Entscheidungsstichwort (Thema)
Tönnies Holding GmbH & Co. KG, Rheda-Wiedenbrück. Erwerb von 70% der Anteile an der Heinz Tummel GmbH & Co. KG, Schöppingen, der Schlachthof Heinz Tummel GmbH & Co. KG, Scöppingen, sowie deren Komplementärgesellschaften
Tenor
Das mit Schreiben vom 9. März 2011 angemeldete Zusammenschlussvorhaben, vervollständigt mit Schreiben vom 19. Juli 2011, wonach die Beteiligte zu 1) jeweils 70% der Anteile an den Beteiligten zu 2) bis 5) erwerben will, wird gemäß § 36 Abs. 1 GWB untersagt.
Die Gebühr für die Entscheidung wird unter Anrechnung der Gebühr für die Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens von EUR […] (in Worten: […]) auf insgesamt
festgesetzt und der Beteiligten zu 1. auferlegt.
Tatbestand
A.
Zusammenfassung
Rz. 1
Die Mehrheitsbeteiligung der Tönnies Holding GmbH & Co.KG, Rheda-Wiedenbrück, an den Muttergesellschaften des Schlachthofs Tummel, Schöppingen, lässt die Verstärkung bereits bestehender marktbeherrschender Stellungen auf den sachlichen Märkten für die Erfassung von lebenden Sauen zur Schlachtung und den Absatz von Sauenfleisch jeweils in Deutschland erwarten. Hingegen kommt es zwar auch im Hinblick auf die betroffenen Märkte für die Schweineschlachtung und -verarbeitung zu einer weiteren Konsolidierung auf einem hoch konzentrierten Markt. Die Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen konnte hier aber nicht festgestellt werden.
Rz. 2
Tönnies ist das bei weitem führende deutsche Sauenschlachtunternehmen. Als stark vertikal integriertes Unternehmen kauft es Schlachtsauen an, schlachtet die Tiere, zerlegt sie und vertreibt das daraus resultierte Sauenfleisch sowohl an die zur Mühlen-Gruppe als eigenen Wursthersteller als auch an dritte Wursthersteller.
Rz. 3
Im Rahmen der wettbewerblichen Beurteilung der Marktstellung von Tönnies vor und nach dem Zusammenschluss gehörte die sachliche und räumliche Reichweite der betroffenen Märkte zu den Prüfungsschwerpunkten.
Rz. 4
Auf allen Stufen der Wertschöpfungskette von der Erfassung der Lebenssauen über die Schlachtung und Zerlegung bis hin zum Absatz des zerlegten Fleischs gehören jeweils Schlachtschweine und Sauen unterschiedlichen sachlichen Märkten an. Im Hinblick auf die Beschaffung der Schlachttiere unterscheiden sich bereits die Erzeugungs- und Erfassungsstrukturen. Sauenanbieter sind auch nicht in der Lage, ihr Angebot ohne weiteres von Sauen auf Schweine umzustellen, da Sauen die Muttertiere der Schweine sind. Das Sauenangebot ist daher durch den Schweinemarkt weitgehend determiniert, die Haltung beider Tiere erfolgt komplementär und nicht substitutiv. Auch die Erfassungspreise von Schweinen und Sauen unterscheiden sich und die Preissetzung erfolgt auch nicht in einer gegenseitigen Reaktionsverbundenheit der Märkte. Die Beschlussabteilung hat hier unter anderem die Effekte bei relativen Mengen- oder Preisveränderungen untersucht. Auf Ebene der Schlachtung bestehen bei begrenzter technischer Umstellungsflexibilität nach den Ermittlungen der Beschlussabteilung jedenfalls keine wirtschaftlichen Anreize für den Einstieg in die Schlachtung von Sauen. Entsprechend hat es auch schon in der Vergangenheit keine nennenswerten Marktzutritte gegeben.
Rz. 5
Im Bereich des Absatzes unterscheiden sich Sauenfleisch und Schweinefleisch sowohl hinsichtlich der Fleischeigenschaften als auch hinsichtlich der Absatzkanäle. Sauenfleisch wird fast ausschließlich in der Wurstherstellung eingesetzt, wo es wegen seiner besonderen Eigenschaften für die überwiegende Mehrheit der Weiterverarbeiter nicht ersetzbar ist. Schweinefleisch dagegen wird auch in erheblichem Umfang als Frischfleisch an den Lebensmitteleinzelhandel verkauft und ist insgesamt wesentlich teurer als Sauenfleisch.
Rz. 6
Räumlich sind die Märkte für die Erfassung von Sauen zur Schlachtung und für den Absatz von Sauenfleisch jeweils deutschlandweit. Die für den räumlichen Markt der Erfassung zur Schlachtung prägenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen deutschen Sauenanbietern und Schlachtbetrieben spielen sich in einem Umkreis von ca. 200 km um den jeweiligen Sauenschlachthof ab. Zugunsten der Zusammenschlussbeteiligten ist dennoch das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den räumlichen Markt einbezogen worden. Bei der räumlichen Marktabgrenzung ist zudem zu berücksichtigen, dass Deutschland wegen der hier ansässigen bedeutenden Produktion von Wurstwaren ein sog. „Defizitland” ist, dessen einheimische Schlachtmengen nicht ausreichen, um die Nachfrage zu decken. Bereits jetzt werden in Deutschland ca. 63 % aller in der EU geschlachteten Sauen zerlegt und abgesetzt. Daraus ergibt sich eine starke Sogwirkung in Richtung Deutschland auf allen betroffenen Marktstufen und Marktteilnehmer im benachbarten Ausland. Insbesondere Betriebe in den Niederlanden, Belgien und Dänemark sind in erheblichem Umfang als Sauenlieferanten oder Lohnschlachter für deutsche Schlachtunternehmen, insbesondere Tönnies, tätig. Eine wechselseitige Marktdurchdringung findet nicht st...