4.1 Internationale Zuständigkeit, § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
Rn 15
Die Anerkennung des Verfahrens setzt voraus, dass die Gerichte des Staates der Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht international zuständig sind. Die internationale Zuständigkeit ist von Amts wegen zu prüfen und kann nicht durch Parteivereinbarung oder rügeloses Einlassen begründet werden.
Fehlt die internationale Zuständigkeit, so ist das ausländische Verfahren nicht anzuerkennen; eine teilweise Anerkennung des Verfahrens kommt insoweit nicht in Betracht (sog. "Spiegelbildprinzip"). Da die Insolvenzordnung eine Regelung über die internationale Zuständigkeit nicht enthält, bestimmt sich die Zuständigkeit für die Anerkennung eines Insolvenzverfahrens spiegelbildlich zur Entscheidungszuständigkeit der deutschen Gerichte. Maßgeblich ist also, ob bei hypothetischer Anwendung der Insolvenzordnung das ausländische Gericht für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig wäre. Es kommt zu einer doppelfunktionalen Anwendbarkeit der örtlichen Zuständigkeit des § 3 InsO.
Rn 16
Die internationale Zuständigkeit ist mithin dann zu bejahen, wenn der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit (§ 3 Abs. 1 Satz 2 InsO) des Schuldners am Ort der Eröffnung im Ausland liegt. Der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit liegt an dem Ort, von dem aus der wesentliche Teil der Geschäfte selbständig erledigt wird.
Rn 17
Der Begriff der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit erfordert nicht die Verfolgung einer gewerblichen Tätigkeit. Der weit gefasste Terminus bezieht auch die selbständig Tätigen mit ein. Ist ein solcher Mittelpunkt der Tätigkeit nicht feststellbar, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz bzw. seinen satzungsmäßigen Sitz hat (§ 3 Abs. 1 Satz 1).
Rn 18
Für den Fall der Zuständigkeitskonkurrenz mehrerer Gerichte, die insbesondere dann auftreten kann, wenn der Schuldner mehrere Wohnsitze bzw. Sitze hat oder mehrere Mittelpunkte einer selbständigen Tätigkeit gegeben sind, enthält § 3 Abs. 2 eine Prioritätsregel, die auch für die Anerkennungszuständigkeit analog gilt. Demnach ist das Gericht, bei dem die Verfahrenseröffnung zuerst beantragt wird, für das Verfahren zuständig. Die Verlegung des Sitzes nach Eingang des Insolvenzantrags bei dem die Zuständigkeit begründenden Gericht ist schon wegen des Grundsatzes der perpetuatio fori unerheblich.
4.2 Verstoß gegen den ordre public, § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
Rn 19
Die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens darf nicht zu einem Ergebnis führen, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist. In Art. 26 EulnsVO ist der in § 343 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 normierte ordre-public-Vorbehalt geregelt.
Rn 20
Die Vorschrift erfasst sowohl den verfahrensrechtlichen ordre public, der die Ergebnisse einer ausländischen richterlichen Rechtsanwendung auf die Anerkennung im Ausland betrifft, als auch den materiell-rechtlichen ordre public, der das Ergebnis einer auf dem Insolvenzstatut beruhenden Folgewirkung der ausländischen Verfahrenseröffnung auf das Inland betrifft. Von Amts wegen ist deshalb zu prüfen, ob das Ergebnis des Verfahrens im konkreten Fall mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist. Dies ist etwa zu bejahen, wenn Grundsätze der Gläubigerautonomie oder des Schuldnerschutzes verletzt werden. Der Vorbehalt des ordre public korrigiert die möglicherweise auftretenden Rechtsnachteile bei der Anwendung fremden Rechts.
Rn 21
Der Erlass eines Eröffnungsbeschlusses ohne die Anhörung des Schuldners, der missbräuchliche Einsatz eines Insolvenzverfahrens als beispielsweise verdeckte Enteignung des Schuldners oder die wettbewerbswidrige Förderung von Konkurrenzunternehmen, die Korruption oder politische Willkür der Insolvenzorgane oder der Fall, dass der Schuldner durch willkürliche staatliche Maßnahmen in die Insolvenz getrieben wurde, sind offensichtliche Verstöße des ausländischen Insolvenzrechts gegen den ordre public.
Rn 22
Die fehlende Veröf...