Rn 26
In konsequenter Umsetzung der von Rechtsprechung und Literatur schon zur Sequestration gemäß § 106 KO entwickelten Grundsätze und wiederum in enger Anlehnung an die frühere Regelung des § 11 VerglO wurde für das moderne Insolvenzverfahren die Möglichkeit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ausdrücklich geregelt. Die Anordnung und die daraus resultierenden Befugnisse sind aus der allgemeinen Zielrichtung der durch das Gericht angeordneten Sicherungsmaßnahmen abzuleiten, wie sie sich aus der Generalklausel in Abs. 1 ergeben. Auch die vorläufige Insolvenzverwaltung soll also vorrangig dazu dienen, bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Demnach ist die vorläufige Insolvenzverwaltung grundsätzlich ohne weitere flankierende Maßnahmen als reine Sicherungsverwaltung ausgestaltet. Dies kommt auch in der Begründung des Gesetzgebers zum Ausdruck, wonach die vorläufige Insolvenzverwaltung zwar einschließe, ein Unternehmen des Schuldners im Regelfall vorläufig fortzuführen. Jedoch solle die Entscheidung über die Erhaltung oder Liquidation des Unternehmens im Eröffnungsverfahren möglichst noch nicht vorweggenommen werden. Gleichwohl hat der Gesetzgeber die Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters derjenigen des Insolvenzverwalters im späteren eröffneten Verfahren weitgehend angenähert. Dies geschieht durch eine umfassende Verweisung auf die Vorschriften der §§ 8 Abs. 3, 56 bis 56b, 58 bis 66 und 269a. Im Folgenden wird lediglich auf die Besonderheiten bei der Anwendung im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung eingegangen. Wegen weiterer Einzelheiten zu den in der Verweisungsregelung in Bezug genommenen Vorschriften wird auf die jeweilige Kommentierung verwiesen.
Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 22 Abs. 1), spricht man von einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter. In allen anderen Fällen, insbesondere bei Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts, verwendet man den Begriff des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters. Dieser ist wenig trennscharf, da das Gericht gemäß § 22 Abs. 2 die Pflichten und Befugnisse des schwachen vorläufigen Verwalters frei festlegen kann, mithin also große Unterschiede in der Rechtsmacht der schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter bestehen können. Aus Gründen der Rechtsklarheit und des gebotenen Schutzes von Vertragspartnern muss für diese aus der gerichtlichen Anordnung selbst unmissverständlich zu erkennen sein, mit welchen Einzelbefugnissen – nach Art und Umfang – der vorläufige Insolvenzverwalter ausgestattet ist.
Rn 27
Die Notwendigkeit zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters kann sich regelmäßig in folgenden Konstellationen ergeben:
- bei einem laufenden Geschäftsbetrieb, denn der Geschäftsverkehr bedarf eines kompetenten Ansprechpartners. Auch muss die freie Entscheidung der Gläubigerversammlung nach § 157 Satz 1 gesichert werden.
- bei einer Anordnung von Verfügungsbeschränkungen ist grundsätzlich die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters erforderlich (s.u. Rdn. 48). Gleichwohl ist auch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne jede Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis möglich.
- wenn der Schuldner seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt oder gar konkrete Verdunkelungshandlungen bekannt geworden sind.
- bei einer Unüberschaubarkeit der Vermögensverhältnisse und einem großen Umfang des Vermögens.
- zur Abwendung der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, da der vorläufige Verwalter gemäß § 30d Abs. 4 Satz 1 ZVG einen Antrag auf einstweilige Einstellung stellen kann (s.u. Rdn. 66).
- wenn eine vorläufige Postsperre angeordnet werden soll (s.u. Rdn. 73).
- zur Durchsetzung eines Vorschussanspruchs nach § 26 Abs. 4.
Bei der Abwägungsentscheidung hat das Gericht auch die Außenwirkung der Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung zu berücksichtigen. Diese kann zur irreversiblen Existenzbeeinträchtigung des Schuldnerunternehmens führen. Weiterhin ist die mitunter beträchtliche Kostensteigerung des Verfahrens durch die zusätzliche Verwaltervergütung zu beachten.
Ist ein eingesetzter vorläufiger Insolvenzverwalter an der Wahrnehmung seiner Aufgaben aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert, sollte in der Abwägung neben einer Entlassung auch die Einsetzung eines vorläufigen Sonderinsolvenzverwalters in Betracht gezogen werden.
Rn 28
Nach der Neuregelung der Vorschriften des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens mit dem SanInsFoG kommt die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters neben einem vorläufigen Sachwalter nicht mehr in Betracht. Die gesetzliche Regelung in § 270e Abs. 1 verknüpft die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters zwingend mit der Aufhebung der vorläufigen Eigenverwaltung. Die zuvor hier (Lfg. 67 – 01.09.2018) vertretene Ansicht, eine parallele Bestellung von v...