Rn 12
Dafür sind zunächst die Gründe für und wider die Bestellung eines Gruppenverwalters "im Interesse der Gläubiger" gegenüber zu stellen und gegeneinander abzuwägen. Häufig, aber nicht immer werden die Vorteile einer einheitlichen Bestellung (Synergieeffekte, Effizienzsteigerung etc.) die Nachteile aus den entstehenden Interessenkollisionen letztlich überwiegen. Namentlich für die Bestellung eines einheitlichen Verwalters in allen Gruppenverfahren spricht, wenn dadurch die Sanierung oder zumindest einheitliche Verwertung der Gruppenunternehmen voraussichtlich erleichtert werden kann und damit die Ausfälle der Gläubiger durch die Insolvenz ihres Schuldners möglichst gering gehalten werden können. Eine einheitliche Verwalterbestellung ist danach bereits möglich, wenn sie sich lediglich auf Konzernebene, d.h., auf die Abwicklung der Konzerngesellschaften positiv auswirkt, also ein "Mehrwert" entsteht, der sich letztlich immer auch auf die Befriedigungsquote der Gläubiger auswirken wird.
Rn 13
Dagegen scheidet sie aus, sobald sie erkennbar auch nur geringfügig zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, auch wenn sie für den Konzern oder einzelne Konzerngesellschaften vorteilhaft erscheinen mag.
Rn 14
Eine einheitliche Verwalterbestellung wird in Betracht kommen, wenn die Gruppengesellschaften im operativen Geschäft miteinander verwoben sind, sodass eine Gesamtstrategie notwendig erscheint ("Verwaltung aus einer Hand"), und zwar nicht nur im Hinblick auf eine angestrebte Sanierung, sondern auch im Falle der Abwicklung und Verwertung. Dabei gilt die Vermutung, je ausgeprägter, hierarchischer und intensiver die konzerninternen Verflechtungen sind, desto mehr spricht für eine Gesamtstrategie.
Rn 15
Demgegenüber soll gegen eine einheitliche Verwalterbestellung sprechen, wenn es sich bei der betroffenen Unternehmensgruppe um einen "Mischkonzern" handelt, bei dem die gruppenangehörigen Gesellschaften auf unterschiedlichen Geschäftsfeldern tätig sind und infolgedessen auch lose, d.h., nicht oder nur geringfügig in Geschäftsbeziehungen zueinander stehen. Hier mag es gegebenenfalls sogar sinnvoll sein, bewusst unterschiedliche Insolvenzverwalter zu bestellen, um Sanierungschancen für einzelne Gesellschaften der Gruppe erfolgversprechender wahrnehmen zu können. In Betracht kommt dabei – z.B. bei ähnlich gelagerter Gläubigerstruktur – auch mehrere Verwalter aus derselben Sozietät zu bestimmen, auch wenn dies an den entstehenden bzw. möglichen Interessenkollisionen nichts ändern dürfte. Dagegen kann es auch bei einem diversifizierten Mischkonzern im Interesse der Gläubiger sein, alle Geschäftsfelder gruppenübergreifend koordiniert zu erhalten bzw. zu verwerten. Entscheidend für das Ergebnis der Abstimmung bzw. die endgültige Einschätzung der einzelnen an der Abstimmung beteiligten Insolvenzgerichte sind also immer nur die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Rn 16
Als solche Umstände, die gegen eine einheitliche Verwalterbestellung sprechen, kommen vor allem umfangreiche wechselseitige Ansprüche der Gruppengesellschaften untereinander oder Anfechtungs- und Haftungsansprüche innerhalb des Konzerns in Betracht, die auch durch Sonderinsolvenzverwalter nicht sinnvoll realisiert werden können. Es sollte insbesondere vermieden werden, dass der Sonderinsolvenzverwalter zum faktischen Insolvenzverwalter wird, was vor allem in Unternehmensgruppen mit echtem Cashpooling zu befürchten sein dürfte. Für das Unternehmen mit Cashpool sind erhebliche Interessenkollision mit anderen, an den Pool angeschlossenen Gruppenunternehmen nicht zu vermeiden. Die Abstimmung über die Bestellung eines einheitlichen Insolvenzverwalters kann also in solchen Fällen auch zum Ergebnis führen, dass nicht für alle Gruppengesellschaften ein Gruppen-Insolvenzverwalter bestellt wird, sondern für einzelne Gesellschaften mit besonderen Interessenlagen jeweils separate Verwalter eingesetzt werden.
Rn 17
Für maßgebliche und damit entscheidungserhebliche Interessenskonflikte bedarf es hinreichender rechtlicher und tatsächlicher Anhaltspunkte, sie müssen nach summarischer Prüfung möglich erscheinen und über die bei einer Konzerninsolvenz meist entstehenden internen, allgemeinen Interessenkonflikte hinausgehen, die regelmäßig durch Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters entschärft werden können. Es ist schon in anderen Bereichen seit langem auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung anerkannt, einen Sonderverwalter zu bestellen, soweit der Insolvenzverwalter selbst tatsächlich oder rechtlich verhindert ist, sein Amt auszuüben. Auch hier kommt daher eine solche Sonderverwalterbestellung etwa für die Prüfung von Forderungsanmeldungen bei anderen Gruppengesellschaften, Überprüfungen interner Leistungsbeziehungen, insbesondere auch auf Anfechtungs- und Haftungsrelevanz in Betracht. Erscheinen die befürchteten Interessenskonflikte auf diese Weise bei einer ex-ante-Betrachtung lösbar, stehen sie der Bestellung ei...