Entscheidungsstichwort (Thema)
Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 GWB
Beteiligte
Deutsche Lufthansa AG, Köln |
Rechtsanwälte Wilmer, Cutler & Pickering, Quack |
Tenor
1. Der Deutschen Lufthansa AG, Köln (Lufthansa) wird gemäß § 32 GWB in Verbindung mit § 19 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 GWB untersagt, auf der Luftverkehrsstrecke Frankfurt-Berlin/Tegel (beide Richtungen) einen Flugpreis (einschließlich Passagiergebühren) für die einfache Strecke (one way) pro Passagier zu verlangen, der nicht mindestens 35 Euro über dem Flugpreis ihres Wettbewerbers Germania Fluggesellschaft mbH, Berlin (Germania) auf dieser Strecke (one way, einschließlich Passagiergebühren) liegt. Soweit Lufthansa und/oder Germania ein Ticket für Hin- und Rückflug (RT) anbieten, gilt der halbe RT-Preis als Preis für die einfache Strecke.
Falls Germania ihren Flugpreis über derzeit 99 EUR (one way, einschließlich Passagiergebühren) anhebt, muss Lufthansa dennoch keinen höheren Flugpreis als 134 EUR (one way, einschließlich Passagiergebühren) verlangen. Die Verpflichtung der Lufthansa, auf der bezeichneten Strecke höhere Flugpreise als Germania zu fordern, entfällt gänzlich, wenn und solange Germania einen Flugpreis (one way, einschließlich Passagiergebühren) von 134 EUR oder mehr verlangt.
2. Die Verpflichtung zu 1. gilt nicht für Flugpreise der Lufthansa, die mit den einschränkenden Konditionen einer fehlenden Umbuchungsmöglichkeit und/oder einer Mindestaufenthaltsdauer (mindestens 2 Tage oder Sunday rule) und/oder einer Beschränkung der Flüge auf das Wochenende verbunden sind.
3. Diese Verfügung gilt für die Dauer von 2 Jahren seit ihrem Erlass (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG).
4. Der Widerruf dieser Verfügung bleibt vorbehalten (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG).
5. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung gemäß § 65 Abs. 1 und 2 GWB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 Nr. 2 GWB wird angeordnet.
6. Die Gebühr für diese Entscheidung wird gesondert festgesetzt.
Gründe
A.
1. Nach einer Eingabe der Germania hat diese Fluggesellschaft am 12. November 2001 Linienflüge zwischen Frankfurt und Berlin-Tegel aufgenommen, die zunächst für 99,00 EUR, one-way, flexibles Economy-Ticket ohne wesentliche Restriktionen (einschließlich Passagiergebühren) angeboten wurden. Der Preis für Hin- und Rückflug sollte 198 EUR betragen. Auf dieses Angebot hatte Lufthansa mit der Einführung neuer Billig-Tarife, die ihre voll flexiblen RT-Tarife (Round Trip, Hin- und Rückflug) in der Economy-Klasse für Berlin – Frankfurt von bisher 485 EUR ergänzen, reagiert. Hierzu hat Lufthansa am 9. November 2001 die beiden one-way-Tarife Berlin – Frankfurt zu 88 EUR und Frankfurt – Berlin zu 66 EUR bei der Tarifgruppe Luftverkehr im Bundesamt für gewerblichen Güterverkehr, Köln (TGL) hinterlegt, was zuzüglich der Gebühren einem Preis von zusammen 200 EUR bzw. pro einfacher Strecke 100 EUR entsprach.
Am 1. Januar 2002 hat Lufthansa die Tarife zu durchschnittlich 100 EUR pro Strecke durch einen neuen Tarif (M-Fly-OW, d.h. Economy-Flug One Way) ersetzt. Danach kostet der Flug Berlin – Frankfurt derzeit 105,11 EUR (jeweils einschließlich Passagiergebühren) und der Flug Frankfurt – Berlin 105,31 EUR.
Ein Hin- und Rückflug mit Lufthansa zum Preis von 210,42 EUR ist derzeit nur bei getrennter Buchung von Hin- und Rückflug und nicht mit einem RT-Ticket erhältlich. Beide Tarife sind ohne die typischen Restriktionen buchbar, mit denen flexible Business- und Economy-Tarife von Spartarifen abgegrenzt werden, die speziell der Auslastungssteuerung dienen. Derartige Restriktionen sind:
- Vorausbuchungsfrist,
- Mindestaufenthalt (minimum stay) oder Wochenende (sunday rule) zwischen Hin- und Rückflug oder Beschränkung der Sparflüge auf Samstag/Sonntag
- keine Umbuchungsmöglichkeit (vgl. Bl. 321 d. A.).
Stattdessen hat Lufthansa diese Tarife nur so unwesentlich eingeschränkt, dass sie auch für Geschäftsreisende ohne weiteres in Frage kommen:
- Hin- und Rückflug sind nur getrennt buchbar,
- der Preis für nicht ausgeflogene Tickets wird nicht erstattet,
- Umbuchungen sind jeweils nur bis zum Abflug des gebuchten Fluges möglich,
- für eine Umbuchung wird eine Gebühr in Höhe von 22 EUR je Buchungsvorgang erhoben (Bl. 293 d.A.).
Diese Einschränkungen wurden von Lufthansa in Anlehnung an die Konditionen des Flugpreises von Germania vorgenommen. Germania verwendet die gleichen Restriktionen; zusätzlich ist bei ihr auch ein RT-Ticket (Hin- und Rückflug zusammen) buchbar. Weder die bei Lufthansa erforderliche Buchung zweier one-way-Flüge anstelle eines Hin- und Rückfluges noch die sonstigen aufgeführten Konditionen machen die Flüge beider Anbieter für Geschäftsreisende ungeeignet. Auch Germania wendet sich nach eigenen Angaben mit ihrem Produkt gezielt an Geschäftsreisende (Bl. 308 d. A.), die nahezu drei Viertel aller Flugreisenden auf dieser Strecke ausmachen. Dass der Preis für nicht ausgeflogene Tickets nicht erstattet wird, beeinträchtigt Geschäftsreisende in Anbetracht der Umbuchungsmöglichkeiten nur unwesentlich. Soweit Geschäftsr...