Rn 39
Umstritten ist, ob als Insolvenzverwalter tätige Rechtsanwälte Vollrechts-Treuhandkonten in Form echter Anderkonten führen können oder gar müssen. Eine solche Pflicht wird für die Verwahrung fremder Gelder durch Rechtsanwälte allgemein durch § 43a Abs. 5 Satz 2 BRAO sowie standesrechtlich durch die §§ 4, 23 BORA statuiert. Insoweit entspricht es überwiegender Auffassung, dass die allgemeinen und besonderen Berufspflichten grundsätzlich auch für diejenigen Rechtsanwälte gelten, die als Insolvenzverwalter tätig sind; und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein einmaliges Geschäft oder aber um die nebenberufliche bzw. eine hauptberufliche Insolvenzverwaltung handelt.
Rn 40
Dennoch sind Rechtsanwälte als Insolvenzverwalter nicht zwangsläufig auf Anderkonten beschränkt. Das folgt schon aus den mit Anderkonten verbundenen erheblichen Einschränkungen im täglichen Geschäft. So bestimmt Nr. 7 der diesbezüglichen AGB Banken, dass Kontovollmacht nur an andere anderkontenberechtigte Berufsträger erteilt werden darf. Damit sind alle "nichtjuristischen" Mitarbeiter des Anwalts von der Kontoführung ausgeschlossen. Das ist angesichts der üblichen Vielzahl von Insolvenzkonten eines hauptberuflich als Verwalter tätigen Rechtsanwalts kaum praktikabel. Die Möglichkeiten der Botenschaft sowie des electronic banking führen letztlich zu keinen Erleichterungen, denn die Verantwortlichkeit und die besondere Kontrollpflicht bleiben beim Rechtsanwalt. Nr. 4 der AGB Banken verbietet gemischte Eigen- und Anderkonten und Nr. 5 statuiert sehr niedrige Wertgrenzen für Sammelanderkonten (ebenso die BORA). Nr. 6 Satz 1 verbietet die Umwandlung eines Anderkontos etwa in ein Insolvenzsonderkonto auf den Namen des Schuldners. Nr. 10 begründet die Nichtabtretbarkeit und Nichtverpfändbarkeit der Ansprüche gegen die Bank. Nach Nr. 13 der AGB Banken vermag der Nachfolger eines ausgewechselten Verwalters außerdem nur unter erschwerten Voraussetzungen auf das Konto zuzugreifen.
Rn 41
Hinzu kommt, dass diese Nachteile nur einen Rechtsanwalt treffen würden, nicht aber andere Berufsträger, die nach den ABG Banken von der Führung echter Anderkonten ausgeschlossen sind. Auch bei der Vergütung wird der als Insolvenzverwalter tätige Rechtsanwalt bekanntlich nicht auf das RVG verwiesen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 RVG). Hinzu kommt ein weiterer, systematisch nicht gerechtfertigter Unterschied je nach Art des Treugutes: Bei Buchgeld müsste der Rechtsanwalt über die allgemeine Treuhandlösung hinausgehende Einschränkungen in Kauf nehmen, bei der Verwaltung und Verwertung anderer Vermögensgegenstände des Schuldners hingegen nicht. Im Übrigen sind die besonderen Anforderungen und Einschränkungen, die sich mit einem Anderkonto verbinden, für den Rechtsanwalt schon dadurch umgehbar, dass er echte Fremdkonten zu Gunsten des Insolvenzschuldners begründet und kraft der auf ihn übergegangenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis für diesen führt.
Rn 42
Vor allem aber steht der Sinn und Zweck des § 43a Abs. 5 Satz 2 BRAO, § 4 Abs. 1 BORA einer Masseverwaltung in Form einfacher Vollrechts-Treuhandkonten auch durch Rechtsanwälte nicht entgegen. Der Schutz des Mandanten (und im Insolvenzverfahren: seiner Gläubiger) wird auch bei diesen Konten über § 771 ZPO sowie § 47 umfassend erreicht. Soweit die berufsrechtlichen Vorschriften auch den Schutz des allgemeinen Vertrauens in die uneingeschränkte Integrität der Anwaltschaft und damit in die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege insgesamt beabsichtigen, so wird eine abrede- oder zweckwidrige Verwendung der erlangten Gelder durch die Verpflichtung auf ein echtes Anderkonto weder im Vergleich zu offenen Treuhandkonten noch im Vergleich zu Fremdkonten für den Insolvenzschuldner stärker verhindert. Das erweist sich einmal im Hinblick auf die eingeschränkten Aufrechnungsmöglichkeiten: Nicht nur bei Anderkonten (§ 4 Abs. 3 BORA), sondern bei jeder Verwaltungstreuhand ist der Treunehmer nicht berechtigt, mit Geldern aufzurechnen, die er zweckgebunden für Dritte überlassen bekommen oder von Dritten eingezogen hat. Das erweist sich außerdem im Hinblick auf Nr. 8 der AGB Anderkonten, wonach die Bank ebenso wenig wie bei "normalen" Treuhandkonten verpflichtet ist, trotz Kenntnis von der Treuhandabrede die sich daraus ergebenden Bindungen des Treunehmers vor Verfügungen zu überprüfen.