Gesetzestext
(1) 1Durch die Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens wird ein Rechtsstreit unterbrochen, der zur Zeit der Eröffnung anhängig ist und die Insolvenzmasse betrifft. 2Die Unterbrechung dauert an, bis der Rechtsstreit von einer Person aufgenommen wird, die nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung zur Fortführung des Rechtsstreits berechtigt ist, oder bis das Insolvenzverfahren beendet ist.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners durch die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 343 Abs. 2 auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.
1. Überblick
Rn 1
§ 352 Abs. 1 sieht vor, dass ein Rechtsstreit aufgrund der Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens unterbrochen wird. Hiermit wird die Regelung des § 240 ZPO auf den Fall einer Insolvenzeröffnung im Ausland übertragen und insofern ergänzt. Zweck dieser Vorschrift ist, die prozessuale Auswirkung der Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens mit der eines inländischen Insolvenzverfahrens gleichzustellen, damit das Universalitätsprinzip gestärkt wird.
Rn 2
Im Gegensatz zu Art. 15 EuInsVO enthält § 352 eine Sachnorm und nicht lediglich eine Kollisionsnorm, Art. 15 EuInsVO beschränkt sich darauf, die Geltung der lex fori concursus vorzusehen, während § 352 die Unterbrechung anordnet.
Rn 3
§ 352 Abs. 2 sieht die entsprechende Anwendung des ersten Absatzes vor, wenn im Rahmen Fall eines vorläufigen Insolvenzverfahrens mit Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden.
2. Unterbrechung eines Rechtsstreits
Rn 4
Nach § 352 Abs. 1 Satz 1 wird ein in Deutschland anhängiger Rechtsstreit aufgrund der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Ausland unterbrochen, unabhängig davon, ob die lex fori concursus eine solche Wirkung vorsieht oder nicht. Erforderlich ist, dass es sich bei dem ausländischen Insolvenzverfahren um ein Hauptinsolvenzverfahren handelt, da Partikularinsolvenzverfahren keine universelle Wirkung entfalten können. Die Unterbrechung erfolgt automatisch, ohne dass ein besonderer Beschluss hierfür notwendig ist.
2.1 Rechtsstreit bezüglich der Insolvenzmasse
Rn 5
Der Rechtsstreit muss die Insolvenzmasse betreffen, wobei sich die Massezugehörigkeit nach Maßgabe der lex fori concursus richtet. Dies ist der Fall, wenn die lex fori concursus den betroffenen Massegegenstand dem Insolvenzbeschlag unterwirft.
Rn 6
Der Begriff des Rechtsstreits ist weit auszulegen und erfasst insbesondere:
- Aktivprozesse über Forderungen des Schuldners,
- Passivprozesse der Masse,
- Leistungs- und Feststellungsklagen,
- Herausgabeansprüche,
- Kostenfeststellungsklagen,
- Schuldenmassestreitigkeiten,
- Streitigkeiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Rn 7
Zwangsvollstreckungsverfahren fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 352 Abs. 1 Satz 1, da das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung eine typische Wirkung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens darstellt.
2.2 Anhängigkeit
Rn 8
Gemäß § 352 Abs. 1 Satz 1 muss der Rechtsstreit zur Zeit der Eröffnung des ausländischen Verfahrens anhängig sein. Der Begriff der Anhängigkeit ist nach deutschem Recht auszulegen.
3. Beendigung der Unterbrechung
Rn 9
Gemäß § 352 Abs. 2 dauert die Unterbrechung so lange an, bis der Rechtsstreit von einer Person aufgenommen wird, die nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung zur Fortführung des Rechtsstreits berechtigt ist, oder bis das Insolvenzverfahren beendet ist.
Rn 10
Die Modalitäten der Wiederaufnahme richten sich nach deutschem Recht als lex fori processus, während die Berechtigung nach dem Eröffnungsstatut, d.h. nach der lex fori concursus, zu bestimmen ist. Berechtigt zur Wiederaufnahme eines Rechtsstreites ist in erster Linie der Insolvenzverwalter.
4. Unterbrechung vor Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens
Rn 11
Wie § 240 ZPO sieht § 352 Abs. 2 InsO die Unterbrechung eines Rechtsstreits auch dann vor, wenn vor Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens Sicherungsmaßnahmen angeordnet worden sind. Hierbei muss ferner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners auf den vorläufigen Verwalter übertragen worden sein. Dies entspricht im deutschen Recht der Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters.
Rn 12
Solche Sicherungsmaßnahmen werden gemäß § 343 Abs. 2 ebenfalls automatisch anerkannt.
Rn 13
In diesem Fall endet die Unterbrechung mit der ...