Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfe zum Mord
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. März 1999 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten N. im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts; sie erstrebt die Verurteilung der Angeklagten wegen mittäterschaftlicher Beteiligung an dem Mord, den der im selben Verfahren zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Mitangeklagte
M. begangen hat. Das Rechtsmittel wird vom Generalbundesanwalt vertreten; es hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat im wesentlichen folgenden Sachverhalt festgestellt:
Im Verlauf des 15. November 1997 beschloß M., die Angeklagte im Wohnhaus ihrer Familie aufzusuchen. Die Angeklagte lebte dort mit ihrem Ehemann R. N., dem späteren Tatopfer, und dem 20-jährigen Sohn P. zusammen. Welche Absicht M. mit seinem Besuch verfolgte, hat die Kammer nicht festzustellen vermocht; offen geblieben ist auch, ob der Besuch in voraufgegangenen Telefonaten zwischen ihm und der Angeklagten verabredet worden war.
Die Angeklagte war 1976 mit M. eine Beziehung eingegangen, die – wiewohl sexuelle Kontakte spätestens 1990 geendet hatten – mit Unterbrechungen bis zuletzt fortbestand. Obgleich ihr 1977 geborener Sohn P. aus einer anderen Verbindung stammte, hatte sie M. versichert, er sei der Vater. M. war stolz auf seinen vermeintlichen Sohn. Der Ehemann, inzwischen argwöhnisch geworden, hatte die Angeklagte zur Rede gestellt, die jedoch stets beteuerte, das Kind sei von ihm. Gleichwohl war es danach zu einer vorübergehenden Trennung der Eheleute gekommen. Nach einiger Zeit hatten sie sich aber wieder versöhnt. Ende 1977 war die Angeklagte mit P. zu ihrem Mann zurückgekehrt. Im Zusammenhang damit hatte ihr Mann M. zuhause aufgesucht und ihn mit vorgehaltener Pistole aufgefordert, die Angeklagte in Ruhe zu lassen. Auch war er zweimal zufällig M. begegnet; einmal hatte er ihn dabei mit dem Tode bedroht, falls er das Land nicht verlasse. M. hingegen suchte Kontakt zu seinem vermeintlichen Sohn und traf mit ihm 1997 drei Mal zusammen.
Als M. am Tatabend gegen 22.30 Uhr am Hause der Eheleute N. ankam, fand er die Eingangstüre verschlossen; er ging zur Terrasse und schaute ins Wohnzimmer, wo der Ehemann der Angeklagten auf einer Couch vor dem laufenden Fernseher schlief. Die Angeklagte bedeutete ihm von dort aus mit Gesten, über den Kellerabgang nach unten zu kommen. M. gelangte in den Keller und traf dort die Angeklagte. Hier faßte er unter nicht näher bekannten Umständen den Entschluß, den schlafenden Ehemann der Angeklagten zu töten. Ein konkretes Motiv hierfür hat die Kammer nicht feststellen können: für sie steht lediglich fest, daß dieser Entschluß etwas mit dem Sohn P. und dem Verhältnis zu tun hat, in dem die Angeklagten zueinander und zu den anderen Beteiligten standen. M. befahl der Angeklagten, ihm ein Messer und einen Mantel zu holen; auch sagte er, sie solle den Mund halten und nicht telefonieren. Die Angeklagte, die seine Absicht erkannt hatte, war ängstlich und zitterte, holte jedoch die verlangten Sachen und händigte sie M. aus. Dabei versuchte sie noch, ihn von der Tat abzuhalten; er meinte dazu jedoch, sie solle verschwinden, und gab ihr Ohrfeigen. Daraufhin ging sie ins erste Obergeschoß. M., der inzwischen den Mantel angezogen hatte, betrat nun das Wohnzimmer. Unmittelbar danach erwachte der Ehemann, der dort – mit Kopf und Oberkörper in Richtung Tür liegend – auf der Couch geschlafen hatte; er richtete sich halb auf, wandte sich um und fragte M., was er denn hier wolle. M. stach sofort auf ihn ein und tötete ihn mit zahlreichen Messerstichen. Die Angeklagte, inzwischen hinzugekommen, griff M. noch in den Arm, um ihn von weiteren Stichen abzuhalten, woraufhin dieser sie aber beiseite schob und weiter zustach.
Nach der Tat versuchten M. und die Angeklagte, ein von fremder Hand verübtes Verbrechen vorzutäuschen. Die Angeklagte fuhr dann im PKW ihres Sohnes mit M. davon, ließ ihn im Laufe der Fahrt aussteigen, parkte den Wagen an anderer Stelle, stieg in den Kofferraum und schloß ihn von innen, um sich später als angebliches Opfer eines von anderen Tätern verübten Verbrechens „befreien” zu lassen.
2. Die Strafkammer wertet den Beitrag der Angeklagten zu dem von M. verübten Heimtückemord als Beihilfe. Die Angeklagte habe während des gesamten Geschehens ausschließlich „auf Befehl” M. s und nicht aus eigenem Antrieb gehandelt. M. habe ihr gedroht und Ohrfeigen gegeben. Sie habe vor der Tat noch versucht, ihn an der Ausführung zu hindern, und ihm bei der Tat in den Arm gegriffen, um ihn von weiteren Stichen auf das schon tödlich verletzte Opfer abzuhalten. Diese Umstände begründeten Zweifel daran, ob sie die Tat als eigene gewollt habe. Nicht ausschließbar sei, daß sie sich dem Tötungswillen M. s untergeordnet habe. Hinweise auf ein wirtschaftliches Interesse am Tod ihres Ehemanns hätten sich nicht ergeben. Auch ihre schwierige persönliche Situation, gekennzeichnet durch das Problem der Vaterschaft ihres Sohnes und ihr langjähriges Verhältnis zu M., sei kein nachweislich bestimmendes Moment für ihren Entschluß gewesen, M. bei der Tatausführung zu unterstützen. Die verworrenen Verhältnisse hätten in dieser oder ähnlicher Weise bereits seit Jahren bestanden – ein konkreter Anlaß, sie gerade zur Tatzeit durch Tötung des Ehemanns aufzulösen, sei nicht ersichtlich. Hiernach gebe es auch unter dem Gesichtspunkt des Interesses am Taterfolg keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte dafür, daß die Angeklagte die Tötung ihres Mannes als eigene Tat gewollt habe.
3. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist die Wertung, die Angeklagte sei nur Gehilfin, nicht aber Mittäterin des von M. verübten Mordes, rechtsfehlerfrei. Die Strafkammer hat bei der Abgrenzung zwischen Beihilfe und Mittäterschaft den zutreffenden Maßstab zugrunde gelegt.
a) Rechtlich ist insbesondere nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer – obwohl die Tatumstände in mancher Hinsicht auf eine von beiden Angeklagten schon im Vorfeld gemeinsam geplante Tat hindeuten – festgestellt hat, M. habe sich erst am Tatort spontan zur Tötung des Opfers entschlossen; sie hat sich hierbei auf das von M. bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 14. Januar 1998 abgelegte Geständnis gestützt, in dem er dies so dargestellt hatte, und sie hat nachvollziehbar und rechtsfehlerfrei begründet, daß und warum sie dieses Geständnis – im Gegensatz zu späteren, die Angeklagte weniger belastenden Angaben – in vollem Umfang für glaubhaft hält.
b) Auf dieser Grundlage ist die Beweiswürdigung des Tatgerichts aber auch im übrigen frei von Rechtsfehlern. Die Rügen der Revision greifen nicht durch. Die Beschwerdeführerin beanstandet, die Strafkammer habe bei der Würdigung der subjektiven Tatseite wesentliche, zur Annahme einer Mittäterschaft zwingende Beweistatsachen außer acht gelassen oder widersprüchlich bewertet. Dem kann nicht gefolgt werden. Im einzelnen gilt:
(1) Es ist kein Widerspruch, daß die Strafkammer einerseits davon ausgeht, die Angeklagte habe niemals befürchtet, M. werde ihr etwas antun, andererseits aber feststellt, sie habe bei der Tat ausschließlich „auf Befehl” M. s gehandelt; der Beweggrund dafür, einem Befehl zu gehorchen, braucht nicht die Angst vor drohender Mißhandlung zu sein, sondern kann auch in der Befürchtung vielfältiger anderer Nachteile bestehen.
(2) Ebensowenig ist die Beweiswürdigung insofern widersprüchlich oder lückenhaft, als die Strafkammer angenommen hat, die Angeklagte habe bei „dem gesamten Tatgeschehen” unter dem von M. ausgehenden „Druck” gestanden. Daß sie M. freiwillig ins Haus gelassen hat, steht dem nicht entgegen, weil nach den getroffenen Feststellungen zu diesem Zeitpunkt noch kein Entschluß zur Tötung gefaßt war. Daß M. die Angeklagte erst bedroht und Gewalt gegen sie angewandt hat, nachdem diese schon ihren Tatbeitrag durch Übergabe von Messer und Mantel erbracht hatte, spricht ebensowenig gegen die Annahme, daß sie sich schon vorher – subjektiv – dem „Druck” M. s ausgesetzt sah, zumal festgestellt ist, daß dieser sie „in befehlendem Ton” zur Herbeiholung der genannten Gegenstände aufgefordert hat und sie selbst daraufhin „ängstlich war und zitterte”.
(3) Ein Widerspruch zeigt sich auch nicht in der Wertung des Umstands, daß die Angeklagte M. in den Arm griff, um ihn von weiteren Stichen auf den bereits tödlich Verletzten abzuhalten. Die Strafkammer hat einerseits festgestellt, daß dies Eingreifen nur dazu diente, eine weitere Verstümmelung des schon toten Opfers zu verhindern, andererseits diese Tatsache aber bei den Umständen aufgeführt, aus denen sie ableitet, daß die Angeklagte die Tat nicht als eigene gewollt habe. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Teilnehmer die Tat als eigene will oder nicht, dürfen im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände auch solche Verhaltensweisen gegenüber dem Opfer berücksichtigt werden, die sich auf die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs nicht ausgewirkt haben.
(4) Die Beschwerdeführerin sieht eine Beweiswürdigungslücke darin, daß trotz entsprechender Anzeichen nicht das Tatmotiv der Angeklagten, das ihr Eigeninteresse belege, festgestellt worden sei. Eine Lücke ist dies aber nicht. Die Strafkammer hat die betroffenen Umstände lediglich anders gewürdigt, als dies die Beschwerdeführerin tut. Damit ist kein Rechtsfehler dargetan. Das Revisionsgericht kann dem Tatrichter nicht vorschreiben, welche Schlußfolgerungen er aus festgestellten Umständen zu ziehen hat.
(5) Dies gilt auch für die Rüge, die Strafkammer habe das Nachtatverhalten der Angeklagten nicht unter dem Gesichtspunkt der Frage des Gehilfen- oder Mittätervorsatzes gewürdigt. Daß die Strafkammer dieses Verhalten bei Berücksichtigung der Gesamtumstände, die für und gegen eine Mittäterschaft der Angeklagten sprechen, übersehen haben könnte, ist auszuschließen. Richtig ist nur, daß die Strafkammer es in den Urteilsgründen nicht unter diesem Gesichtspunkt erörtert hat. Das drängte sich aber auch nicht auf. Das umsichtige Verhalten, das die Angeklagte zur Vertuschung ihrer Tatbeteiligung an den Tag gelegt hat, findet eine hinlängliche Erklärung auch dann, wenn es ihr nur darum zu tun war, ihren Tatbeitrag als Gehilfin zu verdecken.
Die Rügen der Beschwerdeführerin laufen letztlich insgesamt darauf hinaus, die tatrichterliche Beweiswürdigung durch ihre eigene zu ersetzen. Damit kann sie jedoch nicht gehört werden. Schließlich hat die Strafkammer auch keine überspannten Anforderungen an die für eine Verurteilung wegen Mittäterschaft erforderliche Gewißheit gestellt. Für eine derartige Besorgnis bieten die Urteilsgründe – auch unter Berücksichtigung bestimmter, von der Revision überbewerteter Formulierungen („gewisse Zweifel”, „sichere Überzeugung”) – keinen Anhalt.
Unterschriften
Niemöller, Detter, Bode, Otten, Ernemann
Fundstellen