Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 10 Abs. 3 WEG, § 15 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 242 BGB
Kommentar
1. Die Beseitigung einer von einem Wohnungseigentümer vorgenommenen baulichen Veränderung (Ausbau eines Trockenbodens zu Wohnzwecken, d.h. Einbau von Badezimmereinrichtungen, Bau einer Verbindungstreppe zur darunterliegenden Wohnung, Veränderung von Fenstern) kann von einem nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer nicht verlangt werden, wenn dessen Rechtsvorgänger der Veränderung formlos zugestimmt hatte.
Haben die Miteigentümer der Nutzung eines Raumes entgegen der Zweckbestimmung der Gemeinschaftsordnung formlos zugestimmt, so steht den Sondernachfolgern ebenfalls kein Anspruch auf Unterlassung der Nutzung zu, auch wenn dieser Anspruchsausschluss aus dem Wohnungsgrundhuch nicht ersichtlich ist.
Störbeseitigungs- bzw. Schadenersatzansprüche stehen bei nachteiliger baulicher Veränderung an sich auch jedem einzelnen Wohnungseigentümer zur alleinigen Geltendmachung zu, da dessen Rechte als Mitglied der Gemeinschaft betroffen sind, wenn das Gemeinschaftseigentum rechtswidrig beeinträchtigt wird (h.M., vgl. auch Beschluss des Senats vom 12. 3. 1991, OLGZ 91, 418).
2. Ein Mehrheitsbeschluss für die Vornahme baulicher Veränderungen ist allerdings weder erforderlich, noch für sich ausreichend, wie dies der BGH bereits ausdrücklich entschieden hat (NJW 79, 817); wesentlich ist allein, dass diejenigen Eigentümer einer baulichen Veränderung zugestimmt haben, die dadurch konkret beeinträchtigt würden; die Zustimmung der Betroffenen, d.h. benachteiligter Wohnungseigentümer, bedarf allerdings keiner Form; die Betroffenen brauche keinen förmlichen Beschluss zu fassen. Wird durch eine beabsichtigte bauliche Veränderung kein Wohnungseigentümer benachteiligt oder stimmen alle Benachteiligten zu, kann auch ein einzelner Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung vornehmen.
Im vorliegenden Fall erfolgten seinerzeit formlose Zustimmungen der Eigentümer zur damaligen baulichen Veränderungsmaßnahme. Ein Sondernachfolger im Eigentum ist an diese Zustimmungen gebunden. Dieser rechtlichen Beurteilung steht nicht entgegen, dass weder eine förmliche Vereinbarung der Wohnungseigentümer vorlag und gem. § 10 Abs. 2 WEG als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen war, noch darüber, eine förmliche Beschlussfassung in einer Versammlung oder schriftlich stattgefunden hat, sodass auch § 10 Abs. 3 WEG nicht unmittelbar zur Anwendung kommen konnte. Beschlüsse werden ohnehin auch ohne Eintragung in das Grundbuch gegenüber Sondernachfolgern wirksam. Dieser § 10 Abs. 3 WEG muss auch auf formlose Zustimmungen einzelner Eigentümer zu baulichen Veränderungen sinngemäß angewendet werden. Genügt also zu einer baulichen Veränderung formlose Zustimmung, kann die Fortdauer der Rechtmäßigkeit des neuen, möglicherweise mit erheblichem Kostenaufwand geschaffenen baulichen Zustandes im Verhältnis zum Sondernachfolger eines Berechtigten billigerweise nicht von einer zusätzlichen förmlichen Beschlussfassung abhängig gemacht werden. Von einem durch bauliche Veränderung geschaffenen Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums kann ein Rechtsnachfolger auch durch Besichtigung oder Befragung der übrigen Eigentümer Kenntnis nehmen; ein Erwerber ist nur mit dem gegenwärtigen Zustand des Gemeinschaftseigentums konfrontiert, weshalb aus seiner Sicht die nachträgliche bauliche Veränderung praktisch wie ein planmäßiger Ausbauzustand wirkt. Ein Erwerber ist regelmäßig auch nicht an der Wiederherstellung eines einst überholten Zustandes interessiert und übernimmt üblicherweise nach dem Erwerbsvertrag das Wohnungseigentum, wie es steht und liegt (vgl. auch BayObLG, NJW-RR 91, 1041). Ihm steht es frei, sich angesichts des gegebenen Ausbauzustandes für oder gegen den Kauf der Wohnung zu entscheiden.
Insoweit ist nicht einmal auf Verwirkungsgesichtspunkte abzustellen; diese Frage könne auf sich beruhen, da jedenfalls Anspruchsstellungen des Rechtsnachfolgers am Grundsatz von Treu und Glauben scheiterten, was dessen Begehren gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) verstoße und dies jedenfalls dann zum Ausschluss des Unterlassungsanspruchs führe, wenn die Rechtsverletzung - wie hier der Übergang zur Nutzung als Wohnung - auf einem bestimmten, abgeschlossenen Eingriff beruhe, den der Anspruchsinhaber bzw. sein Rechtsvorgänger ausdrücklich gebilligt und auf den sich der Anspruchsgegner eingerichtet habe. An diese Rechtslage sei der Rechtsnachfolger gebunden; er könne auch nicht mehr Rechte gegen die übrigen Wohnungseigentümer erworben haben, als sie seinem Rechtsvorgänger zustanden (vgl. auch BayObLG, WM 94, 222, 223; KG Berlin, WE 94, 51-53)!
3. Auch außergerichtliche Kostenerstattung in Dritter Instanz bei Gegenstandswert von DM 20.000,-.
Link zur Entscheidung
( OLG Hamm, Beschluss vom 09.01.1996, 15 W 340/95= ZMR 7/96, 390)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Interessant am Begründungsergebnis dieser Entscheidung ist der Hinweis auf die ...