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Schließlich kann auf Basis der erwarteten Kosten und Insolvenzmasse die eigentliche Abwägung stattfinden. Aus dem bloßen Verhältnis der beiden Werte lässt sich aber nichts ableiten. Der Gesetzgeber hat insoweit versäumt einen Maßstab zu dessen Bewertung vorzugeben.
Zweifelsohne ist eine Unverhältnismäßigkeit anzunehmen, wenn die Kosten der Einsetzung die freie Insolvenzmasse übertreffen oder die Gefahr einer Ablehnung des Insolvenzantrages mangels Masse im Raum steht. Unter diesen Schwellen schlägt Frind vor, dass die Kosten der Einsetzung nicht mehr als ein Prozent der gesamten Masse ausmachen sollen, wenn eine Teilungsmasse von mehr als 250.000 EUR zu erwarten ist. Im Übrigen sollte ein Anteil von 5 % nicht überschritten werden. Das AG Ludwigshafen hat ohne weitere Begründung eine Unverhältnismäßigkeit angenommen, wenn die Kosten der Einsetzung 7 % der Teilungsmasse übersteigen, und zwar unabhängig von der Größe der Teilungsmasse. Eine nachvollziehbare Begründung für die Bezifferung einer solchen Quote der Verhältnismäßigkeit dürfte ohne umfassende empirische Untersuchungen nur schwer möglich sein. Folgerichtig kann eine Quote lediglich ein Ausgangspunkt für die Abwägung der Verhältnismäßigkeit sein.
Wenn der Gesetzgeber mit der frühzeitigen Gläubigerbeteiligung eine Erhöhung der Sanierungschancen des Schuldnerunternehmens verbunden hat, darf bei der Bewertung der Unverhältnismäßigkeit der Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses nicht nur das bloße Kosten-Masse-Verhältnis betrachtet werden, sondern das Augenmerk muss darüber hinaus auch auf den Nutzen des vorläufigen Gläubigerausschusses gerichtet werden. Es kommt mithin darauf an, ob sich die Sanierungschancen des Schuldners im konkreten Fall durch die Einsetzung erhöhen. Schließlich spricht das Gesetz von der Abwägung der "Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses" und nicht lediglich von den Kosten einer solchen Einsetzung. Der Nutzen der Einsetzung wird von vielen Faktoren beeinflusst, wobei insbesondere in Betracht kommen:
- die voraussichtliche Dauer der Tätigkeit des Ausschusses,
- die Möglichkeiten des Ausschusses, im konkreten Verfahrensstadium noch Einfluss auf das Eröffnungsverfahren zu nehmen,
- die Gläubigerstruktur,
- die Branche des Schuldners,
- bereits erfolgte Absprachen mit den Gläubigern,
- ein erkennbarer Missbrauch der Antragstellung.
Die Abwägung muss zu einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Verhältnismäßigkeit führen. Dies bedeutet zwar nicht, dass im Zweifel die Verhältnismäßigkeit der Einsetzung des Ausschusses anzunehmen ist. Gleichwohl ist bei der Ausübung des richterlichen Ermessens zu beachten, dass das Gesetz im Regelfall von einer Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses ausgeht und die Ablehnungsgründe des § 22 a Abs. 3 den Ausnahmefall bilden.