Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 14
Der durch Art. 9 Nr. 7a des am 1.11.2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) eingefügte § 101 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 sieht für den Fall, dass der Insolvenzschuldner, also die in § 101 Abs. 1 behandelten juristischen Personen oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (s.o. Rn. 2), über keinen Vertreter verfügt, eine subsidiäre Auskunftspflicht der an diesem Schuldner "beteiligten" Personen vor. Das sind die Gesellschafter bzw. (z.B. bei einem Verein) die Mitglieder. Von dem weiten Wortlaut wären auch die Kommanditisten einer Publikums-KG, die Aktionäre einer Massen-AG oder die Mitglieder eines Vereins mit mehreren 1.000 Mitgliedern erfasst. Aber selbstverständlich muss bei der Bestimmung der Auskunftspflichten auf den Umfang der Auskunftsmöglichkeiten Rücksicht genommen werden.
§ 101 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 lässt das Fehlen eines aktiven Vertreters, also die "Führungslosigkeit" i.S. des § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG oder i.S. des § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, als Voraussetzung für die subsidiäre Auskunftspflicht der Gesellschafter genügen. Die Auskunftspflicht besteht also auch dann, wenn gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 auskunftspflichtige Aufsichtsratsmitglieder oder gemäß § 101 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 auskunftspflichtige ehemalige Organmitglieder vorhanden sind (teilweise anders § 15a Abs. 3 hinsichtlich der Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags bei "Führungslosigkeit" einer AG oder Genossenschaft). Jedoch wird das pflichtmäßige Ermessen, das das Insolvenzgericht und der Insolvenzverwalter bei der Wahl zwischen mehreren auskunftspflichtigen Personen walten zu lassen hat, hier oft zur Heranziehung der auskunftspflichtigen aktiven Aufsichtsratsmitglieder oder ehemaligen Organmitglieder führen.
Es liegt nahe, dem Fall des Fehlens von Vertretern den Fall gleichzustellen, dass es zwar Vertreter gibt, deren Aufenthalt aber den Gesellschaftern unbekannt ist. Indessen hat das MoMiG eine solche im Referentenentwurf noch vorgesehene Regelung "wegen zu vieler Zweifelsfragen" bewusst nicht aufgenommen. Eine analoge Anwendung des § 101 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 auf diesen Fall dürfte sich deshalb verbieten.
Wie § 101 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 für die dort behandelten ausgeschiedenen Personen begründet auch § 101 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 für die Gesellschafter nur eine (hier: subsidiäre) Auskunftspflicht und die Möglichkeit ihrer Durchsetzung (§ 97 Abs. 1, § 98), nicht aber die umfassendere Mitwirkungs- und die Bereitschaftspflicht und nicht die Möglichkeit einer Postsperre (s. dazu oben bei Rn. 11 bis 13).