Rn 27
§ 131 Abs. 1 beinhaltet in den Nummern 1 bis 3 jeweils gesondert zu prüfende Anfechtungsvoraussetzungen, wobei der Gesetzgeber eine Abstufung dahingehend vorgenommen hat, dass diese um so geringere Anforderungen beinhalten, je näher die fragliche Rechtshandlung am Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung angesiedelt ist.
2.1 Letzter Monat vor dem Antrag sowie Zeit danach (§ 131 Abs. 1 Nr. 1)
Rn 28
§ 131 Abs. 1 Nr. 1 setzt lediglich voraus, dass die eine inkongruente Deckung herbeiführende Rechtshandlung innerhalb des letzten Monats vor dem Eröffnungsantrag oder nach der Antragstellung vorgenommen worden ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war. Der Verdachtszeitraum ist damit von ehemals 10 Tagen (§ 30 Nr. 2 KO) auf einen Monat vor Antragstellung ausgedehnt worden.
Rn 29
Darüber hinaus brauchen wegen der besonderen Verdächtigkeit eines inkongruenten Erwerbs keine weiteren subjektiven Voraussetzungen in der Person des Anfechtungsgegners vorzuliegen.
Rn 30
Um zu erreichen, dass der Anfechtungszeitraum im neuen Recht einheitlich vom Eröffnungsantrag zurückgerechnet wird, hat der Gesetzgeber nur noch auf diesen Stichtag und nicht mehr – wie noch in § 30 Nr. 2 KO und § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO – auch auf die Zahlungseinstellung abgestellt. Angesichts der bloßen Verlängerung des Verdachtszeitraumes auf einen Monat ist der Unterschied zum alten Recht zwar letztlich eher gering einzuschätzen; trotzdem erscheint diese Abänderung nicht nur wegen des damit verbundenen Gewinns an Rechts(normen)klarheit, sondern vor allem auch wegen der dadurch gewonnenen Rechtssicherheit für die Geschäftspartner des Schuldners begrüßenswert. Ergänzt wird der Anfechtungstatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 1 für innerhalb dieses Zeitraums erfolgte Vollstreckungshandlungen durch die ebenfalls neu eingefügte Vorschrift des § 88, die auf diesem Zwangsvollstreckungswege erlangte Sicherungen für unwirksam erklärt, wenn es zur Verfahrenseröffnung kommt (sog. Rückschlagsperre). Einer Anfechtung bedarf es dann nur für den Fall einer auf der Grundlage der per se unwirksamen Sicherung erlangten Befriedigung (Folgenanfechtung; dazu Rn. 9 f.).
2.2 Zweiter und dritter Monat vor Antrag (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3)
2.2.1 Zahlungsunfähigkeit eingetreten (§ 131 Abs. 1 Nr. 2)
Rn 31
§ 131 Abs. 1 Nr. 2 dehnt den anfechtungsrelevanten Zeitraum für die Erlangung einer inkongruenten Deckung auf den Zeitraum des zweiten und sogar des dritten Monats vor Stellung des Eröffnungsantrags aus. Da innerhalb eines so weit vorgelagerten Zeitraums bis zur tatsächlichen Stellung des Eröffnungsantrags eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung der Krise nicht mehr gerechtfertigt erscheint, setzt § 131 Abs. 1 Nr. 2 als objektives Tatbestandsmerkmal das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zur Zeit der Rechtshandlung voraus, was im Anfechtungsprozess vom Insolvenzverwalter zu beweisen ist. Die Kenntnis oder Unkenntnis des Anfechtungsgegners vom Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit ist hingegen unerheblich, ein subjektives Tatbestandsmerkmal ist in § 131 Abs. 1 Nr. 2 nicht enthalten.
2.2.2 Kenntnis des Gläubigers von der Benachteiligung (§ 130 Abs. 1 Nr. 3)
Rn 32
§ 131 Abs. 1 Nr. 3 wählt im Gegensatz zu § 131 Abs. 1 Nr. 2 einen subjektiven Ansatzpunkt, indem er die innerhalb des zweiten und dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommenen Rechtshandlungen dann für anfechtbar erklärt, wenn der Gläubiger (positive) Kenntnis von der benachteiligenden Wirkung (§ 129 Rn. 18 ff.) für die übrigen Insolvenzgläubiger hatte. Die Vorschrift stellt damit einen für den Anwendungsbereich der inkongruenten Deckung herausgestellten Sonderfall zur Absichtsanfechtung des § 133 dar. Unerheblich ist, ob der Schuldner zum fraglichen Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war.
2.2.3 Kenntnis der Umstände nach § 131 Abs. 2
Rn 33
Der (positiven) Kenntnis der Benachteiligung steht nach § 131 Abs. 2 Satz 1 die Kenntnis solcher Umstände gleich, die zwingend auf eine solche schließen lassen. Der Gesetzgeber wollte in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung dem Insolvenzverwalter damit den schwierigen Nachweis der subjektiven Voraussetzungen in der Person des Anfechtungsgegners erleichtern (Vergleiche im Einzelnen bereits § 130 Rn. 17 f.).