Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 9
Es kommt nicht selten vor, dass etwa Geschäftsführer einer GmbH in der Unternehmenskrise oder unmittelbar nach Stellung des Insolvenzantrags ihr Amt niederlegen oder abberufen werden. In einem solchen Fall stünden für benötigte Auskünfte entweder keine auskunftspflichtigen Personen oder – bei Bestellung neuer Geschäftsführer – nur Personen zur Verfügung, die zwar auskunftspflichtig, aber mangels Vertrautheit mit den Unternehmensinterna nicht oder nur sehr beschränkt auskunftsfähig sind. Dagegen richtet sich nunmehr die gesetzliche Regelung in § 101 Abs. 1 Satz 2, wonach auch diejenigen einer Auskunftsverpflichtung unterliegen, die nicht früher als in den letzten 2 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus einer in Abs. 1 Satz 1 genannten Stellung ausgeschieden sind. Die Vorschrift betrifft außer ehemaligen Mitgliedern eines Vertretungs- oder Aufsichtsorgans auch den (minder wichtigen) Fall, dass ein persönlich haftender Gesellschafter zwar der Gesellschaft noch angehört, aber die Vertretungsberechtigung nach dem genannten Zeitpunkt verloren hat. Für den Zeitpunkt des Ausscheidens sollte es nicht auf die formalrechtliche Beendigung der Organmitgliedschaft ankommen, sondern auf die faktische Beendigung der Tätigkeit – dies wegen des vorrangigen Interesses an Informationsgewinnung jedenfalls dann, wenn die faktische Beendigung der formalrechtlichen zeitlich nachfolgt. Aber auch im umgekehrten Fall (faktische Beendigung vor formalrechtlicher Beendigung) dürfte nicht anders zu entscheiden sein; diesmal mit Rücksicht auf die ehemaligen Organmitglieder und auf die Korrektheit der Informationen. Wurde also das Organmitglied vor formalrechtlicher Beendigung seiner organschaftlichen Stellung beispielsweise mit sofortiger Wirkung beurlaubt oder von seinem Amt entbunden, ist auf diesen Zeitpunkt abzustellen, da es für die Anwendung des § 101 entscheidend auf die Informationsmöglichkeit der Verfahrensbeteiligten ankommt, die zwangsläufig hinsichtlich innerbetrieblicher Vorgänge mit tatsächlicher Beendigung der Tätigkeit endet. Außerdem dürfte die Zeitgrenze vom Gesetzgeber auch mit Rücksicht auf die Relevanz der bei diesem früheren Organmitglied noch verfügbaren Informationen sowie mit Rücksicht auf sein Erinnerungsvermögen gezogen worden sein.
Rn 10
Bislang selten – und wenn doch, dann streitig – erörtert wird die Frage, wie es um die Pflichtenstellung eines nach dem Eröffnungsantrag oder gar erst nach Verfahrenseröffnung ausgeschiedenen Vorstandsmitglieds oder Geschäftsführers steht: Richtet sich diese nach § 101 Abs. 1 Satz 1 (also volle Belastung i.S.d. §§ 97 bis 99) oder nach § 101 Abs. 1 Satz 2 (also reduziert auf die Pflicht aus § 97 Abs. 1 und deren Durchsetzbarkeit nach § 98)? Im ersten Sinne äußern sich Uhlenbruck, und Schilken eher für die zweite Ansicht spricht sich (nunmehr) Henssler aus. Für diese Ansicht, also für die Reduzierung der Pflichten auch der erst nach dem Eröffnungsantrag ausgeschiedenen Organmitglieder, spricht der eindeutige Wortlaut des § 101 Abs. 1 Satz 2. Denn die Vorschrift redet nicht von Personen, die "innerhalb von zwei Jahren vor dem Eröffnungsantrag" ausgeschieden sind, sondern eben von Personen, die "nicht früher als zwei Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens" ausgeschieden sind. Darunter fallen aber, jedenfalls nach der Sprachlogik, auch die erst nach Eröffnungsantrag oder Verfahrenseröffnung ausgeschiedenen Organmitglieder. Dann können sie aber nicht gleichzeitig zu dem (hiervon offensichtlich verschiedenen) Personenkreis nach § 101 Abs. 1 Satz 1 gehören. Das hat allerdings die missliche Folge, dass die insolvenzspezifischen Pflichten etwa der Geschäftsführer einer GmbH noch nach dem Insolvenzantrag oder der Verfahrenseröffnung durch Amtsniederlegung oder Abberufung zwar nicht gänzlich aufgehoben, aber doch auf die sich aus § 101 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 97 Abs. 1 ergebenden Pflichten reduziert werden könnten. Andererseits führt die Gegenansicht zu der schwerlich hinnehmbaren Konsequenz, dass der Geschäftsführer einer GmbH, dessen Anstellungsvertrag der Insolvenzverwalter nach § 113 Abs. 1 wirksam gekündigt hat, zu umfassender (nunmehr aber unentgeltlicher!) Mitwirkung und Bereithaltung nach § 97 Abs. 2 und 3 verpflichtet bleibt. Haben also beide Ansichten Vor- und Nachteile, so sollte man sich an den Gesetzeswortlaut halten, auf die nach dem Eröffnungsantrag ausgeschiedenen Organmitglieder also § 101 Abs. 1 Satz 2 anwenden. Im Übrigen wäre eine Amtsniederlegung des Geschäftsführers mit dem Ziel, sich den Pflichten aus § 97 Abs. 2 und 3 zu entziehen, missbräuchlich und daher unwirksam, so dass in einem solchen Fall § 101 Abs. 1 Satz 1 anwendbar bliebe.
Rn 11
Die früheren Organmitglieder sind nur im Rahmen des § 97 Abs. 1 zur Auskunft verpflichtet. Allerdings müssen auch sie Tatsachen offenbaren, die geeignet sind, eine Strafverfolgung auszulösen, welche dann aber ebenfalls dem in § 97 Abs. 1 Satz 3 gereg...