Entscheidungsstichwort (Thema)

Prüfung eines gemäß § 39 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) angemeldeten Zusammenschlussvorhabens nach § 36 Abs. 1 GWB

 

Tenor

I. Das mit Schreiben vom 23. März 2006 angemeldete Zusammenschlussvorhaben des Erwerbs des Landhandelsgeschäfts an den Standorten Weißenfels und Aschersleben, beide Sachsen-Anhalt, von der Beteiligten zu 2. durch die Beteiligte zu 1. wird freigegeben.

II. Die Gebühr für diese Entscheidung wird unter Anrechnung der Gebühr für die Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens auf

[…] EUR

(in Worten: […] Euro)

festgesetzt.

 

Gründe

I. Zusammenschluss und Verfahren

1. Mit Schreiben vom 23. März 2006, vorab eingegangen per Telefax am selben Tag, hat der Verfahrensbevollmächtigte der AGRAVIS Raiffeisen AG, Münster und Hannover, (Agravis) das Vorhaben angemeldet, über die Konzerntochter BARO Lagerhaus GmbH & Co. KG (Baro), Bülstringen, das bislang zu der Norddeutschen Saat- und Pflanzgut AG (NSP), Neubrandenburg, einer Tochtergesellschaft der Hauptgenossenschaft Kiel, gehörende Landhandelsgeschäft an den Standorten Aschersleben und Weißenfels in Sachsen-Anhalt zu übernehmen. Beide Standorte sind auf der Einzelhandelsstufe des Landhandels in den Bereichen Getreide- und Ölsaatenerfassung sowie den Agrarbetriebsmitteln Pflanzenschutz, Dünger und Saatgut tätig. Der Schwerpunkt der Tätigkeit beider Standorte liegt jedoch in der Saatgutvermehrung und dem – vertrieb.

2. Mit Schreiben vom 20. April 2006 wurde den beteiligten Unternehmen gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB mitgeteilt, dass die Beschlussabteilung in das Hauptprüfverfahren eingetreten ist.

II. Die beteiligten Unternehmen

3. Die Agravis ist nach dem Zusammenschluss der Raiffeisen Central-Genossenschaft Nordwest e.G. (Münster) und der Raiffeisen Hauptgenossenschaft Nord AG (Hannover)[1]neben der bayrischen BayWa AG das zweitgrößte Landhandelsunternehmen in Deutschland. Die wichtigsten Geschäftsbereiche sind die Erfassung und der Handel mit Feldfrüchten, insbesondere Getreide und Ölsaaten, sowie der Handel mit Futter- und Pflanzenschutzmitteln und Saatgut im Agrargeschäft und mit Agrartechnik, Energie, Mineralöl, sowie Kraft- und Baustoffen mit Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sowie den angrenzenden Neuen Bundesländern Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Der Konzernumsatz lag im Jahr 2005 bei 3,680 Mrd. EUR weltweit, von denen 3,649 Mrd. EUR in der Europäischen Union und davon 3,459 Mrd. EUR in Deutschland erzielt wurden.

4. Die NSP ist ein Unternehmen mit den Schwerpunkten Produktion, Vermarktung, Lagerung sowie Groß- und Einzelhandel von Saat- und Pflanzgut und anderen Agrarprodukten einschließlich Dienstleistungen. Von den insgesamt im Geschäftsjahr 2005 erwirtschafteten Umsatzerlösen in Höhe von [100] Mio. EUR, die ausschließlich in Europäischen Union erzielt wurden, entfielen […] Mio. EUR auf das Inland. Der Zusammenschluss betrifft den Erwerb der NSP-Betriebsstätten in Weißenfels und Aschersleben, beide in Sachsen-Anhalt, die im Jahr 2005 in den Bereichen Landhandel mit Getreide und Ölsaaten sowie Agrarbetriebsmitteln, dort mit deutlichem Schwerpunkt in der Saatgutvermehrung von Triticale, Weizen und Gerste und im Absatz von Saatgut an landwirtschaftliche Betriebe, einen ausschließlich im Inland erzielten Umsatz von 23 Mio. EUR erlösten.

5. Zeitgleich mit der Veräußerung der Agrarhandelsstandorte in Sachsen-Anhalt trennt sich die NSP auch von dem in Sachsen belegenen Standort Mochau, der das klassische Landhandelsgeschäft mit der – schwerpunktmäßigen – Erfassung von Getreide und Ölsaaten sowie dem Verkauf von Betriebsmitteln an landwirtschaftliche Betriebe betreibt. Der Standort soll an die BayWa AG, München, veräußert werden. Im Ergebnis zieht sich damit die Raiffeisen-Hauptgenossenschaft Kiel aus dem Landhandelsgeschäft in Sachsen-Anhalt, Teilen Brandenburgs und Sachsens zurück und konzentriert ihre Tätigkeit auf ihr in Nord- und Nordostdeutschland belegenes Kerngebiet.

III. Förmliche Prüfung

1. Anwendungsbereich des GWB

6. Die nach § 35 Abs. 3 GWB in Verbindung mit der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in ihrer jeweils geltenden Fassung (FKVO) ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union ist nicht begründet, weil das Zusammenschlussvorhaben aufgrund der geringen Umsätze des veräußerten Vermögensteils keine gemeinschaftsweite Bedeutung im Sinne des Art. 1 FKVO hat.

2. Anwendung der Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle

7. Bei den beteiligten Unternehmen handelt es sich um Handelsunternehmen, bei denen nach § 38 Abs. 2 GWB nur drei Viertel der Umsatzerlöse in Ansatz zu bringen sind. Auch unter Zugrundelegung dieser Berechnungsmethode zur Ermittlung der Umsatzschwellen des § 35 Abs. 1 GWB erzielten die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr bereits aufgrund der Umsätze der Agravis weltweite Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio. EUR (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 GWB) und Umsätze von mehr als 25 Mio. EUR im Inla...

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