Leitsatz

1.Auch wenn der VN eine Schadensanzeige schon vor dem Ausfüllen durch einen Dritten unterschreibt, handelt es sich um eine Erklärung des VN und nicht des Dritten.

2.Sind die Angaben in einer solchen Erklärung falsch, ist der Versicherer leistungsfrei, wenn der VN nicht beweisen kann, dass ihn kein Verschulden trifft.

3.Dieser Beweis ist nicht erbracht, wenn offen bleibt, ob der Dritte falsch informiert wurde oder ob er eine richtige Information falsch verstanden hat.

 

Normenkette

§ 6 VVG§ 7 AKB

 

Sachverhalt

Der Kl. nahm die Bekl. auf Entschädigung wegen Diebstahls eines Pkw in Anspruch. Das Fahrzeug wurde bei einem Aufenthalt in P. (Tschechische Republik) gestohlen. Zum Zeitpunkt des Diebstahls hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von mindestens 260.000 km.

In P. hatte sich der Kl. aus geschäftlichen Gründen aufgehalten. Sein Geschäftspartner, der Zeuge E., hielt sich damals ebenfalls in P. auf und war deshalb über den Diebstahl informiert. Der Zeuge E. kehrte anschließend an den Firmensitz zurück, während der Kl. zu seinem damaligen Wohnort L. nahe der österreichischen Grenze weiterreiste. Möglicherweise aus diesem Grund übernahm es der Zeuge E., die Schadensmeldung an die Bekl. zu veranlassen und den weiteren Schriftwechsel zu vermitteln.

Die Schadensanzeige mit einem weiteren Fragebogen übersandte er per Telefax dem Kl. an seinen Wohnort. Dieser unterzeichnete beide Formulare und faxte sie an P. zurück, der sie zum Teil aus eigener Kenntnis, zum Teil nach Telefongesprächen mit dem Kl. ausfüllte und dann an die Bekl. weiterleitete. Beide Formulare enthielten Fragen nach der Kilometerleistung. Der Zeuge E. setzte als Antwort jeweils "ca. 160.000 km" ein und ergänzte im Zusatzfragebogen, dass dies der Gesamtlaufleistung entspreche.

Im Zuge der Schadenbearbeitung erfuhr die Bekl., dass das Fahrzeug bereits ein halbes Jahr vor dem Diebstahl eine Laufleistung von mindestens rund 265.000 km aufwies. Sie lehnte wegen einer vorsätzlichen Aufklärungsobliegenheitsverletzung des Kl. die Regulierung ab.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG entschied, dass die Bekl. wegen einer Aufklärungsobliegenheitsverletzung gem. §§ 7 I Abs. 2 AKB, § 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei sei. Danach sei der VN verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestands und zur Minderung des Schadens dienlich sein könne. Das schließe mit ein, dass der VN dem Versicherer über die Tatsachen, die für die Bearbeitung des Schadenfalls von Bedeutung seien, Auskunft erteile, namentlich auch in dazu vorgesehenen Formularen wie Schadensanzeigen und Fragebögen.

Bei der Schadensanzeige und dem Ergänzungsbogen, die der Kl. unterschrieben habe, handele es sich um eine Erklärung des Kl. und nicht um eine des Zeugen E. Das sei anerkannt für den Fall, dass eine von einem Dritten ausgefüllte Erklärung vom VN unterschrieben wird. Wenn der VN das Formular erst unterschreibe und es dann nach seinen Informationen ausfüllen lasse, gelte nichts anderes. Auch dann bediene er sich des Dritten als einer Schreibhilfe. Der Zeitpunkt seiner Unterschrift ändere daran nichts. Aus der Sicht des Erklärungsempfängers, des Versicherers, handele es sich in beiden Fällen um eine Erklärung des Unterschreibenden.

Diese Erklärung des Kl. sei unstreitig objektiv unrichtig gewesen. Die Laufleistung des versicherten Autos habe nicht ca. 160.000 km betragen, sondern mindestens 260.000 km. Dass die wirkliche Laufleistung von der Angabe des Kl. ("ca. 160.000 km") nicht umfasst war, sei entgegen der Ansicht des Kl. eindeutig und bedürfe keiner weiteren Begründung.

Bei objektiv falschen Angaben müsse sich der VN - soweit es sich nicht um Fragen seiner Kenntnis handele, die hier unstreitig seien - vom gesetzlich vermuteten Vorsatz entlasten (§ 6 Abs. 3 S. 1 VVG). Diesen Beweis habe der Kl. nicht geführt. Es bleibe unklar, ob der Zeuge E. von dem Kl. falsch informiert worden sei oder aber eine richtige Information falsch verstanden habe. Es könne nur festgestellt werden, dass der Zeuge gemeint habe, nach den Informationen des Kl. zu handeln, und nicht von ihnen habe abweichen wollen. Dass er einen Irrtum seinerseits nicht ausschließen konnte - das sei bei einem vielleicht ungewollten Abweichen praktisch nicht möglich - bedeute nicht, dass er einen solchen Irrtum eingestanden habe. Damit bleibe eine bewusst falsche Information durch den Kl. möglich und sei nicht ausgeschlossen. Der vermutete Vorsatz sei damit nicht widerlegt.

Die daraus folgende Leistungsfreiheit des Versicherers entfalle nicht nach den Grundsätzen der Relevanzrechtsprechung. Eine um 100.000 km zu niedrig angegebene Laufleistung sei geeignet, Interessen des Versicherers zu gefährden, da sich dies nicht unerheblich auf den Wiederbeschaffungswert des Autos und damit auf eine etwaige Versicherungsleistung auswirke. Der Kl. habe auch nicht nachweisen können, dass ihn kein erhebliches Verschulden traf, da nicht ausgeräumt sei, dass er bewusst falsche Angaben gemacht habe, um ...

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