Entscheidungsstichwort (Thema)
Magna Car Top Systems GmbH. Karmann GmbH i. I.. Prüfung nach § 35 ff. GWB
Tenor
1. Das mit Schreiben vom 29. Januar 2010 angemeldete Zusammenschlussvorhaben wird untersagt.
2. Die Gebühr für diese Entscheidung wird unter Anrechnung der gesondert festzusetzenden Gebühr von […] Euro für die Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens auf
[…] Euro |
(in Worten […] Euro) |
festgesetzt und den Beteiligten zu 1. und zu 2. als Gesamtschuldnern auferlegt.
Tatbestand
Zusammenfassung
Der vorliegende Zusammenschluss lässt die Entstehung eines kollektiv marktbeherrschenden Duopols auf dem Europäischen Markt für die Entwicklung und Produktion von Cabrio-Dachsystemen erwarten. Auf dem Markt existierten 2009 noch die vier Anbieter Webasto, Edscha, Magna und Karmann. In diesem Oligopol herrschte Binnenwettbewerb. Ende Dezember 2009 hat die Beschlussabteilung den Zusammenschluss von Webasto und Edscha (heute: Webasto-Edscha Cabrio, i.F. „WEC”) freigegeben. Dadurch besteht seit kurzem ein Triopol bestehend aus einem fusionsbedingt großen Anbieter und zwei weiteren, ähnlich starken Anbietern. Die beiden letztgenannten meldeten den zu prüfenden Zusammenschluss an.
Der Markt ist bereits heute hochkonzentriert, der Herfindahl-Hirschman-Index (HHI) erreicht knapp 3.900 Punkte, durch den Zusammenschluss würde er auf über 4.800 ansteigen. Die Marktanteilsschwellen übersteigen vor und nach dem Zusammenschluss die Vermutungsschwellen des § 19 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GWB für kollektive Marktbeherrschung. Die Marktstrukturbedingungen begünstigen überwiegend kollusives Verhalten der Marktteilnehmer. Spürbarer Außenwettbewerb, potenzieller Wettbewerb und Substitutionswettbewerb sind weder festzustellen noch zu erwarten.
Durch den Zusammenschluss entstünde ein symmetrisches Duopol. Der Markt wäre zudem erstmals für alle ähnlich auskömmlich. Es bestünde wenig Anreiz, von dieser komfortablen Ausgangslage durch wettbewerbliches Verhalten abzugehen, zumal sich mit der Verengung auf zwei Anbieter auch die Möglichkeiten der Marktgegenseite reduzieren, kollusives Parallelverhalten der Anbieter wirksam zu erschweren. Auch bestünden zahlreiche Einigungspunkte für eine wirksame explizite oder implizite Kollusion. Abweichungen im Sinne wettbewerblicher Vorstöße sind angesichts der hohen Transparenz im Markt leicht identifizierbar. Zudem wären sie nach dem Zusammenschluss außergewöhnlich zielgerichtet durch den jeweils anderen Anbieter sanktionierbar.
Der Zusammenschluss ist zudem kausal für die eintretende wettbewerbliche Verschlechterung; eine so genannte „failing company defence” können die Beteiligten nicht geltend machen. Insbesondere würden die unstrittig wertvollen Assets von Karmann ohne den Zusammenschluss nicht nur Magna zufallen. Vielmehr bestehen zahlreiche Alternativszenarien. Zu ihnen zählen ein Aufkauf der gesamten Dachsystemsparte durch einen der alternativen Interessenten, Teilverkäufe einzelner Standorte oder von Know How an Automobilhersteller, an Karosseriebauer oder an Investoren. Der Zusammenschluss lässt zudem auf anderen Märkten keine strukturellen Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen erwarten, welche die Nachteile der kollektiven Marktbeherrschung auf dem betroffenen Markt für Cabrio-Dachsysteme überwögen.
A. Sachverhalt
1 VORHABEN UND VERFAHRENSGANG
Mit Schreiben vom 29.1.2010 meldete die Beteiligte zu 1 (im Folgenden auch: „Magna”) im Einvernehmen mit der Beteiligten zu 2 (im Folgenden auch: „Karmann” oder „Insolvenzverwalter”) folgendes Zusammenschlussvorhaben an: Magna beabsichtigt, im Wege des Vermögenserwerbs in Deutschland über eine noch zu bestimmende 100%ige Tochtergesellschaft, in Polen über die neu gegründete 100%ige Tochtergesellschaft Magna Car Top Systems Poland Sp. z o.o., Tychy, Polen, den Geschäftsbereich Dachsysteme Europa von Karmann zu erwerben. Karmann schloss sich der Anmeldung mit Schreiben vom 5.2.2010 an.
Die Aktivitäten der Karmann Dachsysteme Europa bestehen aus
- • einem Teilbereich des Standorts Osnabrück sowie
- • dem Produktionsstandort der Karmann Ghia Zary s. Z.o.o, Ul Wapienna, 38-200 Zary, Polen.
Am 25.2.2010 teilte die Beschlussabteilung den Beteiligten nach § 40 Abs. 1 GWB mit, dass sie das Hauptprüfverfahren eingeleitet hat.
Mit Beschluss vom 3.3.2010 wurde die Renault SAS auf ihren Antrag vom 10.2.2010 nach Anhörung der Beteiligten als Kundin der Anmelder zu dem Verfahren beigeladen. Entsprochen wurde dem Antrag der Beigeladenen vom gleichen Tag auf Einsicht in die Verfahrensakte, welche am 25.3.2010 erfolgte.
Mit Beschluss vom 30.3.2010 wurde Value Enhancement Partners (im Folgenden: VEP) auf ihren Antrag vom 2.3.2010 nach Anhörung der Beteiligten als Wettbewerber der Anmelder zu dem Verfahren beigeladen. Das Unternehmen ist zusammen mit dem spanischen Automobilzulieferer CIE Gesellschafter des paritätischen Gemeinschaftsunternehmens RS Automotive, einem Hersteller von Autodächern, welches ein Angebot zur Übernahme der Cabrio-Dachsystemsparte von Karmann abgegeben hat.
Als ständi...