Entscheidungsstichwort (Thema)

BWB Berlin. Missbrauchsaufsicht über Trinkwasserpreise

 

Tenor

1.) Der BWB wird aufgegeben, dass ihre durchschnittlichen Jahreserlöse aus der Belieferung von Endkunden mit Trinkwasser in Berlin pro in dem betreffenden Jahr abgenommenem Kubikmeter Trinkwasser netto (d. h. ohne Umsatzsteuer) und abgabenbereinigt (d. h. ohne Wasserentnahmeentgelt und Sondernutzungsgebühren bzw. Konzessionsabgaben) die folgenden Beträge nicht überschreiten dürfen:

  1. für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2012: …EUR pro Kubikmeter;
  2. für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2013: … EUR pro Kubikmeter;
  3. für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2014: … EUR pro Kubikmeter;
  4. für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2015: … EUR pro Kubikmeter.

Die angeordnete Begrenzung der durchschnittlichen Jahreserlöse pro von Endkunden abgenommenem Kubikmeter Trinkwasser ist mit der jeweiligen, den Endkunden für diesen Zeitraum erteilten Jahresendabrechnung spätestens zum 31.12. des nachfolgenden Jahres umzusetzen.

2.) Die Entscheidung ist sofort vollziehbar. Soweit die Verfügung auf § 103 GWB 1990 gestützt ist, wird die sofortige Vollziehung angeordnet. 3.) Der Widerruf der Verfügung bleibt vorbehalten. 4.) Eine Anordnung der Rückerstattung der von den Kunden der BWB in den Jahren 2009 bis 2011 überzahlten Entgelte bleibt vorbehalten. 5.) Die Gebühr für das Verfahren einschließlich der Entscheidung beträgt …,– EUR.

 

Tatbestand

A. Beteiligte

Rz. 1

Die Berliner Wasserbetriebe A.ö.R. ist eine Anstalt öffentlichen Rechts in der alleinigen Trägerschaft der Stadt bzw. des Landes Berlin. Die Aufgaben der BWB sind nach § 3 Abs. 5 Berliner Betriebe-Gesetz (BerlBG) die Wasserversorgung Berlins sowie die Ableitung und Reinigung der Abwässer. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind ausschließlich die im Rahmen der Wasserversorgung von BWB geforderten Entgelte.

Rz. 2

Im Jahr 1999 waren die kommunalen Wasserbetriebe Berlins teilprivatisiert worden. Eine (atypische) stille Beteiligung von 49,9 % an der heutigen BWB A.ö.R. ging für 3,3 Mrd. DM (1,69 Mrd. EUR)[1] letztlich an ein paritätisches Gemeinschaftsunternehmen (RWE/Veolia Berlinwasser Beteiligungs AG) von RWE und Veolia (RWE Aqua GmbH, Berlin, sowie Veolia Wasser GmbH, Berlin). Das Land Berlin erhielt den Aufsichtsratsvorsitz und eine Beteiligung von 50,1 % an der Berlinwasser Holding als Führungsgesellschaft der Berlinwasser Gruppe. RWE und Veolia übernahmen durch das Recht zur Bestellung des Vorstandsvorsitzenden der Berlinwasser-Gruppe die unternehmerische Führung.[2]

Rz. 3

In dem 1999 verabschiedeten Gesetz zur Teilprivatisierung war bereits geregelt worden, wie die Berliner Wassertarife zu kalkulieren sind. Weiterhin wurde vertraglich geregelt, dass bis zum Jahr 2003 die Gesamtpreise für Wasser- und Abwasser sich auf dem Niveau des Jahres 1996 bewegen mussten. Seit 2004 sind die Wasserpreise jedoch mehrfach deutlich erhöht worden. Sämtliche Klagen Berliner Bürger, die sich gegen die Höhe der Wasserpreise richteten, blieben erfolglos. Die Berliner Zivilgerichte entschieden jeweils, dass die Preisfestsetzung nicht unbillig im Sinne des § 315 BGB (einseitige Leistungsbestimmung) sei, denn die Preise seien gemäß den gesetzlichen Kalkulationsvorgaben des Landes Berlin berechnet worden. Zudem hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin mit Beschluss vom 14.07.2010[3] entschieden, dass die Kalkulationsvorgaben des Berliner Betriebe-Gesetzes auch mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Landes Berlin vereinbar sind.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Wasserpreise der BWB

1.) Die Höhe der Berliner Wasserpreise

Gemäß den branchenüblichen Gepflogenheiten setzen sich die Berliner Wasserpreise aus einem Grundpreis und einem Arbeits-/Mengenpreis zusammen. Da die Bedeutung des Grundpreises in Relation zum Arbeitspreis wegen des individuellen Verbrauchs bei jedem Kunden verschieden ist, können sich die pro Kubikmeter Wasser tatsächlich entrichteten Endpreise je nach Kunden stark unterscheiden. So gibt es bei BWB Kunden, die im Ergebnis nur wenig mehr als den Arbeitspreis von ca. 2,04 EUR/m³ zahlen. Vereinzelt gibt es aber auch Kunden, deren durchschnittlicher Kubikmeterpreis für Trinkwasser aufgrund eines hohen Grundpreises (bei großen Zählern) im Ergebnis mehr als 4 EUR beträgt.[4] Zur besseren Orientierung zeigt die nachfolgende Tabelle die Höhe des allgemeinen, tarifübergreifenden Durchschnittspreises[5] der BWB pro Kubikmeter[6] Trinkwasser in den letzten Jahren:

Tabelle 1: Durchschnittliche Endkundenpreise Trinkwasser BWB (Grund- und Arbeitspreis)

2007

2008

2009

2010

2011

Ø-Preis pro m³ (ohne USt)

2,15 EUR

2,15 EUR

2,19 EUR

2,24 EUR

2,26 EUR

2.) Die Tarifstruktur der Berliner Wasserpreise

Rz. 5

Der Grundpreis ist abhängig von der Größe des Wasserzählers, der auf dem Grundstück des Kunden eingebaut wurde.[7] Der verbrauchsabhängige Arbeitspreis hingegen ist nominal für alle Endkunden in Berlin einheitlich und lag im Jahr 2009 bei knapp 2,038 EUR pro Kubikmeter abgenommenen Trinkwassers. Seit dem 01.04.2010 liegt er bei 2,027 EU...

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