Rn 10

Wie sich aus der Regelung in Abs. 1 Satz 1 ergibt, soll das dort geregelte Recht zur Aufnahme des Rechtsstreits zunächst nur dem Insolvenzverwalter zustehen. Dadurch soll ihm eine gewisse Zeit zur Prüfung der Erfolgsaussichten des unterbrochenen Rechtsstreits und zur Beantwortung der Frage eingeräumt werden, ob er diesen für die Masse fortführen will. Verzögert der Verwalter diese Entscheidung, so gibt Satz 2 dem Prozessgegner die Möglichkeit, eine Entscheidung herbeizuführen. Verzögert ist die Entscheidung, wenn der Verwalter in einer den Umständen nach angemessenen Frist ohne Entschuldigungsgrund weder die Aufnahme des Rechtsstreits noch deren Ablehnung erklärt.[57] Dies setzt zunächst voraus, dass der Verwalter von dem Rechtsstreit überhaupt Kenntnis erhalten hat.[58] Außerdem ist bei der Beurteilung der Angemessenheit der Frist zu berücksichtigen, dass der Insolvenzverwalter u.U. die Zustimmungserfordernisse nach § 160 Abs. 2 einzuhalten hat, d.h. ggf. vor der Aufnahme eine Gläubigerversammlung einzuberufen ist.

 

Rn 11

Erscheint nach Würdigung dieser Umstände die Entscheidung des Verwalters über die Aufnahme als verzögert, so kann der Prozessgegner entsprechend § 239 Abs. 24 ZPO vorgehen und den Insolvenzverwalter durch Einreichung eines Schriftsatzes beim Prozessgericht zur Aufnahme und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache5[59] laden lassen. In dem Antrag sind die in § 85 Abs. 1 Satz 1 geregelten Voraussetzungen sowie die Verzögerung der Aufnahme darzulegen. Die Ladung ist mit dem Antragschriftsatz dem Insolvenzverwalter[60] nach § 239 Abs. 3 ZPO zuzustellen. Dagegen hat der Verwalter die Möglichkeit, entweder die Massezugehörigkeit des Streitgegenstands oder die Verzögerung zu bestreiten oder auf eine bereits erklärte Ablehnung der Aufnahme verweisen. Insbesondere mit Rücksicht auf die insolvenzrechtlichen Besonderheiten empfiehlt es sich für den Prozessgegner, zum Nachweis einer Verzögerung den Insolvenzverwalter vor Antragstellung nach § 239 Abs. 2 ZPO zur Erklärung über die Aufnahme des Rechtsstreits unter Fristsetzung aufzufordern, um ihm Gelegenheit zu geben, eventuelle Zustimmungserfordernisse und daraus resultierende zeitliche Probleme darzulegen. Ansonsten läuft der Prozessgegner Gefahr, dass sein Aufnahmeantrag schon wegen Fehlens einer "Verzögerung" zurückgewiesen wird.

 

Rn 12

Erfolgt die Ladung zur Aufnahme und mündlichen Verhandlung und bejaht das Gericht die Aufnahmelast,[61] kann gegen den im anberaumten Termin nicht erschienenen Insolvenzverwalter nach § 239 Abs. 4 ZPO i.V.m. §§ 330 ff. ZPO durch Versäumnisurteil oder Urteil nach Lage der Akten entschieden werden, und zwar sogleich in der Hauptsache.[62] Dem Verwalter, der an einer Aufnahme des Verfahrens nicht interessiert ist, ist zu empfehlen, die Aufnahme spätestens in dem auf Antrag des Prozessgegners nach § 239 Abs. 2 ZPO anberaumten Termin abzulehnen. Zwar kann er die Ablehnung der Aufnahme auch noch nach Einspruchseinlegung und der dadurch bewirkten Rückversetzung des Prozesses in die Rechtslage vor der Versäumung (§ 342 ZPO) erklären.[63] Aber dadurch würde er u.U. zusätzliche Versäumniskosten verursachen, die nach § 344 ZPO der Insolvenzmasse zur Last fallen, und zwar als Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1).

[57] RG JW 1895, 164.
[58] OLG Zweibrücken NJW 1968, 1635 (1636) [OLG Zweibrücken 25.04.1968 - 1 W 43/67]; MünchKomm-Schumacher, § 85 Rn. 35; Musielak/Stadler, ZPO, § 239 Rn. 12; Zöller-Greger, § 239 Rn. 16.
[59] Anders bei einer Unterbrechung "zwischen den Instanzen", also nach Verkündung des Urteils und vor Einlegung eines Rechtsmittels: Hier ist noch das Gericht der unteren Instanz für das Aufnahmeverfahren zuständig (RGZ 68, 247 [255]; BGH KTS 1960, 121). Es kann naturgemäß aber nur zur Aufnahme, nicht auch zur Verhandlung der Hauptsache (die für diese Instanz ja abgeschlossen ist) laden. Bejaht es die Aufnahmelast des Insolvenzverwalters, so hat es durch "Zusatzurteil" auszusprechen, dass das Urteil dem Verwalter gegenüber wirksam sei (Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rn. 129; MünchKomm-Schumacher, § 85 Rn. 41, 42).
[60] Nicht (auch oder gar nur) dem bisherigen Prozessbevollmächtigten des Insolvenzschuldners (RGZ 118, 258 [261]).
[61] Hinsichtlich der Aufnahmelast kann die entsprechende Anwendung der in § 239 Abs. 4 ZPO angeordneten Rechtsfolge, die "Rechtsnachfolge" sei "als zugestanden anzunehmen", nicht bedeuten, dass die Behauptung, der Geladene sei der Insolvenzverwalter oder der Streitgegenstand gehöre zur Masse, ungeprüft übernommen wird. Denn dies betrifft die Frage nach der Prozessführungsbefugnis des Geladenen, die von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. § 335 Abs. 1 Nr. 1 ZPO; Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rn. 130, 131; MünchKomm-Schumacher, § 85 Rn. 39). Dagegen kann das Gericht die Behauptungen des Prozessgegners, aus denen sich eine "Verzögerung" der Entscheidung über die Aufnahme ergibt, analog § 239 Abs. 4 ZPO seinem Judikat zugrunde legen.
[62] RGZ 58, 202 (203); RG DR 1941, 2072; Jaeger-Henckel, KO, § 10...

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