Rn 61
Die Möglichkeiten, gläubigerschädigende Verfügungen, die einen Gläubiger begünstigen, nach den Vorschriften der §§ 130 ff. anzufechten, werden grundsätzlich im vereinfachten Verfahren nicht eingeschränkt.
Rn 62
Da die Durchführung von Anfechtungen durch jeden Insolvenzgläubiger erfolgen kann und der Treuhänder grundsätzlich zur Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen nach den §§ 129 bis 147 gemäß § 313 Abs. 2 Satz 1 nicht berechtigt ist, bedarf er hierzu ggf. eines besonderen Auftrags der Gläubigerversammlung. Diese Regelung betont die Gläubigerautonomie.
Rn 63
Die Möglichkeit der Gläubigerversammlung, auch den Treuhänder mit der Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen zu beauftragen, wurde erst mit der am 1.12.2001 in Kraft getretenen Änderung der Insolvenzordnung eingeführt. Sie soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Verlagerung der Anfechtungsrechte ausschließlich in den Kreis der Insolvenzgläubiger gemäß § 313 Abs. 2 a. F. zu einem weitgehenden Funktionsverlust der Anfechtung im vereinfachten Insolvenzverfahren geführt hat. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Gläubiger motiviert und in der Lage seien, selbst die Anfechtung gläubigerschädigender Handlungen durchzuführen. Trotz Anhaltspunkten für eine anfechtbare Verschiebung erheblicher Werte im kritischen Zeitraum vor der Insolvenz mussten aber gerade viele vereinfachte Verfahren wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt werden.
Rn 64
Insoweit hätte es sich jedoch eher angeboten, das Anfechtungsrecht wie im Regelinsolvenzverfahren zu gestalten und § 313 Abs. 2 ganz zu streichen. Dabei ist noch besonders daran zu denken, dass auch nach der Neufassung des Abs. 2 ein Beschluss der Gläubigerversammlung erforderlich ist, mit dem der Treuhänder zur Durchführung der Anfechtung beauftragt wird. Eine entsprechende Beschlussfassung setzt aber das Zustandekommen einer überhaupt beschlussfähigen Gläubigerversammlung voraus. Hierzu reicht die Teilnahme eines Gläubigers aus. Nimmt jedoch an der ordnungsgemäß einberufenen Gläubigerversammlung tatsächlich kein Gläubiger teil, ist die Versammlung beschlussunfähig. Vor diesem Hintergrund steht zu befürchten, dass mangels einer beschlussfähigen Gläubigerversammlung auch zukünftig aussichtsreiche Anfechtungsansprüche im vereinfachten Verfahren nicht durchgesetzt werden.
Rn 65
Die Gläubiger können sich nun darauf verständigen, einen Gläubiger oder den Treuhänder, der ohnehin nach § 80 die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse hat, mit der Durchsetzung von Anfechtungen zu beauftragen. Soll der Treuhänder mit der Anfechtung beauftragt werden, so hat hierüber die Gläubigerversammlung durch Beschluss zu entscheiden. Dies gilt auch für ein vereinfachtes Insolvenzverfahren, an dem nur ein Gläubiger beteiligt ist. Die zusätzliche Tätigkeit des Treuhänders soll sich bei der Bemessung seiner Vergütung nach § 13 InsW a. F. niederschlagen. Ist ein Gläubiger selbst erfolgreich, sind ihm aus dem Erlangten die ihm entstandenen Kosten vorweg zu erstatten (§ 313 Abs. 2 Satz 2). Ein von der Gläubigerversammlung mit der Anfechtung beauftragter Gläubiger erhält ebenfalls seine verauslagten Kosten aus dem Erlangten und, falls dieses nicht ausreicht, aus der Insolvenzmasse (§ 313 Abs. 2 Satz 3). Das übrige durch die Anfechtung Erlangte ist von dem Anfechtenden der Insolvenzmasse zuzuführen.
Rn 66
Hat ein Gläubiger einen Anfechtungsprozess geführt, wird durch die Eröffnung des vereinfachten Verfahrens der Prozess unterbrochen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG). Die Aufnahme des Verfahrens durch einen Insolvenzverwalter (§ 17 Abs. 1 Satz 2 AnfG; im Zivilverfahren sonst § 240 ZPO) ist nicht möglich, da nur ein Treuhänder bestellt wird. Es tritt kein Parteiwechsel ein. Im Verbraucherinsolvenzverfahren liegt keine dem § 313 Abs. 2 entsprechende Regelung vor. Da es sich um eine Regelungslücke handelt, kommt nur eine analoge Anwendung des § 313 Abs. 2 auf die Fälle der §§ 16, 17 AnfG in Betracht, so dass der Gläubiger den Prozess selbst zu Gunsten der Insolvenzmasse fortsetzen kann.
Rn 67
Im vereinfachten Verfahren können insolvenzrechtliche Maßnahmen erforderlich werden, die sich ihrer Natur nach wie Einzelzwangsvollstreckungen darstellen. z. B. wenn der Schuldner eine natürliche Person ist und Sachen, die sich in seinem Gewahrsam befinden, nicht herausgibt, obwohl sie zur Insolvenzmasse gehören. Dann kann der Treuhänder nach § 148 Abs. 2 ZPO die Herausgabe im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen, die nach den Vorschriften der ZPO durchgeführt wird. Die Anwendbarkeit von § 766 ZPO ergibt sich aus § 148 Abs. 2 ZPO, ebenso die Anwendbarkeit des § 765a ZPO. Wenn es zur Erhaltung von Leben und Gesundheit des Schuldners erforderlich ist, kann im eröffneten Insolvenzverfahren dem Schuldner bei Vollstreckungsmaßnahmen des Treuhänders nach § 148 Abs. 2 auf Antrag Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt werden, jedenfalls soweit dies zur Erhaltung von Leben und Gesundheit des Schu...