Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergabe der „Durchführung einer nationalen Service- und Freundlichkeitskampagne des Reiselands Deutschland”

 

Tenor

Das Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 S. 1 GWB wird in Bezug auf das vorliegende Nachprüfungsverfahren aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

1. Der Antragsgegner (Ag) führt derzeit europaweit ein beschleunigtes nichtoffenes Verfahren nach der VOL/A durch. Gegenstand des ausgeschriebenen Auftrags ist gemäß Ziff. II.1.6 der Bekanntmachung die „Durchführung einer nationalen Service- und Freundlichkeitskampagne, um Deutschland auf die weltweit exponierte Gastgeberrolle … vorzubereiten. Mit nationalen Binnenkampagnen soll das Leistungsspektrum der Vertreter der sog. Servicekette im Tourismus in den Kategorien Gastfreundschaft, Weltoffenheit, Serviceorientierung, Organisationskompetenz, Effizienz und Herzlichkeit optimiert werden”. Die Aufgaben der zu beauftragenden Agentur bestehen in 1. der Entwicklung eines KeyVisual, d.h. einer Wortbildmarke, 2. der Entwicklung eines Kommunikationskonzepts, 3. der Entwicklung eines sog. Multiplikatorenkonzepts zur Einbindung aller Partner der touristischen Leistungskette sowie 4. der Erstellung eines PR-Konzepts (Leistungsbeschreibung, S. 3; vgl. auch Ziff. II.2.1 der Bekanntmachung). Die sog. „interne Zielgruppe” ist die deutsche Bevölkerung als Gastgeber der … sowie die deutsche „Medienlandschaft” zur Kommunikation der Kampagne (Leistungsbeschreibung, S. 2).

Als Zuschlagskriterien waren in der Bekanntmachung unter Ziff. IV.2) ohne Reihenfolge ihrer Priorität vorgesehen

  1. „Konzeption und Kreativität
  2. Erfahrung bei der Umsetzung von deutschsprachigen Großprojekten
  3. Erfahrung bei der Integration von tourismusrelevanten Partnern in Großprojekte
  4. Erfahrung mit der Durchführung von Multiplikatorenkampagnen in Deutschland
  5. Preis”

(vgl. auch Leistungsbeschreibung, S. 3).

U.a. die Antragstellerin (ASt) und die Beigeladene gaben Angebote ab. Auf einen Nachprüfungsantrag der ASt und eines weiteren Bieters hin hat die Vergabekammer am 19. Juli 2005 u.a. entschieden, dass der Ag die Wertung der Angebote der ASt und der Beigeladenen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer wiederholen müsse (VK 3 58/05). Die Angebotswertung des Ag war im Wesentlichen einmal deshalb fehlerhaft, weil er die endgültige Vergabeentscheidung nicht selbst getroffen, sondern einer extern besetzten Jury übertragen hatte, ohne sich deren Entscheidung zu eigen zu machen. Des Weiteren hatte der Ag nicht alle bekannt gemachten Zuschlagskriterien bei der Wertung angewandt. Im Einzelnen hat die Vergabekammer deshalb dem Ag aufgegeben, bei einer etwaigen Neuwertung sämtliche bekannt gemachten Zuschlagskriterien, insbesondere auch die drei sog. „Erfahrungskriterien” anzuwenden, „beispielhafte Maßnahmekosten” nicht als Zuschlagskriterium zu berücksichtigen, die fünf Zuschlagskriterien gleichrangig zu gewichten und den Angebotspreis keiner subjektiven Bepunktung zu unterziehen, sondern als absolute Größe und im Verhältnis zu der Bewertung der inhaltlichen/fachlichen Leistung in die Wertung einfließen zu lassen. In einigen Punkten gab die Vergabekammer dem ASt nicht recht, insbesondere was die Einbindung zweier nach Auffassung der ASt befangener Personen in die o.g. Jury anbelangt. Gegen diesen Beschluss hat die Beigeladene am 2. August 2005 beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf sofortige Beschwerde eingelegt.

2. Ende August 2005 führte der Ag eine Neubewertung der acht eingereichten Angebote durch. Die Wertung erfolgte durch fünf Beschäftigte des Ag auf der Grundlage der zum 9. Mai 2005 eingereichten schriftlichen Angebote. Das Kriterium „Konzeption und Kreativität/ Konzeptionelle Kreativität” wurde für jedes Angebot anhand der Matrix vom 12. Mai 2005 bewertet, die Unterkriterien enthält, die von der Vergabekammer im Beschluss VK 3 – 58/05 nicht beanstandet wurden. Die sog. drei „Erfahrungskriterien” („Erfahrung bei der Umsetzung von deutschsprachigen Großprojekten”, „Erfahrung bei der Integration von tourismusrelevanten Partnern in Großprojekte” und „Erfahrung mit der Durchführung von Multiplikatorenkampagnen in Deutschland”) wurden ausweislich des für jedes Angebot angelegten Bewertungsvermerks danach beurteilt, ob die erforderlichen auftragsbezogenen Mindestvoraussetzungen durch die Angabe mindestens eines einschlägigen Referenzprojektes mit vergleichbarer Komplexität erfüllt waren. Der Angebotspreis wurde entsprechend seines prozentualen Anteils am Gesamtetat des Ag von max. … EUR bewertet, um den relativen Preisabstand der einzelnen Angebote zu berücksichtigen. Für die Feststellung der jeweils insgesamt erzielten Punkte wurden die für die einzelnen Kriterien erreichten Punkte eines Angebots zunächst jeweils mit 20% gewichtet und anschließend addiert. Obwohl der Ag die Auffassung vertrat, dass das Angebot der ASt wegen fehlender wesentlicher Preisangaben, die nicht Gegenstand des Vorverfahrens VK 3 – 58/05 gewesen waren, zwingend auszuschließen sei, wurde das Angebot hilfsweise ge...

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