Entscheidungsstichwort (Thema)
Assa Abloy. SimonsVoss AG. Prüfung eines Zusammenschlussvorhabens nach § 36 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Tenor
I. Das mit Anwaltsschreiben vom 7. Mai 2008 angemeldete Zusammenschlussvorhaben des Erwerbs aller Anteile an der SimonsVoss AG, Unterföhring, durch die Assa Abloy AB, Stockholm, Schweden, wird untersagt.
II. Die Gebühr für diese Entscheidung ….
III. Gebührenschuldner ist gem. § 80 Abs. 6 Nr. 1 GWB die Beteiligte zu 1.
Tatbestand
A.
KURZZUSAMMENFASSUNG
Assa Abloy, Schweden, beabsichtigt, das deutsche Unternehmen SimonsVoss zu erwerben. Assa Abloy ist ein weltweit tätiges Unternehmen und bietet – soweit hier von Belang – an:
- • Produkte der mechanischen Schließtechnik (insb. herkömmliche mechanische Schließzylinder),
- • Produkte der mechatronischen Sicherheitstechnik (insb. mechatronische Schließzylinder, d. h. schlüsselbasierte Schließzylinder mit elektronischen Zusatzfunktionen),
- • Produkte der Zutrittskontrolle (komplexe Systemlösungen aus verschiedenen Einzelkomponenten, teilweise ergänzt um Zusatzfunktionen jenseits der reinen Zugangssicherung wie Zeiterfassung)
sowie sonstige Produkte der Identifikationstechnologie und der automatischen Türund Hotelsicherung. In Deutschland sind Produkte von Assa Abloy insbesondere unter den Markenbezeichnungen Ikon, effeff und Keso bekannt. SimonsVoss stellt elektronische Schließzylinder her (d.h. nicht-Schlüsselbasierte Schließzylinder mit elektronischen Zusatzfunktionen). Die Gesamtumsätze von Assa Abloy betragen weltweit ca. 3,5 Mrd. EUR, die von SimonsVoss 30 – 40 Mio. EUR.
Auf dem einheitlichen Markt für mechatronische und elektronische Zylinder haben die Zusammenschlussbeteiligten einen gemeinsamen Marktanteil von 65 – 70 % (Assa Abloy 25 – 30 % und SimonsVoss 40 – 45 %) mit einem Marktanteilsabstand zum nächstfolgenden Wettbewerber von mehr als 50 Prozentpunkten. Der Markt weist im Übrigen eine weitgehend zersplitterte Struktur auf und erfüllt die Untersagungsvoraussetzungen. Diese wären auch auf hypothetischen Einzelmärkten, bei Einbeziehung elektronischer Beschläge und bei Annahme europaweiter Märkte gegeben.
Durch den Zusammenschluss entstünde ein wettbewerblich nicht hinreichend kontrollierter Verhaltensspielraum der Zusammenschlussbeteiligten. Zwar ist in den nächsten Jahren von einem starken Wachstum des noch jungen Marktes für mechatronische und elektronische Zylinder auszugehen. Gleichwohl würden die Zusammenschlussbeteiligten nach dem Zusammenschluss auf dem Markt über eine nahezu unangreifbare Stellung verfügen: Der Zusammenschluss verbindet die Technologieführerschaft und Vorrangstellung von SimonsVoss im Bereich der elektronischen Zylinder mit der breiten installierten Basis von Assa Abloy im Bereich der mechanischen Schließanlagen, der Vorrangstellung von Assa Abloy im Bereich der mechatronischen Zylinder und den überragenden Ressourcen des in vielen Märkten Europas dominanten Unternehmens. Die Ressourcen der eher mittelständischen Wettbewerber werden in den nächsten Jahren bereits durch die fällige Weiterentwicklung der Technologie der elektronischen Schließzylinder stark beansprucht. Dabei müssen die entsprechenden F+E-Aufwendungen von diesen Wettbewerbern – ausweislich der Marktanteile – durch Absatz sehr viel geringerer Stückzahlen erwirtschaftet werden als bei den Zusammenschlussbeteiligten. Ressourcen für vor- oder nachstoßenden Wettbewerb, die dem Verhaltensspielraum der Zusammenschlussbeteiligten Grenzen setzen könnten, sind daher bei diesen Wettbewerbern auf absehbare Zeit nicht vorhanden.
Zudem würden die Zusammenschlussbeteiligten auch über die reine Finanzkraft hinaus durch ihren überlegenen Zugang zum Hauptabsatzkanal der Sicherheitsfachgeschäfte über ein übermächtiges Abschreckungspotenzial für wettbewerbliche Vorstöße verfügen: Aufgrund des wirtschaftlichen Gewichts gegenüber dem Handel kann Assa Abloy die markttypischen Rabattsysteme dahingehend einsetzen, dass für die Sicherheitsfachgeschäfte als Hauptvertriebskanal ein starker Anreiz besteht, vornehmlich Produkte der Zusammenschlussbeteiligten einzusetzen. Rabattsysteme sind im Markt von besonderer Bedeutung, da die Rabatte auf die Listenpreise (Umsatz, Sparten- und sogar Objektrabatte für einzelne Ausschreibungen) häufig bis zu 50 % betragen und die Sicherheitsfachgeschäfte sich nur dann mit Aussicht auf Erfolg an Ausschreibungen beteiligen können, wenn sie vom Hersteller ein hinreichend hohes Rabattniveau eingeräumt bekommen. Erfahrungen in anderen Staaten der EU belegen, dass Assa Abloy seine Marktmacht in diesem Sinne gegen die Wettbewerber einzusetzen versteht.
Der überlegene Zugang der Zusammenschlussbeteiligten zum Hauptvertriebskanal des Fachhandels wird auch nicht dadurch relativiert, dass für die Hersteller von mechatronischen und elektronischen Zylindern mit der Möglichkeit des Absatzes an Anbieter umfassender Gesamtsysteme der Zutrittskontrolle ein weiterer Vertriebskanal entstanden ist, für den die vorstehend bes...