Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergabe „Abschluss von Arzneimittel-Rahmenrabattverträgen gem. § 130a Abs. 8 SGB V für wirkstoffbezogene Fachlose”
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, im streitgegenständlichen Vergabeverfahren im Fachlos Nr. 1 (Wirkstoff …) einen Zuschlag zu erteilen. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bei Fortbestehen der Vergabeabsicht das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer spätestens ab der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu wiederholen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war erforderlich.
Tatbestand
A.
Mit EU-Bekanntmachung … vom … hat die Antragsgegnerin (Ag) die Vergabe des Abschlusses von Arzneimittel-Rahmenrabattverträgen gem. § 130a Abs. 8 SGB V für sechs wirkstoffbezogene Fachlose europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die Antragstellerin (ASt) wendet sich gegen die Ausschreibungsbedingungen, die ihr die Abgabe eines Angebots für das Fachlos Nr. 1 (Wirkstoff …) unmöglich machten.
In der Bekanntmachung war unter Punkt II.1.4) vorgesehen, dass die Ag plant, die auf zwei Jahre Vertragslaufzeit angelegte Rahmenvereinbarung mit jeweils drei Rahmenvertragspartnern abzuschließen.
Die Präambel des Rahmenrabattvertrags wurde im Rahmen des Bieterrundschreibens vom 5. Mai 2011 um den folgenden Satz 3 ergänzt:
„Hinsichtlich der Einzelbedingungen für die Abgabe der vertragsgegenständlichen Arzneimittel in den beabsichtigten Mehr-Partner-Rabattvereinbarungen gelten die gesetzlichen Regelungen des § 129 SGB V einschließlich des Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V.”
Weder die Bekanntmachung, noch die Verdingungsunterlagen oder der Rabattvertrag enthalten über diese Formulierung hinaus weitere Regelungen über die Verteilung der sich aus dem Rahmenvertrag ergebenden Einzelaufträge unter den drei Rahmenvertragspartnern.
Die Vergabekammern des Bundes hatten 2009 in mehreren Beschlüssen entschieden, dass die mangelnde Aufstellung von Kriterien für die Vergabe der Einzelaufträge in einem Mehr-Partner-Modell gegen § 3a Nr. 4 Abs. 6 lit. a) VOL/A 2006, der Art. 32 Abs. 4 UAbs. 2, 1. Spg. RL 2004/18/EG in nationales Recht umsetzt, verstößt (vgl. z.B. 2. Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 19. Mai 2009, VK 2 – 15/09, Beschluss vom 22. Mai 2009, VK 2 – 27/09, Beschlüsse vom 26. Mai 2009, VK 2 – 30/09 und – 33/09 unter ausdrücklicher Aufgabe der gegenteiligen Spruchpraxis, Beschlüsse vom 15. November 2007 – VK 2 – 102/07, – 105/07, – 108/07, – 114/07, – 117/07, – 120/07, – 123/07; 1. Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 3. Juli 2009, VK 1 – 107/09; 3. Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 3. August 2009, VK 3 – 145/09). Die 3. Vergabekammer des Bundes sah darüber hinaus in jenen Fällen auch einen Verstoß gegen das Verbot der Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A 2006 (3. Vergabekammer des Bundes, ebda.)
Das LSG Nordrhein-Westfalen hatte die Entscheidung der 2. Vergabekammer des Bundes vom 19. Mai 2009 (VK 2 – 15/09) aufgehoben, da nach Ansicht des Senats das Mehr-Partner-Modell weder gegen § 3a Nr. 4 Abs. 6 VOL/A 2006 verstoße, noch die vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und Nichtdiskriminierung verletze (Beschluss vom 3. September 2009, L 21 KR 51/09 SFB). Das LSG stützte dabei seine Überlegungen im Wesentlichen darauf, dass mit § 129 Abs. 2 SGB V und dem auf ihm beruhenden Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung (hier insbesondere § 4) ein ausreichendes Instrumentarium zur Regelung der Abgabe rabattierter Arzneimittel bestehe. Die danach maßgebliche „freie Wahl des Apothekers” bei der Abgabe der Arzneimittel dürfe nicht als Willkür verstanden werden. Vielmehr sei der Apotheker an die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Grundsätze gebunden (z.B. § 70 SGB V), so dass der Apotheker seine Auswahlentscheidung pflichtgemäß und an seiner Fachkunde orientiert ausüben müsse und werde. Der Apotheker könne auch nicht durch anderweitige Regelungen zur Verteilung der einzelnen Arzneimittelabgaben verpflichtet werden. Dies würde den Versorgungsanspruch des Versicherten modifizieren und somit ohne entsprechende neue gesetzliche Grundlage gegen § 69 Abs. 2 Satz 3 SGB V verstoßen. Das Vergaberecht dürfe jedoch nicht die gesetzlich eingeräumten Versorgungsansprüche der Versicherten oder ebenfalls gesetzlich garantierte Rechte der Leistungserbringer tangieren.
§ 4 Abs. 2 des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V in der Fassung vom 17. Januar 2008 lautet:
„Die Apotheke hat vorrangig ein wirkstoffgleiches Fertigarzneimittel abzugeben, für das ein Rabattvertrag nach § 130a Abs. 8 SGB V besteht (rabattbegünstigtes Arzneimittel), wenn über die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen hinaus
- die Angaben zu dem rabattbegünstigten Arzneimittel nach Absatz 5 vollständig und bis zum vereinbarte...