3.1. Allgemeines

 

Rn 7

In Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 sind die Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung normiert. Nicht ausdrücklich geregelt ist, ob es einen Anspruch auf Anordnung der Eigenverwaltung gibt.[9] Da im Gesetz nur zwei Voraussetzungen genannt sind, die für die Anordnung der Eigenverwaltung erfüllt sein müssen, und dem Gericht keine darüber hinaus gehende Entscheidungsbefugnis zugewiesen wurde (Ermessen), hat das Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen die Eigenverwaltung durch Beschluss anzuordnen. Dies folgt auch zwingend aus dem gesetzgeberischen Motiv, dem Antragsteller Planungssicherheit über den Verfahrensverlauf zu verschaffen.[10] Die neuen Vorschriften verpflichten bei Vorliegen der Voraussetzungen daher das Gericht zur Anordnung der Eigenverwaltung.

 

Rn 8

Der Gesetzgeber hat aber davon abgesehen, ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf Eigenverwaltung vorzusehen. Wie nach dem bisherigen Recht[11] besteht daher kein Rechtsschutz gegen die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der Eigenverwaltung. Stattdessen verweist der Gesetzgeber auf die Entscheidungskompetenz der ersten Gläubigerversammlung, die Anordnung oder die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen und auf die bezüglich dieser Entscheidung möglichen Rechtsmittel. Auf diese Weise sollte vermieden werden, dass zwei Rechtsmittelverfahren parallel laufen und möglicherweise sich widersprechende Entscheidungen ergehen.[12] Die Pflicht des Gerichts, nach Abs. 4 eine ablehnende Entscheidung schriftlich zu begründen, dient folglich nicht der Überprüfbarkeit der Entscheidung im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens, sondern als Entscheidungsgrundlage für die Gläubigerversammlung.

 

Rn 9

Gegen eine ablehnende Entscheidung kann sich der Schuldner noch im Antragsverfahren nur durch Rücknahme des Insolvenzantrages wehren. Hierbei gerät er jedoch mit der Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrages nach § 15a InsO in Konflikt, so dass eine Antragsrücknahme nur dann (straffrei) möglich ist, wenn lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt.

 

Rn 10

Die Vorschriften über die Eigenverwaltung gelten für alle Insolvenzanträge, sind gemäß § 312 Abs. 2 jedoch dann nicht anwendbar, wenn es sich um ein vereinfachtes Insolvenzverfahren handelt. Die Anordnung der Eigenverwaltung ist nach den Bestimmungen der EuInsVO auch in einem Sekundärinsolvenzverfahren möglich, wobei der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis für den Schuldner ausübt.[13]

[9] Dafür Hofmann, NZI 2011, 798, dagegen Willemsen/Rechel, BB 2011, 834, 837.
[10] RegE, BT-Drs. 17/5712, S. 2.
[12] RegE, BT-Drs. 17/5712, S. 39.

3.2. Antrag des Schuldners (Nr. 1)

 

Rn 11

Erste Voraussetzung für die Anordnung der Eigenverwaltung ist der Antrag des Schuldners. Sie hängt also vollständig vom Willen des Schuldners ab, ohne dessen Zutun sie nicht angeordnet werden kann.

 

Rn 12

Aus der Abschaffung des § 270 Abs. 2 Nr. 2 a.F., wonach beim Fremdantrag die Zustimmung des Gläubigers zur Eigenverwaltung erforderlich war, folgt, dass ein Gläubiger alleine die Anordnung der Eigenverwaltung durch Verweigerung seiner Zustimmung nicht mehr blockieren kann.[14] Die Einbindung der Insolvenzgläubiger in das Verfahren erfolgt nunmehr über den neuen § 270 Abs. 3.[15] Um jedoch die Eigenverwaltung nicht dadurch zu gefährden, dass der Gläubiger seinen Eröffnungsantrag zurücknimmt, sollte der Schuldner stets selbst einen eigenen Eröffnungsantrag stellen.

[14] Hieraus folgt auch, dass der Schuldner aufgrund eines alleine von einem Gläubiger gestellten Eröffnungsantrags die Eigenverwaltung beantragen kann, ohne selbst einen Insolvenzantrag stellen zu müssen. Da ein Fremdantrag aber nur bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zulässig ist und beides nach § 15a InsO zur Antragspflicht beim Schuldner führen würde, bleibt dies eine rein theoretische Möglichkeit, weil jedenfalls das pflichtwidrige Unterlassen eines Insolvenzantrages ein Indiz für eine Benachteiligung der Gläubiger wäre.
[15] Vgl. u. Rn. 19.

3.3. Nachteile nicht zu erwarten (Nr. 2)

 

Rn 13

In § 270 Abs. 2 Nr. 2 n.F. werden die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung neu geregelt. Sie werden durch das ESUG gelockert, nachdem sich die Eigenverwaltung in einer ganzen Reihe von Fällen in der Praxis bewährt hat.[16] Weiterhin ausschlaggebend bleibt, dass die Anordnung der Eigenverwaltung keine Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen darf, diese durch die Anordnung der Eigenverwaltung also nicht schlechter stehen als ohne.

 

Rn 14

Nach altem Recht musste das Nichteintreffen der Nachteile "nach den Umständen zu erwarten" sein, nach neuem Recht ist die Eigenverwaltung aber schon dann anzuordnen, wenn "keine Umstände bekannt sind", die erwarten lassen, dass sie zu Nachteilen für die Gläubiger führen. Unklarheiten über mögliche Nachteile für die Gläubiger sollen...

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