Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitungsunternehmen
Leitsatz (amtlich)
Ein Zeitungsunternehmen, das lediglich einen Auftrag zur Veröffentlichung einer Werbeanzeige entgegennimmt und ausführt, ohne zugleich (als zusätzliche Geschäftsbesorgung) Dispositionen - etwa über Inhalt, Gestaltung, Zeitpunkt des Erscheinens - oder ähnliches - zu übernehmen, die normalerweise vom Anzeigenkunden vorgenommen werden, ist nicht Beauftragter des Anzeigenkunden i. S. § 13 IV.
Normenkette
UWG § 13 Abs. 4
Tatbestand
Der Kläger ist ein Verein, der satzungsgemäß die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder insbesondere durch Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs wahrnimmt.
Als Werbung für die Beklagte wurde in der "R. P. " vom 11. April 1987 eine Anzeige mit - u.a. - folgendem Inhalt veröffentlicht:
"Einladung zum Frühjahrsfest der schönen Freizeit !
Das sind Preise !
Reisemobile ab 32.990,- DM
Wohnwagen ab 10.150,- DM
Sonnenschein-Caravans
...".
Der Kläger hat diese Anzeige als Ankündigung einer unzulässigen Sonderveranstaltung beanstandet und die Beklagte auf Unterlassung weiterer entsprechender Werbung in Anspruch genommen.
Die Beklagte ist dem mit der Behauptung entgegengetreten, daß sie bei einem Anzeigenvertreter zwar eine Werbeanzeige in Auftrag gegeben habe, daß dieser aber unter irrtümlicher Verwendung einer bei ihm vorhandenen Druckvorlage den Anzeigentext ohne ihr, der Beklagten, Zutun mit dem allein zu beanstandenden Textteil "Einladung zum Frühjahrsfest der schönen Freizeit" versehen und an die Zeitung weitergeleitet habe.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte ihren Vortrag dahin erweitert, daß sie auf eine Frage des Anzeigenvertreters, ob die beanstandete Formulierung Verwendung finden solle, dies ausdrücklich verneint habe.
Die Berufung ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat in der den Anlaß des Streits bildenden Werbeanzeige einen Verstoß gegen § 7 UWG gesehen, weil durch die Wendung "Einladung zum Frühjahrsfest der schönen Freizeit" der Eindruck einer zeitlich begrenzten Verkaufsveranstaltung mit besonderen Kaufvorteilen vermittelt worden sei. Diese tatrichterliche Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen.
II.
Das Berufungsgericht hat unterstellt, daß die zu beanstandende Anzeige von einem Anzeigenvertreter aufgegeben worden sei, dem die Beklagte zwar einen Auftrag für eine Anzeige erteilt, jedoch ausdrücklich untersagt habe, in den Text die von ihm gesprächsweise vorgeschlagene Wendung "Einladung zum Frühjahrsfest der schönen Freizeit" aufzunehmen.
Das Berufungsgericht hat diese Untersagung als rechtlich unerheblich angesehen, weil der Anzeigenvertreter ihr zuwidergehandelt habe und die Beklagte sich dieses Verhalten nach § 13 Abs. 4 UWG zurechnen lassen müsse. Der Anzeigenvertreter sei - ungeachtet seiner Selbständigkeit - als Beauftragter der Beklagten im Sinne dieser Vorschrift anzusehen; aus dem Vorbringen der Beklagten ergebe sich nämlich, daß zwischen ihr und dem Anzeigenvertreter ein Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen worden sei, in dessen Rahmen der Vertreter nicht nur als schlichter Bote, sondern mit einem gewissen Gestaltungsspielraum zu ihren Gunsten ausgestattet tätig geworden sei. Dies folge daraus, daß er die Beklagte ausdrücklich auf die Aufnahme der Werbeaussage "Einladung zum , Frühjahrsfest der schönen Freizeit" angesprochen habe und daß die Beklagte ihn angewiesen habe, diese Wendung nicht in die Anzeige aufzunehmen; damit sei deutlich geworden, daß die Beklagte auf sein Handeln einen bestimmenden Einfluß nehmen konnte und auch die Macht hatte, ihren Willen durchzusetzen.
III.
Diese Beurteilung wird von der Revision mit Erfolg angegriffen.
1.
Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, der Anzeigenvertreter sei "Beauftragter" der Beklagten im Sinne des § 13 Abs. 4 UWG gewesen, allein aus dem von ihm angenommenen Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Anzeigenvertreter in der Form eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit eigenem Gestaltungsspielraum des Vertreters zugunsten der Beklagten hergeleitet. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und Unterstellungen eine tatsächliche Grundlage für die Annahme eines solchen Vertragsverhältnisses nicht erkennbar ist. Nach dem vom Berufungsgericht wiedergegebenen und - soweit bedeutsam - als richtig unterstellten Sachvortrag der Beklagten hat diese bei dem "Anzeigenvertreter" die Anzeige - zusammen mit solchen, die in anderen Zeitungen aufgegeben werden sollten - "bestellt". Dieser Vortrag spricht seinem Wortlaut nach nur für die Erteilung eines Anzeigenauftrags, den der Anzeigenvertreter vermutlich - Feststellungen hierzu fehlen - in seiner Eigenschaft als - mutmaßlich selbständiger - Handelsvertreter für die von ihm vertretenen Zeitungen entgegengenommen hat. Anhaltspunkte dafür, daß der Anzeigenvertreter in einem über die Entgegennahme der Aufträge an die Zeitungsunternehmen bzw. über den eventuellen Abschluß der Anzeigenverträge in deren Namen - hinausgehenden vertraglichen Rechtsverhältnis zur Beklagten gestanden haben könnte, sind dem Sachvortrag der Parteien - insbesondere dem des insoweit beweisbelasteten Klägers (vgl. BGH, Urt. v. 24.4.1963 - Ib ZR 109/61, GRUR 1963, 434, 436 = WRP 1963, 434 - Reiseverkäufer) - nicht zu entnehmen. Soweit das Berufungsgericht einen für ein solches Verhältnis sprechenden eigenen Gestaltungsspielraum des Anzeigenvertreters - allein - daraus geschlossen hat, daß dieser der Beklagten einen eigenen Formulierungsvorschlag unterbreiten konnte, hat es vernachlässigt, daß eine solche - zustimmungsbedürftige - Anregung einer bestimmten Fassung der Anzeige nicht als Indiz für das Recht zu eigenen - also nicht zustimmungsbedürftigen - Gestaltungen angesehen, sondern gleichermaßen auch der in den Zuständigkeitsbereich eines Handelsvertreters (der Zeitungsunternehmen) fallenden Beratungstätigkeit eines nur Aufträge entgegennehmenden Anzeigenvertreters zugeordnet werden kann. Die Begründung des Berufungsgerichts trägt daher seine Entscheidung nicht.
2. Das Berufungsurteil erweist sich auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch nicht aus anderen Gründen als rechtlich zutreffend.
a)
Zwar könnte eine Haftung der Beklagten auch in Betracht kommen, wenn das Zeitungsunternehmen, in dessen Blatt die Anzeige erschienen ist, seinerseits bei der Erledigung des Anzeigenauftrags als im Sinne des § 13 Abs. 4 UWG von der Beklagten "beauftragt" anzusehen wäre. Dies kann jedoch unter den vorliegend gegebenen Umständen nicht angenommen werden.
b)
Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß der Begriff des "Beauftragten" im Sinne des § 13 Abs. 4 UWG (früher § 13 Abs. 3 UWG a.F.) weit auszulegen ist (vgl. BGHZ 28, 1, 10 - Buchgemeinschaft II; st. Rspr.). Die Vorschrift soll verhindern, daß der Betriebsinhaber, dem die Wettbewerbshandlungen zugute kommen, sich bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht hinter von ihm abhängige Dritte verstecken kann (RGZ 151, 287, 292 Alpina; BGH, aaO - Buchgemeinschaft II; BGH, Urt. v. 5.10.1979 - I ZR 140/77, GRUR 1980, 116, 117 = WRP 1979, 857 Textildrucke). Der Bundesgerichtshof hat auch wiederholt entschieden, daß es auf die Rechtsform, in der ein solches Abhängigkeitsverhältnis begründet worden ist, nicht entscheidend ankommt, sofern der Dritte für das Unternehmen in einer Weise tätig wird, die diesem zugute kommt (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.1963 - Ib ZR 161/61, GRUR 1963, 438, 439 f = WRP 1963, 242 - Fotorabatt; BGH, Urt. v. 8.11.1963 Ib ZR 25/62, GRUR 1964, 263, 266 f = WRP 1964, 171 Unterkunde). Auch ein rechtlich selbständiges anderes Unternehmen kann als Beauftragter in Betracht kommen (vgl. BGH, Urt. v. 6.6.1958 - I ZR 33/57, GRUR 1959, 38, 44 Buchgemeinschaft II, insoweit nicht in BGHZ 28, 1, 10 f abgedr.; st. Rspr.; vgl. v. Gamm, UWG, 2. Aufl., § 13 Rdn. 23 m.w.N.). Die Rechtsprechung hat es jedoch stets als grundsätzlich erforderlich angesehen, daß einerseits der Beauftragte im Sinne des § 13 Abs. 4 UWG mit seinen in Frage stehenden Handlungen im Rahmen der vom Betriebsinhaber bzw. seinem Unternehmen ausgeübten gewerblichen Tätigkeit bleibt und daß andererseits der bestimmende Einfluß, den die Betriebsleitung auf die Handlungen des Dritten nehmen können muß, auf vertraglichen oder anderen Beziehungen beruht, die eine gewisse, wenngleich in weitem Sinne zu verstehende, Zugehörigkeit des Dritten zu dem betrieblichen Organismus begründet (vgl. schon RGZ 151, 278, 292 f, 295 - Alpina; BGH GRUR 1959, 38, 44 - Buchgemeinschaft II, insoweit nicht in BGHZ 28, 1, 10 f; BGH aaO - Fotorabatt; BGH aaO - Reiseverkäufer; BGH aaO - Unterkunde).
c)
Ob diese Voraussetzungen im Verhältnis eines Zeitungsunternehmens, das die Werbeanzeige eines anderen Unternehmens entgegennimmt und veröffentlicht, zum auftraggebenden Unternehmen erfüllt sind, ist umstritten (vgl. einerseits - bejahend - OLG München AfP 1980, 212; KG AfP 1980, 222; wohl auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 15. Aufl., § 13 Rdn. 67; andererseits - verneinend - OLG Stuttgart, WRP 1982, 432, 433; OLG Oldenburg WRP 1972, 153, 154 und GRUR 1985, 388 - Zeitungsversehen; OLG Frankfurt GRUR 1987, 732, 733 - Redaktionsausreißer m.w.N.). Die Frage ist für Fallgestaltungen, bei denen es - wie vorliegend bislang allein festgestellt - ausschließlich um einen konkreten Anzeigenauftrag geht, hinsichtlich beider genannter Voraussetzungen zu verneinen.
d)
Zur normalen Tätigkeit eines mit dem Vertrieb von Waren befaßten Unternehmens gehört zwar die Werbung für diese Waren, jedoch regelmäßig nicht in der Weise, daß das Unternehmen die einzelnen Maßnahmen, die für die Durchführung der Werbung erforderlich sind, selbst ausführt; es gibt solche Maßnahmen vielmehr - gleichgültig, ob es sich um Zeitungsanzeigen, den Druck von werbenden Prospekten oder von Briefbögen, die Herstellung von Reklametafeln o.ä. handelt - jedenfalls im Regelfall an Dritte weiter, die sie ihrerseits gegen Entgelt ausführen. Gehört somit zu den regelmäßigen Tätigkeiten eines Vertriebsunternehmens nur die Auftragsvergabe für Werbemaßnahmen, so kann zwar ein Dritter, der diese Form der betrieblichen Tätigkeit für das Unternehmen übernimmt, also etwa eine Werbeagentur (BGH, Urt. v. 22.9.1972 I ZR 19/72, GRUR 1973, 208, 209 = WRP 1973, 23 - Neues aus der Medizin) oder ein ständig mit Werbeaufgaben für das Unternehmen befaßter Handelsvertreter (vgl. BGH, Urt. v. 25.9.1970 - I ZR 47/69, GRUR 1971, 119, 120 = WRP 1971, 67 Branchenverzeichnis) oder ein zugleich für einen Großhändler werbender Einzelhändler (bei bestimmter Einschaltung in das Unterkundengeschäft des Ersteren, vgl. BGH aaO - Unterkunde) als Beauftragter im Sinne des § 13 Abs. 4 UWG in Betracht kommen, nicht jedoch ein Unternehmen, das nur solche ausführende Verrichtungen vornimmt, die - wie die Ausführung eines bestimmten Anzeigenauftrags - nicht in den betrieblichen Tätigkeitsbereich des Verkaufsunternehmens fallen.
Darüber hinaus fehlt es bei der Erteilung eines einzelnen Anzeigenauftrags an ein Presseunternehmen am erforderlichen Merkmal der - auch im weitesten Sinne verstandenen - Einbindung in den betrieblichen Organismus des Auftraggebers. Letzterer kann zwar bei der Erteilung des Auftrags bestimmenden Einfluß auf Inhalt und Gestaltung der Anzeige nehmen. An der erforderlichen bestimmenden Einflußnahme auf die Durchführung des Auftrags kraft eines die Zugehörigkeit des Presseunternehmens zu dem Unternehmen des Auftraggebers begründenden Vertrags (vgl. v. Gamm, UWG, 2. Aufl., § 13 Rdn. 23) fehlt es jedoch.
e)
Abgesehen von besonderen Fallgestaltungen, bei denen ein bestimmtes Presseunternehmen - ähnlich einer Werbeagentur im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses - ausnahmsweise auch Funktionen übernimmt, die dem werbenden Unternehmen im Regelfall selbst obliegen (etwa Entscheidung über Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Werbung, Verteilung auf verschiedene Medien des Unternehmens o.ä.), fehlt es somit bei Erteilung eines üblichen Anzeigenauftrags an den notwendigen Voraussetzungen für die Annahme einer Beauftragung im Sinne des § 13 Abs. 4 UWG.
Tatsachen, die die Annahme eines darüber hinausgehenden Sonderfalls rechtfertigen könnten - etwa die Wahrnehmung von einer Werbeagentur ähnlichen Aufgaben durch den Anzeigenvertreter für das Zeitungsunternehmen und die Erteilung eines entsprechenden über die Plazierung einer konkreten Anzeige hinausgehenden Auftrags - hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
f)
Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht als richtig unterstellten Sachvortrags der Beklagten kommt schließlich auch deren Haftung als Störerin nicht in Betracht. Denn wenn sie dem Anzeigenvertreter die Verwendung des beanstandeten Textes ausdrücklich untersagt und nicht in anderer Weise willentlich eine Ursache für diese Verwendung gesetzt hat, fehlt es an. der für die Annahme einer Störerhaftung notwendigen Voraussetzung einer kausalen Mitwirkung an der Herbeiführung der wettbewerbswidrigen Beeinträchtigung (vgl. BGH, Urt. v. 7.7.1988 - I ZR 36/87, GRUR 1988, 829, 830 = WRP 1988, 668 - Verkaufsfahrten II m.w.N.).
IV.
Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben. Zu einer Abweisung der Klage sieht sich der Senat nicht in der Lage, da sie allein auf der Grundlage eines Verhaltens des Anzeigenvertreters möglich wäre, für das die Beklagte in keiner Weise verantwortlich zu machen wäre. Ein solches Verhalten hat das Berufungsgericht bislang nur unterstellt, aber nicht festgestellt. Die Sache ist daher unter Aufhebung des Berufungsurteils zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Revisionskosten - an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1456594 |
BB 1990, 2358 |
NJW 1990, 3204 |
GRUR 1990, 1039 |
AfP 1990, 210 |