Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 16
Zu begrüßen ist die vom Gesetzgeber in § 101 Abs. 2 vorgenommene Erstreckung der insolvenzrechtlichen Auskunftspflichten auf Angestellte des Schuldnerunternehmens. Entgegen der systemwidrigen Stellung der Vorschrift gilt sie nicht nur für Angestellte von juristischen Personen oder Gesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit, sondern auch für solche einer natürlichen Person als Insolvenzschuldner. Erfasst werden von der Regelung auch nicht nur Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern alle Mitarbeiter des Schuldners, die zu ihm in einem Dienstvertragsverhältnis stehen, vor allem also leitende Angestellte. Die Regelung gilt weiter nicht nur für aktuell im Schuldnerunternehmen beschäftigte Angestellte, sondern auch für solche, die nicht früher als 2 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Unternehmen ausgeschieden sind. Entsprechend der Auslegung zu § 101 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 ist hierfür nicht auf den formalrechtlichen Beendigungszeitpunkt des Anstellungsverhältnisses abzustellen, sondern auf die tatsächliche Beendigung der Tätigkeit im Schuldnerunternehmen. Nur bis zu diesem Zeitpunkt verfügt der Angestellte regelmäßig über die im Insolvenzverfahren notwendigen Informationen über relevante innerbetriebliche Vorgänge. Seine Pflicht im Insolvenzverfahren ist aber ausdrücklich beschränkt auf die in § 97 Abs. 1 Satz 1 normierte Auskunftserteilung. Diese ist aber umfassend und bezieht sich auf alle Informationen, die für die Durchführung des Insolvenzverfahrens über das Schuldnervermögen in irgendeiner Weise von Bedeutung sind und von dem Angestellten während seiner Tätigkeit wahrgenommen oder erlangt wurden. Sie besteht entsprechend § 97 Abs. 1 Satz 1 gegenüber dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss und nach gerichtlicher Anordnung auch gegenüber der Gläubigerversammlung. Dagegen besteht für den Angestellten weder nach § 97 Abs. 3 eine Verpflichtung, in einem Termin zur Gläubigerversammlung zu erscheinen, noch kann sein Erscheinen mit den Zwangsmitteln des § 98 erzwungen werden. Ebensowenig ist der Angestellte zu Auskünften verpflichtet, die ihn der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen, da die Verweisung in § 101 Abs. 2 die Regelungen in § 97 Abs. 1 Satz 2 und 3 nicht umfasst. Er kann zwar nach § 5 Abs. 1 Satz 2 vom Insolvenzgericht als Zeuge vernommen werden. Hierbei steht ihm aber unter den Voraussetzungen des § 4 InsO i.V.m. §§ 383 bis 385 (insbesondere § 384 Nr. 2) ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zu.
Rn 17
Soweit der Angestellte nicht nach Arbeits- oder Dienstvertrag verpflichtet ist, trifft ihn auch keine besondere insolvenzrechtliche Mitwirkungsverpflichtung nach § 97 Abs. 2, und er ist außerhalb einer etwaigen vertraglichen Verpflichtung auch nicht der aus § 97 Abs. 3 resultierenden Bereitschaftspflicht unterworfen.
Rn 18
Weil Beschäftigte oder auch frühere Angestellte am Verfahren nicht unmittelbar beteiligt sind und auch anders als Organmitglieder keine Schuldnerrolle übernehmen, sind sie auch nicht der Entscheidungsgewalt des Insolvenzgerichts unterstellt, so dass die Erfüllung der ihnen nach § 97 Abs. 1 Satz 1 obliegenden Auskunftspflicht auch nicht über § 98 erzwungen werden kann. Weigert sich also ein (früherer) Angestellter, seine Auskunftspflicht nach § 101 Abs. 2, § 97 Abs. 1 Satz 1 gegenüber den Verfahrensorganen zu erfüllen, bleibt dem Insolvenzverwalter nur der Weg einer Auskunftsklage vor dem zuständigen Prozessgericht. Daneben kann auf Veranlassung eines nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Auskunftsberechtigten oder von Amts wegen der Angestellte durch das Insolvenzgericht nach § 5 Abs. 1 als Zeuge geladen und vernommen werden. Bleibt der Auskunftsverpflichtete aus oder verweigert er die Aussage, so stehen dem Insolvenzgericht die zivilprozessualen Zwangsmittel nach den §§ 380, 390 ZPO zur Verfügung, wenn nicht für den Zeugen ein Recht zur Zeugnisverweigerung nach den §§ 383, 384 i.V.m. § 385 ZPO besteht.
Mangels ausdrücklicher Verweisung ist auch die Verhängung einer Postsperre nach § 99 gegen Angestellte des Schuldners in jedem Fall unzulässig.