Entscheidungsstichwort (Thema)
Kreisstadt Mettmann. Missbrauchsaufsicht über die Vergabe von Wegenutzungsrechten nach § 46 EnWG
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Beteiligte missbräuchlich handelt, indem sie die Wegerechte an den öffentlichen Verkehrswegen für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur Versorgung von Letztverbrauchern mit Strom und Gas im Stadtgebiet Mettmann ohne Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens an die Stadtwerke Mettmann GmbH & Co. KG vergibt und interessierte Dritte auf eine Beteiligung an dieser im Rahmen einer strategischen Partnerschaft verweist.
2. Es wird festgestellt, dass die Beteiligte missbräuchlich handelt, indem sie in dem im EU-Amtsblatt 2011/S 92-151286 vom 13.05.2011 bekanntgemachten Verhandlungsverfahren hinsichtlich der Auswahl des Beteiligungspartners die Kriterien der überarbeiteten Bewertungsmatrix nach Anlage A. 1. 1. der Vergabeunterlage (Stand: 31.07.2012) verwendet, soweit diese der Bewertung der Angebote
- unter 1.7 Aspekte des Strom- und Gasvertriebs,
- unter 1.8 und 1.9 Aspekte der Straßenbeleuchtung,
- unter 2.3 perspektivisch Aspekte der Energieerzeugung und -anwendung, der örtlichen Telekommunikation und der Abwasserentsorgung
zugrundelegt.
3. Der Beteiligten wird untersagt, das im EU-Amtsblatt 2011/S 92-151286 vom 13.05.2011 bekanntgemachte Vergabeverfahren fortzuführen und unter Verwendung der unter 2. genannten Bewertungsmatrix einen Zuschlag zu erteilen.
4. Die Gebühr für diese Entscheidung wird auf […] festgesetzt.
Tatbestand
A. Sachverhalt und Verfahrensablauf
I. Kurzzusammenfassung
Rz. 1.
In Anbetracht des zeitgleichen Auslaufens der Wegenutzungsverträge für Strom- und Gasleitungen im Stadtgebiet der Beteiligten zum 30.06.2011 traf die Beteiligte die Entscheidung, unter den alternativen Gestaltungsmöglichkeiten der zukünftigen Energieversorgung das Modell eines eigenen Stadtwerkeunternehmens unter Beteiligung eines privaten strategischen Partners anzustreben. Mit Bekanntmachung im EU-Amtsblatt vom 13.05.2011 (2011/S 92-151286) leitete die Beteiligte eine europaweite Ausschreibung zur Gründung eines eigenen Stadtwerke-Unternehmens unter Beteiligung eines strategischen Partners, der 49,9 % an der zukünftigen Stadtwerke Mettmann GmbH & Co. KG sowie an der Komplementär GmbH übernehmen soll, ein. Die Stadtwerke Mettmann GmbH & Co. KG soll neben dem Netzbetrieb auch Strom- und Gasvertriebsaufgaben übernehmen. Perspektivisch sollen Abwasserentsorgung, Telekommunikation und Betrieb der Bäder zu den Aufgaben des Stadtwerke-Unternehmens hinzukommen können. Die Beteiligte beabsichtigt, die Wegenutzungsrechte an das zu gründende Stadtwerke-Unternehmen zu vergeben. Die Vergabe der Wegenutzungsrechte soll nach dem Willen der Beteiligten im Sinne einer einheitlichen Auswahlentscheidung nur implizit Teil der europaweiten Ausschreibung zur Gründung der Stadtwerke Mettmann GmbH & Co. KG sein. Interessierte Netzbetreiber können die Wegenutzungsrechte der Beteiligten also nicht unmittelbar erwerben, sondern werden auf eine 49,9 %-ige Beteiligung an dem Stadtwerke-Unternehmen verwiesen, das die Wegenutzungsrechte erhalten soll.
Rz. 2.
Auf der einen Seite können damit die interessierten Netzbetreiber nur in den Genuss der Wegenutzungsrechte kommen, wenn sie zusätzliche Aufgaben (Vertrieb, Straßenbeleuchtung, perspektivisch Abwasser, Telekommunikation und Bäderbetrieb) in Kauf nehmen. Interessenten, die sich nur für die reinen Wegenutzungsrechte und den Netzbetrieb bewerben wollen und keine weiteren Aufgaben übernehmen wollen, haben keine Möglichkeit, die Wegenutzungsrechte mittelbar oder unmittelbar zu erwerben. Sie sind daher vom Wettbewerb um die Wegenutzungsrechte und vom nachgelagerten Markt für den Netzbetrieb ausgeschlossen. Auf der anderen Seite hat die Beteiligte durch die Vorgehensweise sichergestellt, dass sie selbst und die von ihr beherrschte Stadtwerke Mettmann GmbH & Co. KG den Nutzen aus den Wegenutzungsrechten und dem Netzbetrieb ziehen können, ohne dass sie sich durch Teilnahme an dem nach § 46 EnWG vorgeschriebenen Wettbewerb um die Wegenutzungsrechte gegenüber anderen Bewerbern auf der Grundlage sachlicher Auswahlkriterien bewähren mussten.
II. Sachverhalt
Rz. 3.
Die Beteiligte ist eine in Nordrhein-Westfalen gelegene Kreisstadt mit ca. 39.000 Einwohnern. Sie ist Inhaberin der Wegerechte an den öffentlichen Verkehrswegen im Stadtgebiet und räumt diese gegen Entgelt für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Stadtgebiet gehören, ein.
Rz. 4.
Die zuletzt von der Beteiligten geschlossenen Verträge über die Wegenutzungsrechte für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen des Strom- und Gasversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung im Stadtgebiet (sog. Wegenutzungsverträge) liefen zum 30.06.2011 aus.
Rz. 5.
Im Rat der Beteiligten wurde ein parlamentarischer Arbeitskreis „Künftige Energieversorgung” konstituiert. Diese Arbeitsgruppe ist mit Ratsmitgliedern...