Rn 4
Mit der Verwirklichung des Anfechtungstatbestandes entsteht zwischen den Beteiligten ein Schuldverhältnis, das auf Wiederherstellung der vermögensrechtlichen Zuordnung gerichtet ist, wie sie vor der anfechtbaren Rechtshandlung bestand. Jede selbständig anfechtbare Rechtshandlung begründet ein eigenständiges Rückgewährschuldverhältnis. Unabhängig von seiner Geltendmachung entsteht der Rückgewähranspruch aber nicht vor Insolvenzeröffnung.
2.1 Rechtsnatur des Rückgewähranspruchs
Rn 5
Die Rechtsnatur des Rückgewährschuldverhältnisses war bzw. ist umstritten. Vertreten wurden bzw. werden insoweit – im Grundsatz – drei Ansichten:
2.1.1 Überblick
Rn 6
Nach der dinglichen Theorie ist die angefochtene Rechtshandlung eo ipso unwirksam. Hat der Schuldner etwa einen Gegenstand anfechtbar übereignet, ist die Übereignung nichtig. Damit gelangt die dingliche Theorie ohne Weiteres zur Wiederherstellung der vermögensrechtlichen Zuordnung wie sie vor der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung bestanden hat. Die Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs dient hier nicht dazu, eine Rechtsänderung herbeizuführen. Vielmehr setzt der Anfechtungsanspruch dieser Ansicht nach eine bereits eingetretene Rechtsänderung voraus, die durch die Erfüllung des Anfechtungstatbestands kraft Gesetzes bewirkt wird. Bedarf es aber der Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs nicht zur Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtslage, dann ist der Anspruch nicht anders einzuordnen als ein (dinglicher) Herausgabeanspruch.
Rn 7
Nach der schuldrechtlichen Theorie handelt es sich beim Rückgewähranspruch um eine privatrechtliche Forderung, die darauf gerichtet ist, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Anders als bei der dinglichen Theorie, bildet der Anspruch mithin nicht eine bereits durch den Anfechtungstatbestand herbeigeführte Rechtsänderung ab. Vielmehr soll hier mithilfe der Geltendmachung des Anspruchs die Rechtsänderung erst herbeigeführt werden. Ist beispielsweise eine Sache in anfechtbarer Weise an einen Insolvenzgläubiger übereignet worden, so geht der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch auf Rückübereignung dieser Sache.
Rn 8
Die haftungsrechtliche Theorie geht zurück auf Gotthard Paulus. Grundlage dieser Theorie ist die Annahme, dass ein Recht (in Anlehnung an §§ 1120 f. BGB) in verschiedene (sachenrechtliche) Funktionen aufgespalten werden kann, nämlich zum einen in eine haftungsrechtliche und zum anderen in sonstige dingliche Komponenten. Während die dingliche Zuordnung beschreibt, wem die Verfügungs- und Nutzungsfunktion zukommt bzw. wer sich auf die mit der dinglichen Berechtigung verbundene Ausschließungsfunktion berufen kann, umschreibt die haftungsrechtliche Zuordnung, welchen Gläubigern der Gegenstand zur Befriedigung ihrer Forderung zur Verfügung steht. Haftungsrechtliche und dingliche Vermögenszuordnung laufen zwar in aller Regel parallel. Zwingend ist dies dieser Ansicht zufolge jedoch nicht. Vielmehr können beide Funktionen auch verschiedenen Rechtssubjekten zuzuordnen sein. So ist ein Gegenstand, der anfechtbar erworben wurde, zwar dinglich dem Vermögen des Erwerbers zugeordnet. In Bezug auf die Schuldentilgungsfunktion bleibt der Gegenstand dagegen zugunsten der Gläubiger des (ersten) Schuldners verhaftet. Nach der haftungsrechtlichen Theorie zeitigt mithin der Anfechtungstatbestand ohne Weiteres Wirkungen, indem er den Gläubigern die Zugriffsmöglichkeit eröffnet. Folglich bedarf es konstruktiv gesehen eines auf Wiederherstellung der ursprünglichen dinglichen Rechtslage gerichteten schuldrechtlichen Anspruchs an sich nicht. Da jedoch die Verwertung des Schuldnervermögens durch den Insolvenzverwalter auf privatrechtlicher Grundlage erfolgt, benötigt der Insolvenzverwalter einen Anspruch, der ihn berechtigt, den Gegenstand durch Veräußerung zu verwerten