Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachprüfungsverfahren wegen der Vergabe von Bauleistungen

 

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht hat die Antragsgegnerin die Wertung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin. Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst.

3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.

 

Tatbestand

I.

Die Antragsgegnerin (Ag) führt gegenwärtig ein offenes Verfahren zur Vergabe des Auftrages „…” durch (Datum der Absendung der EU-Bekanntmachung: …).

1. Die Angebotsaufforderung sah vor, dass die geforderten Eignungs- und Produktnachweise auf Verlangen der Vergabestelle vorzulegen waren. Den Verdingungsunterlagen war ein Formblatt „D 8 Bieterangaben zur technischen Angebotsprüfung” beigefügt. Diesem war Folgendes zu entnehmen:

„Im Rahmen der Angebotsprüfung sind durch den Bieter auf Nachforderung folgende Angaben und Unterlagen zu den angebotenen Produkten und Materialien einzureichen.

Angaben zu den angebotenen Produkten und Materialien:

Die angebotenen Klinker für die Verblendschale sind nachfolgend einzutragen:

Angebotenes Fabrikat/Typ:

Weitere Unterlagen:

Prüfzeugnisse und Zulassungen.

Beim eventuellen Bietergespräch ist der angebotene Klinker im Original vorzulegen.”

Im Leistungsverzeichnis wurde unter Ziffer 3. das Verblendmauerwerk wie folgt beschrieben:

„3.1 Verblendschale

3.1.10 Verblendmauerwerk Schalenabstand 150 mm Außenwand KHLz SFK28 RDK1,8

Verblendmauerwerk DIN 1053-1 einschl. Dübel, (…) Mauerziegel DIN V 105-100 KHLz, Festigkeitsklasse 28, Rohdichteklasse 1,8 (…)

Um die Eigenschaften des Klinkers eindeutig zu beschreiben, wird auf ein Fabrikat Bezug genommen. Der Bieter ist angehalten ein gleichartiges Fabrikat anzubieten. Mit den günstigsten Bietern wird ein Aufklärungsgespräch geführt, zu diesem ist der angebotene Klinker im Original vorzulegen. die Eigenschaften, wie Dichte, Druckfestigkeit u.s.w. sind nachzuweisen.

Zum Einsatz kommt ein Kohlebrand, Wechselsortierung, ½ Fußsortiert, Farbe schwachrot-blau-bunt. Der einzusetzende Ton ist grob aufbereitet, was der Seelhorstsortierung (z.B. …) entspricht. für die Lochung ist der Randabstand umlaufend von mind. 2,8 cm einzuhalten, B-Lochung -22 % Lochanteil.

(…)”

In Ziffer 5.2 des Aufforderungsschreibens waren ferner Nebenangebote zugelassen. Diese mussten die im Formblatt „Mindestanforderungen an Nebenangebote EG 226 EG” genannten Mindestanforderungen erfüllen. In dem beigefügten Formblatt 226 EG hieß es:

„Mindestanforderungen an Nebenangebote

Für folgende Vertragsbedingungen und Teilleistungen (Positionen)/Fachlose (Gewerke)/Gesamtleistung sind Nebenangebote erfüllen:

Titel

Pos.

Anforderung LV

Nebenangebote müssen die folgenden Mindestanforderungen erfüllen:

3.1

Nichtrostender Stahl S235NR/ S235 JR

Tragfähigkeit/Korrosionsbeständigkeit

3.2

Nichtrostender Stahl S235NR/ S235 JR

Tragfähigkeit/Korrosionsbeständigkeit

4.1

30

Betonstahl BST 500 S

Tragfähigkeit

4.1

40

Betonstahl BST 500 S

Tragfähigkeit

a) Die Antragstellerin (ASt) gab fristgerecht ein Hauptangebot sowie zwei Nebenangebote ab. Beide Nebenangebote nahmen Bezug auf die Position 3.1.10. Mit dem Nebenangebot 1 bot die ASt gegen einen Aufpreis den Klinker an, der als Richtfabrikat benannt worden war. Mit dem Nebenangebot 2 bot die ASt gegen einen niedrigeren Aufpreis als beim Nebenangebot 1 „den Einsatz eines Klinkers, in Anlehnung an das ausgeschriebene Richtfabrikat” an.

In dem Vergabeverfahren wurden insgesamt vier Nebenangebote, alle bezogen auf den ausgeschriebenen Klinker, abgegeben.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2010 forderte die Ag die Bieter mit Fristsetzung zum 20. Juli 2010 zur Einreichung der noch nicht übergebenen Nachweise aus dem Angebotsaufforderungsschreiben auf. Die ASt forderte sie u.a. auf, die nach dem Formblatt D 8 „Bieterangaben zur technischen Angebotsprüfung” geforderten Angaben bezüglich ihres Hauptangebots vorzulegen.

Die ASt reichte zum 20. Juli 2010 das Formblatt D 8 ein. In diesem war das Fabrikat „…” eingetragen. In dem eingereichten Datenblatt des Herstellers zum Produkt war eine Rohdichteklasse von 1,6 eingetragen.

Mit E-Mail vom 28. Juli 2010 wurde die ASt zu einem Aufklärungsgespräch am 3. August 2010 eingeladen. Zu diesem Termin sollte sie eine Musterplatte des im Hauptangebot angebotenen Ziegels, technische Merkblätter und Prüfdokumente für die in Pos. 3.1.10 und 3.1.20 angebotenen Ziegel vorlegen.

Mit Schreiben vom 2. August 2010 legte die ASt für die Position 3.1.10 ein technisches Datenblatt für den Ziegel der Firma …” mit einer Rohdichteklasse von 1,6 vor. Aus dem beigefügten Prüfbericht der Baustoffprüfstelle Wismar GmbH ergab sich ebenfalls eine Rohdichte des Klinkers von 1,6. Auch für die Position 3.1.20 legte sie ein technisches Dat...

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