Rn 15
Der Sache nach stellt das Verzeichnis der Massegegenstände ein Inventar i.S.v. § 240 Abs. 1 HGB (§§ 141 f. AO) dar, wenngleich mit der Besonderheit, dass lediglich Aktivwerte aufzunehmen und insolvenzrechtliche Besonderheiten zu berücksichtigen sind (namentlich keine Möglichkeit der Befreiung kleinunternehmerisch tätiger Einzelkaufleute nach § 241a HGB, Aufnahme aller Gegenstände unabhängig vom jeweiligen Vermögenswert und der Einzelveräußerbarkeit). Hierfür erforderlich ist die stichtagsbezogene Erfassung aller vorhandenen Bestände zumindest nach Art, Menge und Beschaffenheit (Inventur). Auch wenn hierfür ein bestimmtes Verfahren nicht vorgeschrieben ist, so besteht doch Einigkeit, dass die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur zu beachten sind, namentlich: (1) Einzelerfassung der Bestände (Abs. 1: "der einzelnen Gegenstände"; vgl. auch § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB), (2) Vollständigkeit der Bestandsaufnahme, (3) Wahrhaftigkeit, Richtigkeit und Willkürfreiheit der Bestandsaufnahme, (4) Klarheit, Nachprüfbarkeit und Dokumentation der Bestandsaufnahme.
Rn 16
Die Inventur erfordert grundsätzlich die Einzelerfassung jedes Gegenstandes der Masse. Körperliche Gegenstände werden durch Zählen, Wiegen und Messen erfasst. Allein das Fotografieren und die Übernahme der Fotos in das Masseverzeichnis genügt nicht, kann aber zur Veranschaulichung und Erläuterung der Bestände zweckmäßig sein. Nichtkörperliche Gegenstände (Forderungen, Bankguthaben usw.) werden buchmäßig durch diesbezügliche Aufzeichnungen (Belege, Urkunden, Verträge usw.) aufgenommen. Abhängig von den jeweiligen Gegebenheiten, der Verwertbarkeit und der Verwertungspraxis sind gleichartige Sachen zusammenzufassen (etwa bei Schüttwaren), was namentlich bei Unternehmensinsolvenzen unabdingbar ist, maßgeblich ist also nicht die rechtliche Bedeutung des Begriffs "Gegenstand" i.S. der §§ 90 ff. BGB, sondern ein wirtschaftliches Verständnis. In weiteren Fällen besteht jedenfalls die Möglichkeit einer solchen Gesamterfassung (etwa bei Warenlagern).
Rn 17
Inventurvereinfachungen sind nicht prinzipiell ausgeschlossen. Hierzu kann grundsätzlich auf die Regelungen der §§ 240 Abs. 3 und 4, 241 HGB zurückgegriffen werden. Namentlich sind unter den diesbezüglichen Voraussetzungen Mengenermittlungen durch Stichproben (§ 241 Abs. 1 Satz 1 HGB) und mittels Durchschnittswerten (§ 240 Abs. 4 HGB), Anlageninventuren (d.h. aus Buchhaltungsunterlagen generierte Bestandsaufnahmen) und – insbesondere bei vorläufiger Fortführung des schuldnerischen Unternehmens – permanente Inventuren (d.h. Fortschreibungen vormaliger Bestandsverzeichnisse nach zwischenzeitlichen Zu- und Abgängen) zulässig (§ 241 Abs. 2 HGB); zudem auch gleichbleibende Angaben für Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sowie für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (§ 240 Abs. 3 HGB). Ganz generell müssen Schätzungen immer dann zulässig sein, wenn eine exakte Aufnahme des Bestandes wirtschaftlich unzumutbar oder gar unmöglich ist. Nicht zulässig sind allerdings sog. verlegte, d.h. um mehrere Monate verschobene Inventuren i.S.v. § 241 Abs. 3 HGB (s. Rn. 20).
Rn 18
Bei der Bestandsaufnahme hat der Insolvenzverwalter alle Informationen zu berücksichtigen, die er vom Schuldner, aus dessen (Geschäfts-)Unterlagen, von Dritten oder auf sonstige Weise (z.B. über die Postsperre) erlangt. Soweit vom vorläufigen Insolvenzverwalter oder im Rahmen einer Begutachtung im Eröffnungsverfahren ein Verzeichnis erstellt worden ist, ist dieses regelmäßig zugrunde zu legen und ggf. auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung fortzuschreiben. Auch auf Aufstellungen des Schuldners darf er zurückgreifen, muss diese aber in besonderer Weise kontrollieren; auch hierbei sind zumeist Fortschreibungen (auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung) und Ergänzungen (namentlich im Hinblick auf die anzugebenden [Zerschlagungs]Werte) notwendig. Darüber hinaus kann er sich nicht nur eigener, sondern auch der Mitarbeiter des Schuldners oder eines Verwertungsunternehmens als Erfüllungsgehilfen bei der Aufnahme der Massegegenstände bedienen.
Rn 19
Soweit es zu einer Siegelung nach § 150 gekommen ist, hat die Entsiegelung schrittweise mit der Aufzeichnung zu erfolgen.