Rn 31
§ 144 Abs. 2 Satz 1 regelt sowohl einen Rückerstattungsanspruch als auch einen Wertersatzanspruch. In beiden Fällen handelt es sich um eine Masseforderung. Eine Anmeldung zur Insolvenztabelle hat mithin nicht zu erfolgen. Umstritten ist, wann diese entsteht. Ganz überwiegender Ansicht nach entstehen diese Ansprüche erst mit der Rückgewähr der Leistung durch den Anfechtungsgegner. Richtiger Ansicht nach entsteht der Anspruch nach § 144 Abs. 2 Satz 1 jedoch – ebenso wie der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch – schon mit Insolvenzeröffnung. Jedoch ist der Anspruch aus § 144 Abs. 2 Satz 1 erst dann durchsetzbar sein, wenn der Anfechtungsgegner seine Rückgewährpflicht aus § 143 nachgekommen ist.
Rn 32
Der Anfechtungsgegner kann gegenüber dem Rückgewähranspruch nach § 143 ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB im Hinblick auf den Rückerstattungs- bzw. Wertersatzanspruch geltend machen. Dies hat der BGH mit Rücksicht auf den wirtschaftlichen Zusammenhang beider Ansprüche zugelassen, obwohl der Erstattungsanspruch erst mit Rückgewähr der Leistung des Gemeinschuldners "durchsetzbar" wird (siehe oben Rn. 13). Beide Ansprüche beruhen – so der BGH – auf demselben durch die Verwirklichung des Anfechtungstatbestandes begründeten rechtlichen Verhältnis. Bei Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes findet eine Verurteilung Zug um Zug statt (§ 274 BGB). Etwas anderes gilt nur, wenn – in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens in § 393 BGB – der gegen den Anfechtungsgegner gerichtete Anspruch daneben auch auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht. Stehen sich Anfechtungsanspruch und der Gegenanspruch des Anfechtungsgegner nach § 144 Abs. 2 Satz 1 gleichartig gegenüber, kann aufgerechnet werden (siehe unten Rn. 37).
Rn 33
– Rückerstattungsanspruch
§ 144 Abs. 2 Satz 1 gewährt dem Anfechtungsgegner in erster Linie einen Anspruch auf Herausgabe des vom Schuldner Erlangten (in natura). Der Anspruch setzt allerdings voraus, dass die Gegenleistung des Anfechtungsgegners noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist. Mit dem Erfordernis der Unterscheidbarkeit hat der Gesetzgeber ein bereits früher anerkanntes Tatbestandsmerkmal in den Wortlaut der Vorschrift mit aufgenommen. Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn sich der Leistungsgegenstand noch in der Masse befindet. Es reicht aber aus, wenn der Gemeinschuldner einen Anspruch gegen einen Dritten hat, der sich auf die Sache bezieht.
Rn 34
Nach der h.M. handelt es sich bei dem Rückerstattungsanspruch um einen Bereicherungsanspruch. In Anlehnung an § 818 Abs. 1 BGB hat der Schuldner daher auch gezogene Nutzungen zu erstatten oder Surrogate (allerdings keine rechtsgeschäftlichen Surrogate) herauszugeben. Hat das Surrogat einen geringeren Wert als die Gegenleistung selbst, so hat der Anfechtungsgegner einen Anspruch gegen die Insolvenzmasse in Höhe des überschießenden Teils.
Rn 35
Entscheidend für den Umfang des Rückerstattungsanspruchs ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgewähr der Leistung durch den Anfechtungsgegner nach § 143. Die Pflicht zur Rückerstattung beschränkt sich auf den Zustand, in dem sie sich zu dieser Zeit befindet. Geht die Sache vor Rückgewähr des anfechtbar Erlangten durch den Anfechtungsgegner unter, so geht dies nicht zu Lasten der Masse. Es kommt dann eine Forderung gegen den Gemeinschuldner nach § 201 und gegebenenfalls gegen den Insolvenzverwalter nach § 60 in Betracht. Vom Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgewähr des anfechtbar Erlangten durch den Anfechtungsgegner an haftet die Masse für den Rückerstattungsanspruch nach den §§ 818 Abs. 4, 819 BGB. Für die Frage der Bösgläubigkeit und des Verschuldens ist dabei auf den Insolvenzverwalter abzustellen.
Rn 36
– Wertersatzanspruch
Ist der Gegenstand nicht mehr unterscheidbar in der Masse vorhanden, dann ist der Anspruch – vergleichbar § 818 Abs. 2 BGB – auf Wertersatz gerichtet. Der Anspruch setzt allerdings voraus, dass die Masse noch bereichert ist. Für den Umfang der Bereicherung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Anfechtungsgegner seine Leistung nach § 143 zurückgewährt.
Rn 37
Macht der Insolvenzverwalter nach § 143 Wertersatz für das anfechtbar Erlangte geltend, kann der Anfechtungsgegner hiergegen mit einem Wertersatzanspruch nach § 144 Abs. 2 Satz 1 aufrechnen. Eine automatische Verrechnung nach Art der in § 818 BGB geltenden Saldentheorie findet jedoch nicht statt; denn beim Anfechtungsanspruch handelt es sich nicht um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch. Darüber hinaus sollte die Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs nicht mit Ermittlungen zur Gegenleistung belastet werden.