Rn 15
Das COVInsAG enthält Regelungen zum Zwecke der Motivation zur Kreditgewährung in der aktuellen COVID-19-Krise. Diese Regelungen haben Banken aber auch Gesellschafter und Dritte wie zum Beispiel Warenkreditgeber im Blick. Einer solchen besonderen Motivation bedarf es, weil die Kreditgewährung in der Krise für den Kreditgeber mit gewissen wirtschaftlichen und rechtlichen (Haftungs-)Risiken einhergeht, die sich angesichts der derzeitigen Unsicherheiten, die verlässliche Prognosen und Planungen erschweren, als Hemmschuh bei der Kreditvergabe erweisen würden. Diese Hürden für die Kreditvergabe in der Krise sollen beseitigt werden, jedenfalls aber deutlich herabgesenkt werden.
2.2.1 Ausgangslage
2.2.1.1 Hürden bei der Kreditvergabe in der Krise
Rn 16
Angesprochen sind im Einzelnen insbesondere folgende Hürden bei der Kreditvergabe in der Krise:
- Die Risiken aus der Insolvenzanfechtung, insbesondere die Anfechtung von erlangten Zins- und Tilgungsleistungen in einer Folgeinsolvenz oder auch die Anfechtung von Sicherheiten, die in der aktuellen COVID-19-Krise bestellt wurden. Insbesondere in den Fällen, in denen bereits die materielle Insolvenz eingetreten ist, ist eine Insolvenzanfechtung jedenfalls im Drei-Monats-Zeitraum vor Antragstellung nach §§ 130, 131 InsO (Anfechtung von kongruenten und inkongruenten Deckungen) sicher. Der Gläubiger, der die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die Benachteiligung der Gläubiger im Zeitpunkt der Tilgung oder Sicherheitenbestellung kennt, kann zudem in einem späteren Insolvenzverfahren von dem Insolvenzverwalter im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO auf Rückgewähr zur Insolvenzmasse in Anspruch genommen werden. Dieses Risiko besteht im Fall von gewährten Sicherungen und Befriedigungen sogar für einen Zeitraum von vier Jahren vor Antragstellung.
- Die Darlehensgewährung durch Gesellschafter sowie die Besicherung von solchen Gesellschafterdarlehen ist zudem dem besonderen Risiko aus der Insolvenzanfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 InsO ausgesetzt. Ferner fallen offene Rückzahlungsansprüche der Gesellschafter in einem Insolvenzverfahren in den Nachrang nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und fallen damit im Regelfall vollständig aus.
- Ferner besteht aber auch das Risiko einer Unwirksamkeit bestellter Sicherheiten nach § 138 BGB (sittenwidriges Rechtsgeschäft) und einer weitergehenden zivil- oder strafrechtlichen Haftung nach § 826 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung oder wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO i.V.m. § 27 StGB.
2.2.1.2 Privilegierung von Sanierungs- und Überbrückungskrediten außerhalb des Anwendungsbereichs des COVInsAG
Rn 17
Auch vor dem Inkrafttreten des COVInsAG galt in der Praxis bereits ein insbesondere durch die Rechtsprechung ausgeformtes Regime, welches die Rahmenbedingungen festgelegt hat, unter denen sich die Risiken der Gewährung von Sanierungskrediten in der Krise eines Unternehmens reduzieren lassen. So hat etwa der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO und mit Blick auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners festgestellt, dass sowohl die gesetzliche Vermutung für die Kenntnis des Kreditgebers von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners bei Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit als auch das starke Beweisanzeichen für eine solche Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz im Fall der Inkongruenz ihre Bedeutung verlieren können, wenn die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist. Denn in diesem Fall ist die Rechtshandlung von einem anderen, anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet, und das Bewusstsein der Benachteiligung anderer Gläubiger tritt infolgedessen in den Hintergrund. Ein solcher "ernsthafter Sanierungsversuch" stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im Zusammenhang mit der Haftung nach § 138 BGB oder § 826 BGB einen "Privilegierungstatbestand" dar, der den Vorwurf der Sittenwidrigkeit und damit im Ergebnis auch die Haftung ausschließt.
Rn 18
Zu einem "ernsthaften Sanierungsversuch" gehört nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein schlüssiges Sanierungskonzept, das in den Anfängen bereits umgesetzt ist. In der Praxis hat sich in diesem Zusammenhang die Erstellung eines Sanierungsgutachtens nach Maßgabe bzw. in Anlehnung an die Maßgaben des IDW S6 als "safe harbor" herausgestellt, dass die positive Fortführungsprognose und die nachhaltige Sanierungsfähigkeit, das heißt die Wiedererlangung der Rendite- und Wettbewerbsfähigkeit des sich in der Krise befindlichen Unternehmens bestätigt.
Rn 19
Die Rechtsprechung zu den sog. Überbrückungskrediten hat die Privilegierung des "ernsthaften Sanierungsversuchs" zudem zeitlich ausgedehnt auf die Phase der Erstellung und Verhandlung eines Sanierungskonzepts und seine gutachterliche Prüfung. Die Liquidität, die erforderlich ist, um den hierfür erforderlichen Zeitraum bis zur Vorlage des Sanierungsgutachtens zu überbrücken, kann ebenfalls als Überbrückungskredit privilegiert ...