Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachprüfungsverfahren wegen der Vergabe von Briefdienstleistungen
Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird bei fortbestehender Vergabeabsicht verpflichtet, das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in den Stand vor der Versendung der Vergabeunterlagen zurück zu versetzen und diese entsprechend der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu korrigieren. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin zu zwei Dritteln.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu einem Drittel.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Tatbestand
I.
1. Die Antragstellerin (ASt), ein Postdienstleistungsunternehmen, wendet sich mit ihrem Nachprüfungsantrag dagegen, dass Vorgaben in den Verdingungsunterlagen, insbesondere der darin vorgesehene Verzicht auf eine losweise Vergabe, es ihr unmöglich machen, ein Angebot abzugeben.
a) Die Antragsgegnerin (Ag) machte am … die beabsichtigte Vergabe des Auftrags „Briefdienstleistungen …” im Rahmen eines offenen Verfahrens gemeinschaftsweit bekannt. Danach sollen arbeitstäglich Briefsendungen aus der Liegenschaft … abgeholt und bundesweit zugestellt werden.
Nach eigenen Schätzungen der Ag umfasst der Dienstleistungsauftrag durchschnittlich rd. 450.000 Briefsendungen pro Tag und rd. 106 Mio. Briefsendungen p.a.. Hierbei handelt es sich um … versandt werden. Die Auflieferung des Postgutes in den Räumlichkeiten der Ag erfolgt in Standard-Postbehältern und manuell zu bewegenden Standard-Transportwagen, die vom Auftragnehmer zur Verfügung zu stellen sind. Wie sich aus der Leistungsbeschreibung (ebenda, Tz. 4.1) ergibt, erfolgt die Abholung per LKW mindestens vier Mal täglich, d.h. um 10:00 Uhr (60 Transportwagen), 14:00 Uhr, 17:00 Uhr und 18:00 Uhr (jeweils 20 Transportwagen), sowie nach Bedarf. Rd. 83 % der Standard- und Kompaktbriefe stellt die Ag dem Auftragnehmer in Leitregionenbehältern bereit, die nach den ersten beiden Ziffern einer Postleitzahl – in aufsteigender Reihenfolge – sortiert sind. Die Vorsortierung erfolgt vollautomatisch. Nicht vorsortiert werden Großbriefe, von denen nach Angaben der Ag täglich im Durchschnitt ca. 10.000 bis 15.000 anfallen. Darüber hinaus werden die Sendungen nach Portoklassen übergeben.
Auftragnehmer haben nach der Leistungsbeschreibung zu gewährleisten, dass 90 % der abgeholten Briefsendungen in „E+1”, d.h. an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag, zugestellt worden sind (vgl. ebenda, Tz. 3.2, 4.1 in Verbindung mit Tz. 5.2). Die Erfüllung der Quote ist in einem quartalsweise vorzulegenden Qualitätssicherungsbericht der Ag gegenüber zu dokumentieren. Sind Briefsendungen nicht zustellbar, hat der Auftragnehmer am Tag des ersten Zustellversuchs eine Empfängerrecherche zur Feststellung einer evtl. Nachsendeadresse vorzunehmen und – im Erfolgsfalle – einen weiteren Zustellversuch zu unternehmen. Nicht zustellbare Briefsendungen sollen spätestens bis 12:00 Uhr des nächsten auf die Recherche folgenden Werktages an die Ag zurückgegeben werden (Leistungsbeschreibung, Tz. 4.1).
In der Bekanntmachung (ebenda, Tz. III.2.3) sowie der Leistungsbeschreibung (ebenda, Tz. 7.1.2 – 7.1.4) ist vorgesehen, dass jeder Bieter drei „vergleichbare” Referenzen beibringen muss, die jeweils eine Laufzeit von mind. 12 Zeitmonaten haben müssen. „Vergleichbar” wird in der Leistungsbeschreibung definiert als
„bezogen auf den Leistungsgegenstand und das Sendungsvolumen. Bei den drei vorzulegenden Referenzen muss in der Summe ein Gesamtsendungsvolumen von mindestens 50 Mio. Sendungen pro Jahr erreicht werden, wobei keine der Referenzen weniger als 10 Mio. Sendungen pro Jahr umfassen darf. Die Referenzen müssen ebenfalls ein Zustellzeitziel von mindestens E+2 umfassen.”
Ausweislich des Fragen-/Antwortenkatalogs (Vergabeakte, zu C.) betrafen mehrere Bieteranfragen die Konsequenzen der möglichen Einschaltung der Deutsche Post AG (DP AG) als „Nachunternehmer”. Exemplarisch heisst es dort (Vergabeakte, Anlage E.1. – Fragenkatalog Nr.6 (Stand: 07.09.2010):
Nr. |
Bezug (z.B. „Teil B, Ziff. 3.2”) |
Fragetext |
Beantwortung |
1 |
Einschaltung der DPAG |
Wir stellen Briefsendungen mit eigenen Kräften bzw. mit Subunternehmen zu. Ergänzend sind wir – wie alle Wettbewerber der Deutsche Post AG (DP AG) – teilweise darauf angewiesen, Teile der ausgeschriebenen Beförderungsleistungen mittels der öffentlich angebotenen Dienstleistungen der DP AG zu erbringen. Die Inanspruchnahme der Dienstleistung der DP AG ist gemäß § 28 PostG gesetzlich vorgesehen. Dies betrifft nach Entscheidungen der Bundesnetzagentur (Az. BK5b00/076, Beschl. v. 15.09.2000) und des Bundeskartellamts (Beschl. v. 11.02.2005) Zustellleistungen in der Fläche. Die DPAG ist aufgrund ihre... |