Rn 10
Der Insolvenzverwalter hat das Schuldnervermögen nach dem Wortlaut von § 148 Abs. 1 sofort in Besitz zu nehmen. Das ist enger als unverzüglich, da auch entschuldigtes Zögern (vgl. § 121 BGB) nicht exkulpiert. Diese strikte zeitliche Fixierung ist grundsätzlich angemessen, weil der Verwalter die sog. "Ist-Masse", also das beim Schuldner tatsächlich vorgefundene Vermögen und nicht nur das letztlich der Haftung unterworfene Vermögen ("Soll-Masse"), in Besitz zu nehmen hat, was vorausgehende Prüfungen (vorrangiger) fremder Rechte, der Werthaltigkeit einzelner Massegegenstände usw. entbehrlich macht.
Rn 11
Die Pflicht des Verwalters entsteht "mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens". Das ist noch nicht der Zeitpunkt der materiell-rechtlichen Verfahrenseröffnung, wie er im Eröffnungsbeschluss bestimmt ist (§ 27 Abs. 2 Nr. 3); ebenso wenig der Zeitpunkt, zu dem der Beschluss als solcher verfahrensrechtlich wirksam, d.h. erlassen wird (Verkündung oder Verlassen des gerichtsinternen Bereichs). Vielmehr kann es – auch wegen der an die Rechtzeitigkeit des Verwalterhandelns anknüpfenden möglichen Sanktionen nach § 60 Abs. 1 – allein auf den Zeitpunkt ankommen, zu dem der Eröffnungsbeschluss dem bestellten Verwalter zugegangen ist. Dieser Zeitpunkt kann – vor allem wegen der notwendigen Annahme des Verwalteramtes – durchaus auch nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe nach § 30 liegen. Auf die Ausstellung und Zuleitung der Bestallungsurkunde an den Insolvenzverwalter kommt es hingegen nicht an.
Rn 12
Allerdings sind mehrere Besonderheiten zu beachten: Da auch der Neuerwerb des Schuldners grundsätzlich in die Masse fällt (§ 35 Abs. 1), können Recht und Pflicht zur Inbesitznahme durch den Verwalter auch später noch entstehen. Ähnliches gilt, wenn kraft dinglicher Surrogation an die Stelle des einen ein anderer Massegegenstand tritt. Letztlich hat der Verwalter auch diejenigen Gegenstände in Besitz zu nehmen, die der Masse unberechtigt durch Dritte entzogen worden sind. Die äußeren Vermögens- und Besitzverhältnisse des Schuldners selbst geben über derartige Gegenstände in der Regel aber keinen Anhaltspunkt. Die Inbesitznahmepflicht entsteht hier erst dann, wenn der Verwalter auf entsprechende Informationen oder eigene Recherche hin vom Drittbesitz an Massegegenständen Kenntnis erlangt.