§ 357 Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter

 

(1) Der Insolvenzverwalter hat dem ausländischen Verwalter unverzüglich alle Umstände mitzuteilen, die für die Durchführung des ausländischen Verfahrens Bedeutung haben können. Er hat dem ausländischen Verwalter Gelegenheit zu geben, Vorschläge für die Verwertung oder sonstige Verwendung des inländischen Vermögens zu unterbreiten.

(2) Der ausländische Verwalter ist berechtigt, an den Gläubigerversammlungen teilzunehmen.

(3) Ein Insolvenzplan ist dem ausländischen Verwalter zur Stellungnahme zuzuleiten. Der ausländische Verwalter ist berechtigt, selbst einen Plan vorzulegen. § 218 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

1. Überblick

 

Rn 1

§ 357 InsO regelt die Zusammenarbeit zwischen dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und dem Verwalter des inländischen Sekundärinsolvenzverfahrens. Eine solche Zusammenarbeit ist vor dem Ziel der bestmöglichen Verwertung des schuldnerischen Vermögens zugunsten aller Gläubiger erforderlich. Die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in Deutschland bedeutet nicht, dass die verschiedenen Insolvenzmassen isoliert voneinander abzuwickeln sind. In vielen Konstellationen ist eine Rücksichtnahme auf das andere Verfahren auch im Interesse der jeweiligen Gläubiger geboten.

 

Rn 2

Vor diesem Hintergrund normiert § 357 InsO Mindestanforderungen für die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltern, die allerdings in einem konkreten Verfahren ausgedehnt werden können.[1] § 357 InsO betrifft nur die Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter und nicht der Insolvenzgerichte, die jedoch genauso wichtig ist.[2]

 

Rn 3

§ 357 InsO ist ferner nur auf das Verhältnis zwischen einem deutschen Sekundärinsolvenzverfahren nach § 356 InsO und einem ausländischen Hauptinsolvenzverfahren anwendbar, nicht aber zwischen zwei Sekundärinsolvenzverfahren. In dieser Konstellation ist kein Grund ersichtlich, dem ausländischen Sekundärinsolvenzverwalter einseitige Einflussnahmemöglichkeiten in das inländische Verfahren zu gewähren.

 

Rn 4

§ 357 InsO stellt eine einseitige Norm dar, die Pflichten des inländischen Insolvenzverwalters und Rechte des ausländischen Verwalters vorsieht. Aufgrund der Souveränität des Staates des Hauptinsolvenzverfahrens wäre die Auferlegung von Pflichten auf den ausländischen Insolvenzverwalter unzulässig und von diesem auch nicht anzuerkennen. Eine Reziprozität setzt § 357 InsO zwar nicht voraus, wäre jedoch vor dem Hintergrund der Koordinierung der verschiedenen Insolvenzverfahren wünschenswert. Die gegenteilige Meinung,[3] wonach auch Pflichten des ausländischen Insolvenzverwalters bestehen, ist demnach zu verwerfen.

 

Rn 5

§ 357 InsO hat weitgehend nur eine klarstellende Funktion, da sich nach h. M. die Kooperationspflichten des Insolvenzverwalters bereits aus allgemeinen Pflichten und Grundsätzen ableiten lassen.[4]

 

Rn 6

§ 357 InsO ist nicht auf isolierte Partikularinsolvenzverfahren anwendbar, da diese Norm das Bestehen eines ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens voraussetzt. Dies wird in § 356 Abs. 1 Satz 2 InsO klargestellt.

 

Rn 7

Eine weitere Lösung zur Koordinierung von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren könnte in dem Abschluss von Insolvenzverwaltungsverträgen (sog. Protocols) bestehen.[5] Dabei handelt es sich um Verträge, die von den Insolvenzverwaltern und/oder den Insolvenzgerichten geschlossen werden und in denen Regeln für die Durchführung des Insolvenzverfahrens festgehalten werden.

 

Rn 8

§ 357 InsO entspricht Art. 31 EuInsVO,[6] in welchem jedoch alle Insolvenzverwalter zur gegenseitigen Unterrichtung und zur Zusammenarbeit verpflichtet werden und nicht allein der Sekundärinsolvenzverwalter.

[1] Braun-Liersch/Delzant, § 358 InsO Rn. 1.
[2] Hierzu Ehricke, WM 2005, 397; Eidenmüller, IPrax 2001, 1, 9; Paulus, EWS. 2002, 497, 505; Vallender, KTS 2005, 283, 321.
[3] FK-Wenner/Schuster, § 357 Rn. 4.
[4] FK-Wenner/Schuster, § 357 Rn. 2; MünchKomm-Reinhart, § 357 Rn. 1, m. w. N.
[5] Siehe hierzu Pannen-Taylor, Protokolle – Individuelle Vereinbarungen bei grenzüberschreitenden Insolvenzen, EuInsVO Kommentar S. 691 ff. sowie Wittinghofer, Der nationale und internationale Insolvenzverwaltungsvertrag (2004), und Paulus, ZIP 1998, 977 ff.; MünchKomm-Reinhart, § 357 Rn. 1.
[6] Siehe hierzu Pannen-Riedemann, Art. 31 EuInsVO Rn. 1 ff.

2. Mitteilungspflicht

 

Rn 9

Nach § 357 Abs. 1 Satz 1 InsO hat der Insolvenzverwalter des Sekundärverfahrens dem ausländischen Hauptinsolvenzverwalter alle Umstände mitzuteilen, die für die Durchführung des ausländischen Verfahrens Bedeutung haben können. Die Mitteilungspflicht des Sekundärinsolvenzverwalters ist vor dem Hintergrund der Vorschlagerechte des ausländischen Verwalters zu sehen (siehe unten Rn. 14 f.). Hierdurch soll dem ausländischen Verwalter ermöglicht werden, Entscheidungen zu treffen. Aus diesem Grund sollen die Mitteilungen zeitnah erfolgen, da sonst eine verspätete Einflussnahme auf das Sekundärinsolvenzverfahren wenig hilfreich wäre.[7]

 

Rn 10

Bei solchen Umständen handelt es sich zum Beispiel um:[8]

Informationen über den Umfang der Insolvenzmasse;
Informationen über die Form der Verfahrens...

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