Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergabe einer Rabattvereinbarung i.S.v. § 130 a Abs. 8 SGB V über die vertriebenen Arzeimittel. der Vergabe einer Rabattvereinbarung im Sinne des § 130 a Abs. 8 SGB V über die … und …

 

Tenor

1. Die zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen am 28. April 2008 abgeschlossene Rabattvereinbarung i.S.d § 130a Abs. 8 SGB V über die von der Beigeladenen vertriebenen Arzneimittel … und … ist nichtig.

2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die Vergabe von Rabattvereinbarungen i.S.d. § 130 a Abs. 8 SGB V über erythropoese-stimulierende Proteine (ESP) als Gruppe unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen und hierbei die gesetzlichen Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge anzuwenden.

3. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) als Gesamtschuldnerinnen sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin je zur Hälfte.

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.

 

Tatbestand

I.

1. Sowohl die Antragstellerin (ASt) als auch die Beigeladene (Bg) vertreiben in Deutschland Arzneimittel, die zur Behandlung bei Blutarmut (Anämie) verwendet werden. Hierbei werden u.a. sog. erythropoese-stimulierende Proteine (ESPs) eingesetzt (auch „ESA” genannt: Erythropoietin Stimulating Agent), die Epoetin enthalten. Die ASt bietet diesbezüglich das patentgeschützte Arzneimittel … (mit dem Wirkstoff …), die Bg die Präparate … (ebenfalls patentgeschützt, Wirkstoff: …) und … (ohne Patentschutz, Wirkstoff: …) an. Neben diesen drei Präparaten sind sieben weitere in Deutschland zugelassen, die von weiteren Unternehmen angeboten werden; hierbei handelt es sich um keine Epoetin…, sondern um Epoetin …-Produkte.

Seit dem 14. Februar 2008 fand zwischen der Antragsgegnerin (Ag) und der Bg ein Schriftwechsel über den Abschluss einer Vereinbarung über die Gewährung eines Rabatts gemäß § 130a Abs. 8 SGB V für die von der Bg vertriebenen Arzneimittel … und … statt. In ihrem Vermerk vom 24. April 2008 kam die Ag zu dem Ergebnis, dass keine öffentliche Ausschreibung erforderlich sei, weil für das Mittel … ein Patentschutz bestehe und für das Arzneimittel … keine Alternative mit dem gleichen Wirkstoff existiere. Ferner führt die Ag hier aus, dass

„Angebote bzw. Interessenbekundungen anderer pharmaz. Unternehmen zu anderen Wirkstoffen aus der Klasse der ESA”

zum Zeitpunkt des Vertragsschluss nicht vorlägen. Am 28. April 2008 schlossen die Ag und die Bg daraufhin eine notarielle Rabattvereinbarung ab, die am 1. Mai 2008 in Kraft getreten ist (s. § 7 der Rabattvereinbarung zwischen der Ag und der Bg). Hierin sind Rückvergütungen der Bg an die Ag vereinbart, wenn die beiden o.g. Präparate zu Lasten der Ag an deren Versicherte ärztlich verordnet und abgegeben werden.

Am … teilte die Ag in einer Pressemitteilung mit, dass sie mit der Bg einen Rabattvertrag über … und … abgeschlossen habe. In einem Rundschreiben vom … hatte die Bg mehrere Ärzte gleichermaßen informiert, außerdem haben die Ag und die Bg diesbezüglich am … eine gemeinsame Presseerklärung veröffentlicht.

2. Mit Schreiben vom 11. Juli 2008 stellte die ASt über ihre Verfahrensbevollmächtigten einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Bundes. Die Vergabekammer hat den Antrag der Ag am 15. Juli 2008 zugestellt.

a) Die ASt meint, dass die verfahrensgegenständliche Rabattvereinbarung europaweit hätte ausgeschrieben werden müssen. An diesem Verfahren hätte sich auch die ASt mit einem Angebot beteiligen können.

aa) Zur Zulässigkeit ihres Nachprüfungsantrages trägt die ASt wie folgt vor:

  • Die Anwendbarkeit des Vergaberechts sei vorliegend nicht ausgeschlossen. Rabattvereinbarungen seien in den abschließenden Ausschlusstatbeständen der Richtlinie 2004/18/EG nicht genannt. § 69 SGB V sei dementsprechend einschränkend so auszulegen, dass er die Anwendung des Vergaberechts nach den §§ 97 ff. GWB nicht ausschließe.
  • Die angerufene Vergabekammer des Bundes sei sachlich und örtlich zuständig. §§ 97 ff., 104, 116 GWB seien leges speciales gegenüber § 51 Abs. 2 SGG, § 130a Abs. 9 SGB V.
  • Die Ag sei öffentlicher Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB, da die gesetzlichen Krankenkassen aufgrund eines staatlichen Hoheitsaktes, nämlich Bundesgesetze (§§ 5 Abs. 1, 220, 221, 266 SGB V, § 22 SGB IV), finanziert werden würden. Außerdem werde die Ag staatlich beaufsichtigt.
  • Darüber hinaus seien bei der verfahrensgegenständlichen Rabattvereinbarung die Voraussetzungen für einen „öffentlichen Auftrag” i.S.d. § 99 Abs. 1, 2 GWB entsprechend der vergaberechtlichen Rechtsprechung im Bereich der Generika erfüllt. Die ASt meint, Rabattverträge i.S.d. § 130a Abs. 8 SGB V stellten Rahmenvereinbarungen i.S.d. § 3a Nr. 4 VOL/A zur Beschaffung von Arzneimitteln für die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen dar. In einem solchen Vertrag würden nicht nur einseitig Rückvergütungspflichten (Ra...

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