Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtbefolgung der Auflage Nr. 7 aus der Entscheidung B 9 – 147/00 im Zusammenschlussverfahren Lufthansa/Eurowings vom 19. September 2001
Tenor
1. Der Beschluss des Bundeskartellamtes vom 14. März 2002 (B 9 – 62100 – Z – 131/01) wird aufgehoben.
2. Lufthansa wird gemäß §§ 6, 11 und 13 VwVG ein Zwangsgeld in Höhe von EUR xxx,– (in Worten: xxx Euro) für den Fall angedroht, dass nicht spätestens zum 21. August 2002 die Übertragung von jeweils drei derzeit von der Lufthansa am Flughafen Frankfurt/Main gehaltenen Start- und Landerechte (Slots) an die Germania Fluggesellschaft mbH (im folgenden: „Germania”) unter den in der Begründung dieses Beschlusses näher konkretisierten Vorgaben (Gebot der Redlichkeit) veranlasst wird.
3. Die Übertragung der Start- und Landerechte an die Germania ist erfolgt, wenn Lufthansa dies durch schriftliche Meldung gegenüber dem Flugplankoordinator der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Klaus Ulrich, Terminal 2, HBK Nr. 37, 60549 Frankfurt/Main, veranlasst hat.
Tatbestand
I.
Die Beschlussabteilung hat mit Entscheidung vom 19. September 2001 das Zusammenschlussvorhaben Lufthansa/Eurowings unter Auflagen freigegeben. Die Auflage Nr. 7 aus der fraglichen Zusammenschlussentscheidung lautet:
„Lufthansa und Eurowings wird auferlegt, auf allen Strecken im innerdeutschen Luftverkehr, auf denen ein Wettbewerber Linienflugdienste neu anbieten möchte, auf Anforderung insgesamt bis zu drei Start- und drei Landerechte (Slots) an den Flughäfen Düsseldorf, München oder Frankfurt/Main für die Verwendung im innerdeutschen Luftverkehr mit Beginn des Winterflugplans 2001/2002 aus ihrem Bestand bereitzustellen, wenn auf andere Weise keine Slots erhältlich sind. Diese Verpflichtung kann je nach Bedarf durch Überlassung aller abzugebenden Slots an einem oder durch Verteilung auf mehrere der vorgenannten Flughäfen erfüllt werden.”
Germania hat ab dem 12. November 2001 den Flugbetrieb zwischen Frankfurt und Berlin Tegel mit folgendem Flugplan aufgenommen:
Tabelle 1
Tage 1,2,3,4,5,6 |
FRA (dep.) 06.45 – 07.50 TXL (arr.) |
Tage 1,2,3,4,5 |
TXL (dep.) 08.30 – 09.40 FRA (arr.) |
Tage 1,2,3,4,5 |
FRA (dep.) 11.10 – 12.15 TXL (arr.) |
Tage 1,2,3,4,5 |
TXL (dep.) 12.45 – 13.55 FRA (arr.) |
Tage 1,2,3,4,5 |
FRA (dep.) 15.15 – 16.20 TXL (arr.) |
Tage 1,2,3,4,5,7 |
TXL (dep.) 17.00 – 18.10 FRA (arr.) |
Tage 1,2,3,4,5,7 |
FRA (dep.) 18.55 – 20.00 TXL (arr.) |
Tage 1,2,3,4,5,7 |
TXL (dep.) 20.40 – 21.55 FRA (arr.) |
Von den zugeteilten Slots waren zwei auf der Basis einer Vereinbarung der EU- Flughafenkoordinatoren befristet, die anderen zwar unbefristet, aber nicht „großvaterberechtigt” zugeteilt worden. Mit dieser Vereinbarung der Flughafenkoordinatoren wurde die sog. 80:20 Regel der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar 1993 außer Kraft gesetzt. Die Regel verlangt, dass ein Slot, der während einer Flugplanperiode nicht zu mindestens 80 Prozent genutzt wird, an den Koordinator zurückfällt.
Auf der Basis dieses im Winterflugplan 2001/2002 geflogenen Flugplans hat die Germania für den Sommerflugplan 2002 die gleichen Slots beantragt und folgende Start- und Landerechte durch den Flughafenkoordinator in Frankfurt/M. erhalten:
Tabelle 2
Tage 1 |
|
06.40 FRA (arr.) |
Tage 2,3,4,5 |
|
06.20 FRA (arr.) |
Tage 1,2,3,4,5 |
06.45 FRA (dep.) |
|
Tage 1,2,3,4,5,7 |
|
18.10 FRA (arr.) |
Tage 1,2,3,4,5,7 |
19.05 FRA (dep.) |
|
Tage 1,2,3,4,5,7 |
|
21.55 FRA (arr.) |
Unter Berufung auf die Auflage Nr. 7 der Entscheidung des Bundeskartellamtes im Zusammenschlussverfahren Lufthansa/Eurowings hat die Germania mit Schreiben vom 19. November 2001 an Lufthansa die Überlassung von sechs näher bestimmten Slots (drei Start- und drei Landerechte) am Flughafen Frankfurt/Main begehrt. Daraufhin hat Lufthansa mit Schreiben vom 26. November 2001 die Überlassung von sechs Slots wie folgt angeboten:
Tabelle 3
ARR/DEP |
Bedarf Germania |
Angebot Lufthansa |
Differenz |
Arrival (Tage 1-6) |
0755 |
0710 |
- 45 Min. |
Departure (Tage 1-6) |
0835 |
0750 |
- 45 Min. |
Arrival (Tage 1-5) |
1115 |
1030 |
- 45 Min. |
Arrival (Tage 1-5,7) |
1925 |
1840 |
- 45 Min. |
Departure (Tage 1-5,7) |
2010 |
1930 |
- 40 Min. |
(Angaben in local time)
nachrichtlich:
Departure (Tage 1-5) |
1805 |
1810 |
+ 5 Min. |
Die Zeitdifferenz zwischen den von Germania begehrten und von Lufthansa angebotenen Slots beträgt im Einzelfall bis zu 45 Minuten.
Die Beschlussabteilung hat mit Schreiben vom 11. Dezember 2001 an die Lufthansa zu den Modalitäten der Slotabgabe mitgeteilt, dass eine Abweichung in der genannten Höhe nicht mit der im Zusammenschlussverfahren auferlegten Slotabgabepflicht vereinbar sei. Insbesondere sei die Auflage Nr. 7 aus der oben genannten Zusammenschlussentscheidung als Instrument zur Verbesserung der Marktverhältnisse ergangen. Abweichungen von bis zu 45 Minuten seien mit dieser Zielsetzung nicht vereinbar, zumal für Lufthansa keine unzumutbare Härte darin bestehe, die begehrten Slots möglichst punktgenau zu überlassen. Lufthansa verfüge im übrigen über die begehrten Slots; sie würden lediglich aus Opportunitäts- bzw. Wettbewerbsüberlegungen verweigert....