Entscheidungsstichwort (Thema)
Köthen Energie. Weiterverkaufsverbot für Mindestabnahmemengen
Tenor
1. Die von der Beteiligten mit Schreiben an die Beschlussabteilung vom 2. Juni 2010 (beim Bundeskartellamt vorab per E-Mail eingegangen am selben Tage) angebotenen Verpflichtungszusagen sind bindend, mit der Maßgabe, dass die Frist zur schriftlichen Benachrichtigung der betroffenen Kunden durch die Beteiligte gemäß Ziffer 1. der Verpflichtungszusagen auf den 30. September 2010 verlängert wird.
2. Das Verfahren gegen die Beteiligte wird nach Maßgabe des § 32 b Abs. 1 Satz 2 GWB eingestellt.
3. Die Gebühr für das Verfahren einschließlich der Entscheidung beträgt EUR […].
4. Der Widerruf dieser Verfügung bleibt vorbehalten.
Tatbestand
I.
Rz. 1.
Die Beteiligte ist in den Bereichen Erdgas- und Fernwärmevertrieb, Straßenbeleuchtung, Contracting und Energiedienstleistungen tätig. Die Beteiligte ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der MVV Energie AG mit Sitz in Mannheim. Die Umsatzerlöse der MVV Energie Gruppe beliefen sich im Geschäftsjahr 2008/2009 auf ca. 3,2 Mrd. EUR.
Rz. 2.
In bestimmten laufenden Gaslieferverträgen der Beteiligten mit Sonderkunden ist folgendes Weiterverkaufsverbot in Kombination mit einer Mindestabnahmeverpflichtung (Take-or-Pay-Klausel) vereinbart: „Das von den Stadtwerken bezogene Erdgas ist nur für die eigenen Zwecke des Kunden bestimmt. Die Weiterleitung an Dritte bedarf der vorherigen Zustimmung der Stadtwerke.”
Rz. 3.
Falls der Kunde seiner Mindestabnahmeverpflichtung nachkommen muss, obwohl sein Gasbedarf im Abrechnungsjahr geringer ist, kann demnach die Situation eintreten, dass die Beteiligte dem Kunden ihre Zustimmung zur Weiterveräußerung des von ihm nicht benötigten und bezahlten Erdgases (d.h. der Mindermenge) an Dritte verweigert. Das Erfordernis der Zustimmung des Gas- bzw. Stromversorgungsunternehmens zur Weiterleitung des Gases bzw. des Stromes an Dritte durch den Kunden war ursprünglich in § 22 Abs. 1 AVBGasV bzw. § 22 Abs. 1 AVBEltV vorgesehen und wurde auf dieser Grundlage vielfach in die AGB bzw. in die Lieferverträge der Energielieferanten aufgenommen. Allerdings wurden die AVBGasV und die AVBEltV bereits im Jahr 2006 mit der Verkündung der Gas-Grundversorgungsverordnung (GasGVV), der Gasnetzanschlussverordnung (GasNDAV), der Strom-Grundversorgungsverordnung (StromGVV) sowie der Stromnetzanschlussverordnung (StromNAV) aufgehoben. Diese Nachfolgeregelungen sind mit der AVBGasV bzw. mit der AVBEltV nicht inhaltsgleich und eröffnen Gas- und Stromlieferanten insbesondere nicht die Möglichkeit, die Erlaubnis zur Weiterleitung des Gases bzw. Stromes an Dritte durch den Abnehmer wegen entgegenstehender überwiegender versorgungswirtschaftlicher oder sonstiger Gründe zu verweigern.
Rz. 4.
Auf vergleichbare vertragliche Regelungen wurde die 10. Beschlussabteilung im Rahmen ihrer Sektoruntersuchung nach § 32 e GWB „Kapazitätssituation in den deutschen Gasfernleitungsnetzen” (Az. B10-7/09) aufmerksam, bei der die befragten Transportkunden (Gasvertriebsunternehmen) Kopien ihrer Gaslieferverträge vorlegten. Im Nachgang dazu hat die Beschlussabteilung ihre Untersuchung auf den Stromsektor und weitere große Strom- und Gasanbieter ausgedehnt, darunter die MVV Energie AG als Obergesellschaft der Beteiligten. Die MVV Energie AG hat die erbetenen Auskünfte für sich selbst sowie für die mit ihr nach § 36 Abs. 2 GWB verbundenen Unternehmen erteilt.
Rz. 5.
Vor diesem Hintergrund hat die 10. Beschlussabteilung am 18. Mai 2010 im Rahmen ihres Aufgreifermessens auf der Grundlage von § 1 GWB und Art. 101 AEUV (ehemals Art. 81 EG) ein Kartellverwaltungsverfahren gegen die Beteiligte wegen des Verdachts von Wettbewerbsbeschränkungen durch Weiterverkaufsverbote in Verbindung mit Take-or-Pay-Verpflichtungen in Gaslieferverträgen eingeleitet.
Rz. 6.
Die Beteiligte wurde mit Schreiben vom 18. Mai 2010 über die Verfahrenseinleitung informiert. Die Beteiligte legte dem Bundeskartellamt mit Schreiben/E-Mail vom 2. Juni 2010 die als Anlage beigefügten Verpflichtungszusagen gemäß § 32 b GWB vor. Demnach wird die Beteiligte in Bezug auf die betroffenen Gaslieferverträge mit Take-or-Pay-Verpflichtung die Mindestabnahmemenge von dem Weiterverkaufsverbot ausnehmen, entsprechend auf etwaige bestehende Rechte verzichten und die betroffenen Kunden bis spätestens zum 30. Juni 2010 darüber schriftlich informieren. Die Beteiligte verpflichtet sich außerdem, auch zukünftig keine Gaslieferverträge abzuschließen, die in Hinblick auf eine Mindestmenge ein Weiterverkaufsverbot enthalten. Die Beschlussabteilung teilte der Beteiligten mit Schreiben vom 4. Juni 2010 mit, dass die Zusagen verhältnismäßig und geeignet seien, die identifizierten Wettbewerbsprobleme auszuräumen.
Rz. 7.
Das Bundeskartellamt übermittelte der Beteiligten mit Schreiben vom 9. Juni 2010 einen Entwurf des Beschlusses und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme.
Rz. 8.
Das Bundeskartellamt übermittelte der Landeskartellbehörde Sachsen-Anhalt mit Schreiben vom 9. Juni 2010 g...