Dr. Jürgen Spliedt, Dr. Alexander Fridgen
4.1. Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses
Rn 19
Vor der Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung ist der nach § 22a zu bestellende vorläufige Gläubigerausschuss zu beteiligen, wenn nichteine Ausnahme nach § 270 Abs. 3 Satz 1 2. HS vorliegt. Einzelne Gläubiger haben damit keine Möglichkeit, die Anordnung der Eigenverwaltung zu verhindern. Sie sind vielmehr auf die nachträgliche Möglichkeit zur Beantragung der Aufhebung der Eigenverwaltung angewiesen, die gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 2 erfolgen kann, wenn ein Gläubiger glaubhaft macht, dass ihm durch die Eigenverwaltung erhebliche Nachteile drohen. Der Zeitpunkt der Beteiligung muss nur vor der Entscheidung liegen, so dass es im Einzelfall auch zweckmäßig sein kann, die Entscheidung des Ausschusses über die Eigenverwaltung erst kurz vor der Verfahrenseröffnung herbei zu führen und dabei die Erfahrungen einzubeziehen, die während des Eröffnungsverfahrens gewonnen worden sind. Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses bedeutet nicht, dass dieser der Eigenverwaltung zustimmen muss. Mit Ausnahme des in Abs. 3 Satz 2 geregelten Ausnahmefalls, in dem der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig für die Eigenverwaltung votiert, ist das Gericht an die Entscheidung des vorläufigen Gläubigerausschusses nicht gebunden.
Rn 20
Für die Zusammensetzung des nach § 22a zu bestellenden vorläufigen Gläubigerausschusses ist zu berücksichtigen, dass der Schuldner nach § 13 Abs. 1 Satz 2 dem Eröffnungsantrag ein Verzeichnis seiner Gläubiger beizufügen hat. Nur wenn dieses Verzeichnis vollständig fehlt, wird der Antrag unzulässig sein, nicht aber schon dann, wenn trotz gebührender Anstrengungen des Schuldners bei der Zusammenstellung vereinzelte Gläubiger oder einzelne Forderungen fehlen. Das mag vereinzelt Schuldner dazu verleiten, bereits im Vorfeld opponierende Gläubiger zu "vergessen", um diese nicht im Gläubigerausschuss wieder zu treffen. Solches Handeln unterliegt auch keiner unmittelbaren Sanktion. Es ist aber nicht ungefährlich, weil der übergangene Gläubiger nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 die Aufhebung der Eigenverwaltung beantragen kann. Insoweit kann das Gericht eine Erklärung des Schuldners verlangen, dass alle wesentlichen Gläubiger im Verzeichnis enthalten sind und insbesondere nicht bereits opponierende Gläubiger fehlen.
4.2. Voraussetzung: keine offensichtlichen Nachteile
Rn 21
Von einer Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses darf das Gericht nur absehen, wenn dies offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners führt. Dies ist nach der Gesetzesbegründung zur Verwirklichung der Gläubigerautonomie geboten, um die Gläubiger im Insolvenzverfahren frühzeitig zu beteiligen. Offenkundig ist eine mögliche Verschlechterung der Vermögenslage schon dann, wenn ein laufender Geschäftsbetrieb vorliegt, weil dann zwingend über Gegenstände verfügt werden muss, bei denen in aller Regel die Gegenleistung nicht unmittelbar zwischenfließt. Die bloße Möglichkeit der Vermögensverschlechterung reicht aber nach dem Wortlaut des Abs. 3 nicht aus, um von der Gläubigerbeteiligung abzusehen, vielmehr muss der tatsächliche Eintritt des Nachteils offensichtlich sein.
4.3. Anordnungszwang bei einstimmigem Gläubigervotum
Rn 22
Die Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses erfolgt, indem ihm das Gericht Gelegenheit zur Äußerung gibt. Das Gericht wird hierfür eine Frist setzen, um das Insolvenzverfahren nicht unnötig zu verzögern. Wenn der vorläufige Gläubigerausschuss die Anordnung der Eigenverwaltung einstimmig unterstützt, gilt deren Anordnung als nicht nachteilig im Sinn des Abs. 2 Nr. 2, so dass dann alle Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung vorliegen und das Gericht zwingend eine entsprechende Anordnung treffen muss. Ausnahmen kommen hier höchstens bei greifbar gesetzwidrigem Vorgehen der Beteiligten in Betracht.
Rn 23
Nach der Gesetzesbegründung kann das Gericht die Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Frage der Eigenverwaltung mit der Beteiligung des Ausschusses zur Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters oder Sachwalters nach §§ 274 Abs. 1, 56a Abs. 1 verbinden.