihrer Aufwandsentschädigung an ihren Kreisverband. |
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[…] |
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(7) |
Persönlichkeiten, die auf Vorschlag der CDU in eine politische Aufgabe gewählt bzw. berufen werden, für die eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird, entrichten für die Zeitdauer der Wahrnehmung dieser Aufgabe einen Sonderbeitrag, dessen Höhe der Landesvorstand der CDU im Einzelfall festlegt, soweit dies nicht bereits in den Absätzen 2 bis 4 geschehen ist. |
Rz. 3
Nach der ab dem 1. Juni 2019 geltenden Fassung des § 6 Abs. 4 der Regelung betrug der monatlich an den Kreisverband zu leistende Sonderbeitrag für kommunale Wahlbeamte neben ihrem satzungsgemäßen Mitgliedsbeitrag 3 % ihres Grundgehalts (brutto), für kommunale Mandatsträger ab der Gemeindeebene aufwärts 15 % ihrer pauschalen Aufwandsentschädigung und für ehrenamtliche Bürgermeister 7,5 % ihrer pauschalen Aufwandsentschädigung.
Rz. 4
Im Jahr 2019 nahm der Kläger den Beklagten erstmals auf Leistung von Sonderbeiträgen aufgrund dieser Regelungen in Anspruch. Seiner Aufforderung, für den Zeitraum von Januar 2018 bis Oktober 2019 Sonderbeiträge in Höhe von insgesamt 740,46 € nebst Zinsen zu zahlen, kam der Beklagte nicht nach.
Rz. 5
Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung dieser Sonderbeiträge nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung des Beklagten hatte bis auf eine Änderung der Zinsentscheidung keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 6
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.
Rz. 7
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 8
Die in § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA in der jeweiligen Fassung festgelegten Amts- und Mandatsträgerbeiträge seien keine freiwilligen Leistungen sondern zivilrechtlich durchsetzbare Zahlungsansprüche des jeweiligen Kreisverbands. Die streitgegenständlichen Satzungsregelungen verstießen nicht gegen § 35 Abs. 3 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KVG LSA) und die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA für eine Inanspruchnahme des Beklagten seien im maßgeblichen Zeitraum erfüllt. Dass der Beklagte sein Amt ohne Unterstützung des Klägers erlangt habe, sei unschädlich, weil die generelle Regelung der Beitragspflicht in der Satzung nicht an eine vorangegangene Unterstützung durch die Partei geknüpft sei.
Rz. 9
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 10
1. Die Revision ist unbeschränkt zulässig. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Berufungsgericht die Zulassung nicht auf die Frage der Eröffnung des ordentlichen Rechtswegs für die Durchsetzung von Mandats- bzw. Amtsträgerbeiträgen beschränkt.
Rz. 11
a) Zwar kann sich eine Beschränkung der Revisionszulassung, die, wie hier, nicht schon in der Entscheidungsformel des Berufungsurteils enthalten ist, auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann. Unzureichend ist jedoch die bloße Angabe einer Begründung für die Zulassung der Revision, ohne dass klar erkennbar ist, dass die Zulassung auf den durch die Rechtsfrage betroffenen Teil des Streitgegenstands beschränkt sein soll (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2018 - II ZR 70/16, NZG 2019, 466 Rn. 13 mwN).
Rz. 12
b) Nach diesem Maßstab ist die Revision unbeschränkt zugelassen.
Rz. 13
Das Berufungsgericht hat seine Zulassungsentscheidung einleitend damit begründet, dass der Rechtsstreit "entscheidungserhebliche Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung" aufwerfe. Daraus ergibt sich, dass es mehrere Rechtsfragen als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehen und die von ihm konkret benannte Frage der Durchsetzbarkeit von Mandats- bzw. Amtsträgerbeiträgen vor den ordentlichen Gerichten lediglich als Beispiel für eine dieser Fragen angeführt hat. Jedenfalls kann seiner Begründung keine hinreichend klare Beschränkung auf diese Frage entnommen werden.
Rz. 14
2. Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger gegen den Beklagten für den Zeitraum von Januar 2018 bis Oktober 2019 aus § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA in der jeweils geltenden Fassung ein einklagbarer Anspruch auf Zahlung von 740,46 € nebst Zinsen zusteht. Die dem zugrunde liegende Auslegung von § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA durch das Berufungsgericht lässt keine revisiblen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 15
a) Die Revision wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA einen vor den ordentlichen Gerichten durchsetzbaren Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung eines Teils seiner Aufwandsentschädigung als Sonderbeitrag entnommen hat.
Rz. 16
aa) § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA ist als Satzungsbestimmung mit körperschaftsrechtlichem Charakter nach objektiven Gesichtspunkten auszulegen.
Rz. 17
Die in Anlage B der Landessatzung der CDU Sachsen-Anhalt enthaltene FBO CDU-LSA regelt gemäß § 7 Abs. 1 der Landessatzung das Nähere zu den von den Parteimitgliedern zu entrichtenden Beiträgen und ist gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 der Landessatzung vom 20. März 2010 bzw. § 52 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 der Landessatzungen vom 17. November 2018 und vom 4. Mai 2019 in ihrer jeweils geltenden Fassung Bestandteil der Satzung. Der Beitragsregelung in § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA kommt körperschaftsrechtlicher Charakter zu, da sie nicht nur die derzeitigen, bei Inkrafttreten der Regelung vorhandenen, sondern auch künftig beitretende Parteimitglieder erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1993 - II ZR 155/92, BGHZ 123, 350; Urteil vom 27. September 2011 - II ZR 279/09, ZIP 2011, 2357 Rn. 8). Satzungsbestimmungen, denen körperschaftsrechtlicher Charakter zukommt, sind grundsätzlich nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1988 - II ZR 96/88, BGHZ 106, 67, 71; Urteil vom 11. Oktober 1993 - II ZR 155/92, BGHZ 123, 347, 350; jeweils mwN). Dabei kommen Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung ebenso maßgebende Bedeutung zu wie dem systematischen Bezug der Klausel zu anderen Satzungsvorschriften. Die Auslegung des Berufungsgerichts unterliegt der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr.; z.B. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1991 - II ZR 58/91, BGHZ 116, 359, 364; Urteil vom 11. Oktober 1993 - II ZR 155/92, BGHZ 123, 347, 350; Urteil vom 27. September 2011 - II ZR 279/09, ZIP 2011, 2357 Rn. 8; Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 243/13, BGHZ 202, 202 Rn. 14).
Rz. 18
bb) Der Wortlaut des § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA, wonach die Amts- und Mandatsträger die Sonderbeiträge in der festgelegten Höhe "entrichten", gibt für eine Einordnung als nicht einklagbare unvollkommene Verbindlichkeit keinen Anhalt. Gleiches gilt für Sinn und Zweck der Regelung, der darin liegt, Amts- und Mandatsträger zu einer zusätzlichen finanziellen Unterstützung der Partei heranzuziehen. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem systematischen Bezug der Regelung zu anderen Vorschriften der Satzung. § 4 Abs. 2 Satz 1 FBO CDU-LSA bestimmt für Mitgliedsbeiträge zwar ausdrücklich, dass diese zu den angegebenen Terminen "unaufgefordert zu zahlen" sind, während eine entsprechende Formulierung für die Leistung von Sonderbeiträgen fehlt. Dass auch dafür eine durchsetzbare Leistungspflicht des Mitglieds besteht, zeigt aber § 4 Abs. 2 Satz 3, § 7 FBO CDU-LSA, wonach ein Mitglied auch mit der Leistung von Sonderbeiträgen in Zahlungsverzug geraten kann und in diesem Fall Verzugszinsen berechnet werden können. Dass die Verweigerung der Zahlung von Mitglieds- und Sonderbeiträgen nach § 4 Abs. 2 Satz 3 und 4 FBO CDU-LSA unter bestimmten Voraussetzungen auch die Beendigung der Mitgliedschaft in der Partei zur Folge haben kann, lässt entgegen der Revision nicht den Rückschluss zu, dass damit lediglich parteiinterne Konsequenzen unter Verzicht auf eine gerichtliche Durchsetzung der rückständigen Beiträge gezogen werden sollten.
Rz. 19
cc) Der Anspruch einer Partei gegen ihr Mitglied auf Zahlung eines Teils seiner Aufwandsentschädigung als Sonderbeitrag ist als zivilrechtlicher Anspruch gerichtlich durchsetzbar. Die dagegen erhobenen Einwände der Revision rechtfertigen keine andere Betrachtung.
Rz. 20
(1) Dass Mitgliedsbeiträge nach ihrer Definition in § 27 Abs. 1 Satz 1 PartG "auf Grund satzungsrechtlicher Vorschriften entrichtet" werden, während die Definition von Mandatsträgerbeiträgen in § 27 Abs. 1 Satz 2 PartG auf deren Leistung durch den Mandatsträger abstellt, besagt nichts über die rechtliche Qualität dieser Leistung im Verhältnis zwischen der Partei und ihrem Mitglied. Auch den Gesetzesmaterialien (Fraktionsentwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes, BT-Drucks. 14/8778) ist nicht zu entnehmen, dass den unterschiedlichen Formulierungen in § 27 PartG eine entsprechende Bedeutung zukommen sollte. Gleiches gilt für Systematik sowie Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. § 27 Abs. 1 PartG enthält eine Legaldefinition der verschiedenen Einnahmequellen der Parteien für deren entsprechende Unterscheidung und Ausweisung in den Rechenschaftsberichten (§ 24 Abs. 4, § 25 Abs. 3 Satz 1 PartG) sowie als Grundlage für die Berechnung des staatlichen Finanzierungsanteils (§ 18 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PartG). Ein weitergehender Regelungsgehalt dahingehend, welche rechtliche Qualität Sonderbeiträge im mitgliedschaftlichen Verhältnis der Partei haben, kommt der Vorschrift nicht zu.
Rz. 21
Anderes folgt auch nicht daraus, dass Mandatsträgerbeiträge nach § 25 Abs. 3 PartG in der vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung des Gesetzes vom 28. Juni 2002 (BGBl. I S. 2268) in Bezug auf Publizitätspflichten wie (freiwillige) Spenden und nicht wie Mitgliedsbeiträge zu behandeln waren. Diese Unterscheidung ist mit der Erstreckung der Publizitätspflicht auch auf Mitgliedsbeiträge durch § 25 Abs. 3 PartG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Gesetz vom 22. Dezember 2015, BGBl. I S. 2563; Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes, BT-Drucks. 18/6879, S. 6, 9, 15) entfallen.
Rz. 22
Soweit die Revision außerdem darauf verweist, dass Mandatsträgerbeiträge nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 10. April 2003 (IV C 4 S 2223 - 48/03, BStBl. I 2003 S. 286) steuerlich wie Spenden im Sinne von § 50 EStDV zu behandeln sind, "da es keine gesetzliche oder parlamentsordnungsgeschäftliche Verpflichtung zur Zahlung dieser Beiträge gibt", ist diese steuerliche Einordnung der Beitragsleistung für ihre zivilrechtliche Qualifizierung aufgrund einer Regelung in der Parteisatzung oder individuellen Vereinbarung ohne Relevanz.
Rz. 23
(2) Keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung gibt auch der Einwand der Revision, gegen eine Einklagbarkeit von Mandatsträgerbeiträgen spreche eine potentielle finanzielle Abhängigkeit der Amts- und Mandatsträger von der Partei, die nach Belieben ausstehende Sonderbeiträge im Einzelfall einklagen oder bewusst nicht geltend machen und dies auch von dem parlamentarischen oder sonstigen politischen Verhalten des Mandatsträgers abhängig machen könne.
Rz. 24
Die Revision verweist insoweit auf die entsprechenden Ausführungen in der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 6. Dezember 2005 (2. WF III G - 348/05, S. 15), in der u.a. wegen dieser möglichen Beeinflussung des politischen Verhaltens Zweifel an der gerichtlichen Durchsetzbarkeit von in Parteisatzungen geregelten Amts- und Mandatsträgerbeiträgen geäußert wurden. Diese Auffassung wurde allerdings in einer neueren Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste vom 17. Juni 2016(WD 3 - 3000 - 155/16, S. 12) aufgegeben und im Anschluss an eine entsprechende Meinung in der Literatur (Kühr, Legalität und Legitimität von Mandatsträgerbeiträgen, 2014, S. 138 ff.) ein zivilrechtlich durchsetzbarer Zahlungsanspruch der Partei bei parteiinternen Regelungen oder aufgrund einer individuellen Vereinbarung zwischen Partei und Mandatsträgern bejaht.
Rz. 25
Diese Auffassung trifft zu. Die von der Revision angeführte Gefahr der Beliebigkeit der Beitragseinforderung und deren Instrumentalisierung zur Beeinflussung des Mandatsträgerverhaltens rechtfertigt keinen generellen Ausschluss der Einklagbarkeit der Beitragsforderung, da ihr durch eine rechtliche Kontrolle der Einforderung im jeweiligen Einzelfall hinreichend begegnet werden kann. Einer beliebigen Einforderung der Beiträge steht der aus Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG abgeleitete innerparteiliche Gleichbehandlungsgrundsatz entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schützt Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG als Bestandteil der demokratischen Ordnung u.a. die grundsätzliche Gleichwertigkeit der Mitglieder einer Partei, deren Grundsätze im Einzelnen eine Ausdifferenzierung im Parteiengesetz erfahren (so bereits BVerfGE 2, 1, 40). Während die politische Partizipation und wesentliche mitgliedschaftliche Rechte der einzelnen Parteimitglieder im zweiten Abschnitt des Parteiengesetzes (§§ 6 bis 16 PartG) eine entsprechende Regelung erfahren haben, kann für das Gebot der Gleichbehandlung der Parteimitglieder auf allgemeine vereinsrechtliche Grundsätze zurückgegriffen werden (MünchHdb GesR V/Knof, 5. Aufl., § 6 Rn. 20; Reichert/Wagner, Vereinsrecht, Kap 2 Rn. 6207; Seifert, Die politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 219; Streinz inv. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., Art. 21 Rn. 157; Bonner Kommentar zum Grundgesetz/Towfigh/Ulrich, Stand: Juli 2020, Art. 21 Rn. 446 f.). Der dort geltende Grundsatz der Gleichbehandlung aller Vereinsmitglieder gewinnt besondere Bedeutung bei der Erhebung der Mitgliedsbeiträge und verbietet, ein einzelnes Mitglied oder eine Gruppe von Mitgliedern willkürlich oder in sachfremder Weise besonders zu belasten (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1954 - II ZR 33/53, juris Rn. 7; Urteil vom 19. Juli 2010 - II ZR 23/09, ZIP 2010, 1793 Rn. 17). Dementsprechend kann auch ein einzelner Amts- und Mandatsträger der sachfremden Durchsetzung der Ansprüche durch die Partei zur Bewirkung eines bestimmten politischen Verhaltens im konkreten Einzelfall entgegentreten.
Rz. 26
b) Die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung der geltend gemachten Sonderbeiträge gemäß § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA in der jeweiligen Fassung sind erfüllt.
Rz. 27
aa) Der Beklagte war im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglied der CDU im klagenden Kreisverband und als ehrenamtlicher Bürgermeister gemäß § 96 Abs. 1, Abs. 3 KVG LSA direkt gewählter kommunaler Amtsträger in einem Ehrenbeamtenverhältnis auf Zeit.
Rz. 28
bb) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Pflicht des Beklagten zur Leistung eines Sonderbeitrags nach § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA nicht an eine vorangegangene Unterstützung des Beklagten bei der Erlangung seines Amtes geknüpft ist. Auch insoweit lässt die Auslegung der Satzungsregelung durch das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision keine revisiblen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 29
(1) § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA stellt seinem Wortlaut nach für die Pflicht zur Entrichtung des Sonderbeitrags in der jeweiligen Fassung einzig auf die Amts- oder Mandatsträgerstellung des Parteimitglieds ab.
Rz. 30
(2) Dass die Erhebung des Beitrags gleichwohl eine konkrete vorangegangene oder aktuelle Unterstützung des Amts- oder Mandatsträgers durch die Partei voraussetzt, folgt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht aus der Regelung von Sonderbeiträgen für Persönlichkeiten, die auf Vorschlag der Partei ein Amt oder ein Mandat erhalten haben, in § 6 Abs. 7 FBO CDU-LSA.
Rz. 31
Mit der dortigen Anknüpfung der Sonderbeitragspflicht an den Wahlvorschlag der Partei wird (auch) der Fall erfasst, dass die Partei eine nicht parteiangehörige Persönlichkeit unterstützt, für die sich die Pflicht zur Leistung des Sonderbeitrags nicht aus den für Parteimitglieder geltenden Regelungen in § 6 Abs. 2 bis 4 FBO CDU-LSA ergibt. In einem solchen Fall erklärt sich die Anknüpfung der Beitragspflicht an die konkrete Unterstützung in Form des Wahlvorschlags der Partei daraus, dass die oben aufgezeigten anderweitigen Möglichkeiten einer Förderung oder Unterstützung der Kandidatur durch die Partei mangels Parteizugehörigkeit nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden können. Das erlaubt indes keinen Rückschluss auf eine entsprechende Voraussetzung auch für die Erhebung von Sonderbeiträgen von parteiangehörigen Amts- und Mandatsträgern. Im Gegenteil spricht gerade die ausdrückliche Anknüpfung an den Wahlvorschlag der Partei bei nicht parteiangehörigen Persönlichkeiten im Umkehrschluss dafür, dass eine solche oder eine vergleichbare Unterstützung bei Parteimitgliedern nicht vorausgesetzt wird.
Rz. 32
(3) Die Abhängigkeit des Sonderbeitrags von einer Unterstützung des Amts- oder Mandatsträgers bei der Wahl durch die Partei ergibt sich schließlich nicht aus Sinn und Zweck des § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA. Eine dahingehend einschränkende Auslegung der Regelung ist entgegen der Ansicht der Revision nicht geboten.
Rz. 33
Sinn und Zweck der Erhebung von Amts- und Mandatsträgerbeiträgen ist die Gewinnung von Einnahmen unter Berücksichtigung der durch die Mitgliedschaft vermittelten Vorteile. Diese Vorteile mögen, wie die Revision geltend macht, zwar im "Normalfall" in einer konkreten personellen, sachlichen oderfinanziellen Unterstützung durch die Partei bei der jeweiligen Kandidatur liegen. Die Partei kann dem Einzelnen aber auch nach Erlangung des Amtes oder Mandats Beistand leisten, beispielsweise durch Unterhaltung eines Parteisekretariats, die Förderung von Austausch oder die Bildung von Netzwerken. Daneben können für ein Parteimitglied ggf. richtungsweisende Unterstützungshandlungen durch die Partei auch ohne unmittelbaren Zusammenhang zu einer konkreten Amts- oder Mandatsübernahme erfolgt sein oder noch erfolgen. Schließlich kann auch ein Kandidat, der sein Amt ohne finanzielle oder personelle Unterstützung seiner Partei erhalten hat, gleichwohl als langjähriges Parteimitglied von wahlberechtigten Bürgern als solches wahrgenommen worden sein oder aufgrund seiner bekannten Parteizugehörigkeit bestimmte Stammwähler angesprochen haben, ohne dass diese Förderung und ihre (Mit-)Ursächlichkeit für seine Wahl quantifizierbar wäre. Auch in diesen Fällen kommt daher die Erhebung eines Sonderbeitrags zum Ausgleich für die Möglichkeit der parteilichen Unterstützung oder Förderung des Amts- oder Mandatsträgers in Betracht. Danach und im Hinblick auf die mit einer abstrakt-generellen Regelung auf Satzungsebene zwangsläufig verbundene typisierende Betrachtung entspricht auch die Erhebung eines Sonderbeitrags unabhängig von einer konkreten Unterstützung des Amts- oder Mandatsträgers bei der Wahl Sinn und Zweck des § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA.
Rz. 34
c) Diese Sonderbeitragsregelung für ehrenamtliche Bürgermeisters in § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA in der jeweils geltenden Fassung verstößt entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen höherrangiges Recht.
Rz. 35
aa) Nach allgemeiner, auch von der Revision nicht in Frage gestellter Auffassung ist die CDU als politische Partei im Sinne des Parteiengesetzes im Rahmen der ihr als Verein gemäß §§ 21 ff. BGB zustehenden Satzungsautonomie grundsätzlich befugt, die Erhebung von Beiträgen und die dafür geltenden Voraussetzungen verbindlich zu regeln. Die innerparteilichen Rechtsbeziehungen zwischen den politischen Parteien und ihren Mitgliedern bestimmen sich, auch wenn sie als nicht rechtsfähiger Verein organisiert sind (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1968 - VII ZR 63/66, BGHZ 50, 325, 328 ff. [zu Gewerkschaften]; Urteil vom 2. April 1979 - II ZR 141/78, WM 1979, 969, 970; Beschluss vom 21. Mai 2019 - II ZR 157/18, NZA 2020, 134 Rn. 16), nach den vereinsrechtlichen Vorschriften der §§ 21 ff. BGB, sofern nicht das Parteiengesetz vorrangige Sonderregelungen enthält oder verfassungsmäßige Vorgaben eine abweichende Regelung gebieten (vgl. Lontzek, Die Sonderbeiträge von Abgeordneten an Partei und Fraktion, 2012, S. 59 f.; MünchHdb GesR V/Knof, 5. Aufl., § 6 Rn. 20; Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 12. Aufl., Rn. 20; Reichert/Wagner, Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl., Kap 2 Rn. 6206 ff.; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., Einf v § 21 Rn. 17).
Rz. 36
bb) Die verfassungsrechtlichen Einwände der Revision greifen jedenfalls im Fall der Erhebung von Sonderbeiträgen nach § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA in der hier jeweils geltenden Fassung von einem gemäß § 96 Abs. 3 Satz 1 KVG LSA ehrenamtlich tätigen Bürgermeister einer verbandsangehörigen Mitgliedsgemeinde nicht durch.
Rz. 37
(1) Soweit die Revision hierzu auf die Diskussion in der Literatur über die Verfassungsmäßigkeit von Mandatsträgerbeiträgen verweist, betrifft diese vor allem Parlamentsabgeordnete und ist daher nicht ohne Weiteres auf die hier in Rede stehenden Sonderbeiträge für Angehörige kommunaler Vertretungskörperschaften übertragbar. Kommunale Vertretungskörperschaften sind keine Parlamente im staatsrechtlichen Sinne, sondern Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft (vgl. BVerfGE 78, 344, 348; 120, 82, 112; BVerwGE 97, 223, 225; Kühr, Legalität und Legitimität von Mandatsträgerbeiträgen, 2014, S. 181). Davon abgesehen hat das Bundesverfassungsgericht auch Sonderbeiträge von Parlamentsabgeordneten in seinen Entscheidungen zur Parteienfinanzierung nicht beanstandet, sondern vielmehr als im Parteiengesetz geregelte Einnahmeform der Parteien vorausgesetzt (BVerfG, NVwZ 1982, 613, 614; BVerfGE 85, 264, 311). In der Literatur werden zwar auch nach diesen Entscheidungen weiterhin verfassungsrechtliche Zweifel im Hinblick auf den Grundsatz des freien Mandats (Art. 38 Abs. 1 GG), der angemessenen Alimentierung der Abgeordneten (Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG) und das Verbot versteckter staatlicher Parteienfinanzierung (Art. 21 Abs. 1 GG) geäußert (so etwa von Arnim/Drysch in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: Juli 2019, Art. 48 Rn. 338 ff.; Streinz in von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl., Art. 21 Rn. 124). Wie auch die Revision einräumt, hält die überwiegende Meinung jedoch Mandatsträgerbeiträge von Parlamentsabgeordneten grundsätzlich für verfassungsrechtlich zulässig (siehe etwa Klein in Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar; Stand: Dezember 2014, Art. 21 Rn. 411 f.; Dreier/Schultze-Fielitz, GG, 3. Aufl., Art. 48 Rn. 27; Bonner Kommentar zum Grundgesetz/Henke, Stand: Juli 2020, Art. 21 Rn. 550 ff.; weitere Nachweise zum Meinungsstand siehe die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 17. Juni 2016, Zulässigkeit und Durchsetzbarkeit von Mandatsträgerbeiträgen, WD 3 - 3000 - 155/16, S. 5 bis 9).
Rz. 38
(2) Unabhängig davon begegnet jedenfalls die hier zu beurteilende Festlegung eines Sonderbeitrags nach § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA in der hier jeweils geltenden Fassung von einem gemäß § 96 Abs. 3 Satz 1 KVG LSA ehrenamtlich tätigen Bürgermeister einer verbandsangehörigen Mitgliedsgemeinde keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Rz. 39
(a) § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA in der jeweiligen Fassung verstößt nicht gegen den in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Grundsatz des freien Mandats.
Rz. 40
(aa) Der Grundsatz des freien Mandats gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht uneingeschränkt auf kommunale Mandatsträger übertragbar.
Rz. 41
Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG bezieht sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur auf die Abgeordneten des Deutschen Bundestages (BVerfGE 6, 445, 447 mwN; Burghart in Leibholz/Rink, GG, Stand: April 2022, Art. 38 Rn. 486). Für Angehörige kommunaler Vertretungskörperschaften wird die Freiheit des Mandats verfassungsrechtlich aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitet. Danach haben Gemeindevertreter nach Maßgabe der Eigenverantwortlichkeit, wie sie dem verfassungsrechtlich geformten Bild der in den staatlichen Aufbau integrierten kommunalen Selbstverwaltung entspricht, ein "freies Mandat" (BVerwGE 90, 104, 105 mwN; Lontzek, Die Sonderbeiträge von Abgeordneten an Partei und Fraktion, 2012, S. 23 ff.). Die konkrete Ausgestaltung der Rechtsstellung der Mitglieder der kommunalen Vertretungen ist Aufgabe des staatlichen Gesetzgebers (BVerfGE 78, 344, 348). Eine solche einfachgesetzliche Regelung findet sich hier in § 43 Abs. 1 KVG LSA für die ehrenamtlichen Mitglieder der Kommunalvertretung. Danach üben die ehrenamtlichen Mitglieder der Vertretung ihr Ehrenamt im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung aus und sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden. Auch insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass den Gemeindevertretungen als Organ der Verwaltung in erster Linie verwaltende Tätigkeiten anvertraut sind, die der Ausübung von Staatsgewalt durch die Parlamente nicht zu vergleichen sind (BVerfGE 120, 82, 112).
Rz. 42
Das gilt erst recht für den Bürgermeister einer verbandsangehörigen Mitgliedsgemeinde gemäß §§ 95, 96 KVG LSA, für den § 43 Abs. 1 KVG LSA jedenfalls nicht ausdrücklich anwendbar ist. Dieser wird zwar direkt gewählt, ist ehren(be)amtlich tätig (§ 96 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 KVG LSA) und gehört neben seinen Vertretungs- und Repräsentationsaufgaben auch dem Gemeinderat als dessen Vorsitzender an (§ 95 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 4 Satz 2 KVG LSA). Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 KVG wird er aber nicht zu den ehrenamtlichen Mitgliedern des Gemeinderats gerechnet und damit vom Wortlaut des § 43 Abs. 1 KVG LSA nicht erfasst. Zudem wird in § 96 Abs. 2 Satz 3 KVG LSA im Zusammenhang mit der Regelung der Wählbarkeit zum Bürgermeister ausdrücklich nur das in § 43 Abs. 2 KVG LSA enthaltene Hinderungsverbot für entsprechend anwendbar erklärt. Ein vergleichbarer Verweis auf § 43 Abs. 1 KVG LSA ist in § 96 KVG LSA nicht enthalten, sondern "nur" ein Verweis auf die besonderen Dienstpflichten ehrenamtlich Tätiger (§ 96 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. §§ 32, 33 KVG LSA).
Rz. 43
(bb) Sollte dem ehrenamtlichen Bürgermeister danach ggf. für seine Tätigkeit im Gemeinderat eine Mandatsfreiheit gemäß § 43 Abs. 1 KVG LSA verbleiben (vgl. dazu Reich in Schmid u.a., KVSA, 2. Aufl., § 96 Rn. 115, 119), würde diese durch § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA nicht verletzt.
Rz. 44
Da § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA die Erhebung des Sonderbeitrags nicht an die inhaltliche Ausübung des jeweiligen Amts oder Mandats anknüpft, sondern allein an die Parteimitgliedschaft und Amts- oder Mandatsinhaberschaft als solche, kommt ihr keine die Freiheit des Mandats evtl. beeinträchtigende inhaltliche "Steuerungsfunktion" zu (vgl. Kühr, Legalität und Legitimität von Mandatsträgerbeiträgen, 2014, S. 135, 139, 301 zu Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG). Da sich das Mitglied mit seinem Parteibeitritt freiwillig der Parteisatzung und damit der darin geregelten Beitragspflicht unterworfen hat, wird die Mandatsfreiheit insoweit nicht berührt (vgl. Kühr, Legalität und Legitimität von Mandatsträgerbeiträgen, 2014, S. 135 f., 301). Daran ändert der Einwand nichts, der Mandatsträger sei faktisch gezwungen, diese Verpflichtung einzugehen und den Sonderbeitrag zu entrichten, weil er andernfalls Gefahr laufe, von der Partei nicht mehr aufgestellt zu werden. Die Gewährleistung des § 43 Abs. 1 KVG LSA bezieht sich ebenso wie diejenige des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG lediglich auf das konkrete Mandat und gibt keinen Anspruch auf Wiederwahl oder Wiederkandidatur (vgl. Miller/Gundlach in Bücken-Thielmeyer u.a., KVG LSA, Stand: Mai 2021, § 43 S. 3; Dreier/Morlok, GG, 3. Aufl., Art. 38 Rn. 167; Kühr, Legalität und Legitimität von Mandatsträgerbeiträgen, 2014, S. 141).
Rz. 45
(b) Der Rechtsgedanke des in Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG verankerten verfassungsrechtlichen Gebots einer angemessenen Entschädigung der Abgeordneten zur Sicherung ihrer finanziellen Unabhängigkeit steht dem in § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA geregelten Sonderbeitrag für ehrenamtliche Amts- und Mandatsträger ebenfalls nicht entgegen.
Rz. 46
Ehrenamtlich Tätige erhalten nach § 35 Abs. 1 und 2 KVG LSA nur Ersatz ihres Verdienstausfalls und ihrer Auslagen bzw. eine pauschalierte Aufwandsentschädigung. Damit erfolgt, anders als bei Abgeordneten des Deutschen Bundestags, keine Alimentation zur Sicherung ihres Lebensunterhalts, sondern nur ein Ausgleich für die mit der ehrenamtlichen, d.h. grundsätzlich unentgeltlichen Dienstleistung verbundenen Beschwernisse und finanziellen Einbußen (vgl. Miller/Gundlach in Bücken-Thielmeyer u.a., KVG LSA, Stand: Mai 2021, § 35 S. 2 und 5; Reich in Schmid u.a., KVSA, 2. Aufl., § 35 Rn. 1; BVerwGE 95, 208, 210, 212 zur Tätigkeit eines ehrenamtlichen Schulvorstehers). Überdies geht auch die Alimentation von Parlamentsabgeordneten mit ihrer Leistung in die private Verfügungsgewalt eines jeden Abgeordneten über und kann von diesem infolgedessen auch für Beiträge oder Spenden an eine Partei verwendet werden (BVerfG, NVwZ 1982, 613, 614; siehe auch Jochum in Ipsen, Parteiengesetz, 2. Aufl., § 27 Rn. 6; Henkel, DÖV 1975, 819, 821; Henkel, DÖV 1977, 350, 354; Müller/Albrecht, DVBl 2000, 1315, 1321; Welti, DÖV 2001, 705, 711; Wefelmeier, NdsVBl. 2003, 286, 289). Das gilt auch für die Aufwandsentschädigung der kommunal ehrenamtlich Tätigen.
Rz. 47
(c) Infolge dieses Übergangs der Aufwandsentschädigung in das private Vermögen des Amts- oder Mandatsinhabers greift auch der weitere Einwand nicht, die Erhebung von Sonderbeiträgen stelle eine verfassungswidrige indirekte staatliche Parteienfinanzierung dar.
Rz. 48
Soweit die Revision geltend macht, der Charakter einer staatlichen Leistung ergebe sich daraus, dass die zu leistenden Sonderbeiträge in die jeweilige (staatliche) Aufwandsentschädigung eingerechnet würden, sind Anhaltspunkte dafür weder allgemein noch konkret für die hier zu beurteilende Aufwandsentschädigung nach § 35 KVG LSA festgestellt oder sonst ersichtlich. Zudem würde sich dieser Einwand nur gegen die Höhe der jeweiligen Aufwandsentschädigung richten, nicht aber gegen die Erhebung des Sonderbeitrags als solche. Das gilt auch für den in der Literatur erhobenen Einwand, Mandatsträgerbeiträge bewirkten im Hinblick auf die Anknüpfung der staatlichen Teilfinanzierung von Parteien an die erhaltenen Mandatsträgerbeiträge (§ 18 Abs. 3 Nr. 3 PartG) und die Begünstigungen für Mandatsträgerbeiträge bei der Einkommensteuer (§ 10b Abs. 2, § 34g EStG) eine mittelbare staatliche Parteienfinanzierung (so z.B. von Arnim, DVBl 2002, 1065, 1071, 1073; Drysch, DStR 2008, 1217, 1219; Bonner Kommentar zum Grundgesetz/von Arnim/Drysch, Stand: Juli 2019, Art. 48 Rn. 340; Sachs/Ipsen/Koch, GG, 9. Aufl., Art. 21 Rn. 137; Dreier/Morlok, GG, 3. Aufl., Art. 21 Rn. 101). Danach wäre ggf. die gesetzliche Anknüpfung der Gewährung staatlicher Mittel oder der Steuerbegünstigungen an die von den Parteien erhobenen Sonderbeiträge unzulässig, nicht aber die Erhebung dieser Beiträge durch die Parteien.
Rz. 49
(d) Die Regelung in § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA über die Erhebung von Sonderbeiträgen von ehrenamtlichen kommunalen Amts- und Mandatsträgern ist mit dem aus Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG abgeleiteten innerparteilichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar.
Rz. 50
Die besondere Belastung parteiangehöriger Amts- oder Mandatsträger mit der Leistung von Sonderbeiträgen und ihre darin liegende Ungleichbehandlung mit "einfachen" Parteimitgliedern ist weder willkürlich noch sachfremd. Sie hat ihren sachlichen Grund in der Möglichkeit der Unterstützung des Amts- oder Mandatsträgers durch seine Partei (vgl. Breitling, Festschrift für Wildenmann, 1986, S. 292, 298; Ipsen/Jochum, Parteiengesetz, 2. Aufl., § 27 Rn. 5; Klatt, ZParl 1976, 61, 63; Olzog/Liese, Die politischen Parteien in Deutschland, 25. Aufl., S. 39; Seifert, Die politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 295; a.A. Wefelmeier, NdsVBl. 2003, 286, 291 f.: allenfalls in verhältnismäßig beschränktem Umfang zulässig). Diese Unterstützung kann, wie oben ausgeführt, nicht allein in einer konkreten personellen, sachlichen oder finanziellen Unterstützung eines potentiellen Amts- oder Mandatsträgers im Wahlkampf bestehen, sondern auch durch eine Unterstützung nach Erlangung des Amts oder Mandats, ohne unmittelbaren Zusammenhang mit einer konkreten Amts- oder Mandatsübernahme erfolgen oder auch bereits darin liegen, dass ein Kandidat als langjähriges Parteimitglied wahrgenommen wird oder Stammwähler der Partei angesprochen hat. Infolgedessen ist die Erhebung eines Sonderbeitrags, der in angemessener Höhe zu dieser möglichen Unterstützung durch die Partei bzw. Parteimitgliedschaft steht, auch ohne Anknüpfung an eine konkrete Unterstützungshandlung der Partei sachlich gerechtfertigt. Damit steht es der Partei im Rahmen ihrer satzungsautonomen Gestaltung der Erhebung von Sonderbeiträgen grundsätzlich frei, ob sie für die Erhebung von Sonderbeiträgen eine konkrete oder generelle Unterstützungshandlung/-haltung gegenüber dem einzelnen Mitglied voraussetzt.
Rz. 51
Dagegen macht die Revision ohne Erfolg geltend, die Partei könne damit willkürlich darüber entscheiden, ob sie ein Mitglied bei einer Kandidatur oder Amts-/Mandatsübernahme unterstütze, ohne dass ihre Entscheidung gegen eine solche Unterstützung und den damit verbundenen Aufwand für sie finanzielle Konsequenzen hätte. Einer Partei steht es grundsätzlich frei, ob sie ein Parteimitglied bei einer Kandidatur vorschlägt oder unterstützt; die Parteizugehörigkeit als solche begründet für sich genommen noch keinen entsprechenden Anspruch des Parteimitglieds. Umgekehrt ist auch ein Amts- oder Mandatsträger nicht gehindert, unmittelbar nach der Erlangung des Amts oder Mandats aus der Partei auszutreten und ihr damit die andernfalls geschuldeten Sonderbeiträge zu entziehen.
Rz. 52
(e) Schließlich ist auch die Höhe der in § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA festgesetzten Sonderbeiträge für ehrenamtliche kommunale Amts- und Mandatsträger unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Insbesondere überschreiten die festgesetzten Sätze nicht die Grenze dessen, was auch ohne Anknüpfung an eine konkrete Unterstützungshandlung noch als angemessene und damit sachlich gerechtfertigte Sonderbelastung für die aus der Parteimitgliedschaft vermittelten Vorteile angesehen werden kann.
Rz. 53
cc) § 6 Abs. 4 FBO CDU-LSA in der jeweils geltenden Fassung verstößt nicht gegen § 35 Abs. 3 KVG LSA.
Rz. 54
Mit dem in § 35 Abs. 3 KVG LSA enthaltenen Verbot der Übertragung und des Verzichts auf Entschädigung nach § 35 Abs. 1 und 2 KVG LSA soll verhindert werden, dass ein Kandidat einen besonderen Anreiz setzt, von der Kommune ein Ehrenamt zu erhalten. Zu diesem Zweck wird die Verpflichtung zur Zahlung von Auslagen, Verdienstausfall und Aufwandsentschädigung im Verhältnis der Kommune zum Empfänger der Entschädigung verbindlich festgelegt. Außerhalb dieses Verhältnisses entfaltet § 35 Abs. 3 KVG LSA aber keine Wirkung. Wie oben ausgeführt, gehen die öffentlichen Mittel mit der Erbringung der Leistung in die private Verfügungsgewalt des Empfängers über, der darüber frei disponieren kann. Der Empfänger der Entschädigung ist daher auch frei, die Mittel zu spenden oder sie unmittelbar abzuführen (Miller/Gundlach in Bücken-Thielmeyer u.a., KVG LSA, Stand: Mai 2021, § 35 S. 7; Reich in Schmid u.a., KVG LSA, 2. Aufl., § 35 Rn. 20). Ebenso kann er sich schuld- oder satzungsrechtlich verpflichten, eine ihm zustehende Aufwandsentschädigung nach dem Erhalt in bestimmter Weise zu verwenden. Eine solche Verpflichtung ist entgegen der Ansicht der Revision mangels Anspruchsübergangs nicht mit einer Generalabtretung zu vergleichen und mangels Einziehungsberechtigung auch keiner, nach § 1274 Abs. 2 BGB ebenfalls ausgeschlossenen, Pfändung gleichzusetzen.
Born |
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B. Grüneberg |
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V. Sander |
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von Selle |
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Adams |
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Fundstellen
Haufe-Index 15602897 |
NJW 2023, 992 |
NVwZ 2023, 9 |
JZ 2023, 67 |
GV/RP 2024, 1 |
KomVerw/LSA 2024, 81 |
NJW-Spezial 2023, 175 |
KomVerw/B 2024, 81 |
KomVerw/MV 2024, 81 |
KomVerw/S 2024, 81 |
KomVerw/T 2024, 81 |