Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 10
Zwar wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht das allgemeine Besteuerungsverfahren gegen den Schuldner unterbrochen (vgl. § 155 Abs. 1), jedoch erfasst die Unterbrechungswirkung ein bei Verfahrenseröffnung laufendes steuerliches Festsetzungs-, Erhebungs-, Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren (vgl. § 155 FGO) sowie auch das Vollstreckungsverfahren. Demnach sind also auch Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zur Tabelle anzumelden, soweit der Steuergläubiger Insolvenzgläubiger nach § 38, § 52 Satz 1 ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob gegen den Schuldner bereits zuvor ein Steuerbescheid ergangen ist oder ob dieser rechtskräftig ist. Ebenso wie schon nach der Konkursordnung ist hinsichtlich dieser Forderungen der Erlass eines Steuerbescheids anstelle einer Forderungsanmeldung unzulässig und nichtig. Dies gilt auch für Bescheide, in denen lediglich Besteuerungsgrundlagen festgestellt oder festgesetzt werden, die die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Forderungen beeinflussen könnten, z.B. Steuermessbescheide. Auch hier ist unter Heranziehung der zur Festsetzung beabsichtigten Berechnungsgrundlagen zunächst die Steuerforderung gegen den Schuldner zu berechnen und nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 174 ff. zur Tabelle anzumelden. Erst wenn eine angemeldete Forderung im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter oder einem Insolvenzgläubiger bestritten worden ist, ist ein gegen den Bestreitenden zu richtender Feststellungsbescheid des Finanzamts zulässig (§ 185 Satz 1 Fall 2 i.V.m. § 251 Abs. 3 AO). Er hat nach § 185 Satz 1 Fall 2, Satz 2 die Funktion eines Feststellungsurteils i.S. des § 183 Abs. 1, stellt also entweder die Forderung zur Tabelle fest oder erklärt den Widerspruch für begründet. Gegen den Feststellungsbescheid steht dem Widersprechenden (Insolvenzverwalter oder Insolvenzgläubiger) die Möglichkeit des Einspruchs und anschließend der Weg zu den Finanzgerichten zur Verfügung. War bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Einspruchsverfahren gegen einen vorher erlassenen Steuerbescheid anhängig, so ist die Feststellung einer im Prüfungstermin bestrittenen Steuerforderung durch die Aufnahme des nach § 240 ZPO unterbrochenen Einspruchsverfahrens – seitens des Finanzamts oder des Widersprechenden – zu betreiben; ein Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO darf angesichts des bereits vorliegenden Steuerbescheids nicht mehr ergehen.
Die vorstehenden Ausführungen gelten für sonstige öffentlich-rechtliche Forderungen (Gebühren-, Beitragsforderungen) entsprechend.
Rn 11
Sind Steuerforderungen dagegen als Masseverbindlichkeiten nach § 55 zu qualifizieren (zu beachten sind hierbei ggf. auch die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Steuerverbindlichkeiten – vgl. § 55 Abs. 2), so können sie unberührt von § 87 mittels Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, da sie nach § 53 aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigen sind.