Dr. Jürgen Spliedt, Dr. Alexander Fridgen
6.2.1. Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit
Rn 56
Es ist Sache des Schuldners, bereits vor Beantragung der Eigenverwaltung und des Schutzschirmverfahrens im Rahmen von Verhandlungen mit den Gläubigern sicherzustellen, dass diese die Einrichtung eines Schutzschirmes nicht zum Anlass nehmen, weitere Sicherheiten zu verlangen oder auf Vorkasse umzustellen. Dies würde in einer Vielzahl von Fällen mit Sicherheit die Möglichkeiten des Schuldners sprengen und die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen. Als Verhandlungsargument kann Gläubigern allenfalls entgegen gehalten werden, dass jegliche Gläubigerbefriedigung, bei der es sich nicht um ein Bargeschäft handelt, ohnehin im Fall der Insolvenz zumindest nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 anfechtbar wäre. Soweit Geschäftspartner des Schuldners nicht kooperativ sind, schützt ihn der vom Gericht anzuordnende Schutzschirm vor deren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Dass diese Gläubiger die Liquidität des Schuldners durch Zwangsvollstreckung nicht abziehen können, macht gerade den Schutz des Schuldners aus. Nicht geschützt ist der Schuldner dagegen durch den Schutzschirm vor vertragsgemäßem Verhalten seiner Geschäftspartner, z.B. die Kündigung von Verträgen oder die Fälligstellung von Forderungen. Mit dem Schutzschirm nach § 270b ist auch kein allgemeines Moratorium verbunden, das die Fälligkeit von Forderungen verändert.
6.2.2. Anzeige der Zahlungsunfähigkeit
Rn 57
Kann die Zahlungsunfähigkeit (§ 17) nicht im Verhandlungswege vermieden werden, ist deren Eintritt nach Abs. 4 S. 2 vom Schuldner oder vom vorläufigen Sachwalter dem Gericht unverzüglich anzuzeigen.
Rn 58
Eine Sanktion für einen Verstoß gegen diese Anzeigepflicht sieht das Gesetz nicht ausdrücklich vor, was im Gesetzgebungsverfahren heftig kritisiert, aber am Ende bewusst so übernommen wurde. Die Unterlassung der Anzeige durch den Schuldner ist daher insbesondere nicht strafbewehrt.
Rn 59
Nicht geregelt ist, ob das Gericht die Anzeige über den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit an den vorläufigen Gläubigerausschuss oder – falls ein solcher nicht bestellt ist hilfsweise – an die bekannten Gläubiger weiter leiten muss. Dass die Gläubiger Kenntnis von dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erhalten, ist aber unbedingt nötig, da diesen das Recht zur Beantragung des Aufhebung des Schutzschirms nach Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 zusteht und weil der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit als zwingender Aufhebungsgrund aus dem Grund nicht Gesetz geworden ist, da die Gläubiger ihre Rechte selbst wahrnehmen können. Da die Anzeigepflicht letztendlich eingeführt wurde, um die gerichtliche Aufsicht sicher zu stellen, wird man an die Anzeige auch eine Reaktionspflicht des Gerichtes knüpfen dürfen. Das Gericht hat dann den vorläufigen Gläubigerausschuss oder – sofern ein solcher nicht bestellt ist – die bekannten (auch absonderungsberechtigten) Insolvenzgläubiger entsprechend § 274 Abs. 3 zu benachrichtigen. Allerdings wird der Schuldner, schon um das weiterhin für die Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens erforderliche Vertrauen der Gläubiger nicht aufs Spiel zu setzen, selbst die Gläubiger informieren, so dass eine zusätzliche Mitteilung durch das Gericht ggf. entbehrlich wird.
Rn 60
Für den vorläufigen Sachwalter ergibt sich die Anzeigepflicht für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nicht schon aus §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 3 S. 1, wonach der vorläufige Sachwalter von ihm festgestellte Umstände anzeigen muss, wenn diese Erwarten lassen, dass die Fortsetzung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Denn die Nachteilserwartung liegt nicht spezifisch an der Fortführung der Eigenverwaltung. Vielmehr ist aus dem bloßen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nicht zu folgern, dass die Gläubiger bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters besser stünden.
6.2.3. Folgen der Zahlungsunfähigkeit
Rn 61
Zunächst war im Regierungsentwurf bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zwingend die Aufhebung des Schutzschirmverfahrens vorgesehen, um aus Gründen des Gläubigerschutzes dem Schuldner die Möglichkeiten des § 270b zu entziehen und dem Gericht wieder die auch sonst üblichen Möglichkeiten zu Sicherung der Masse zu geben. Das wurde aber kritisiert, weil dann die Gläubiger – entgegen dem Konzept des Regierungsentwurfes – ihre Forderungen fällig stellen und dadurch das Schutzschirmverfahren zu Fall bringen könnten. Die Planbarkeit für den Schuldner, die ihn ja gerade zum Eintritt in das Schutzschirmverfahren bewegen soll, wäre damit zu stark beeinträchtigt. Die Interessen der Gläubiger seien auch ohne die zwingende Aufhebung des Schutzschirmverfahrens bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ausreichend gewahrt, weil diese nach Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 die ...