Prof. Dr. Eberhard von Olshausen, Dr. Jürgen Blersch
Rn 8
Anders als nach früher geltendem § 7 Abs. 3 Satz 1 GesO werden von § 88 Abs. 1 nur Sicherungen erfasst, die im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und danach bis zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung erlangt wurden. Ohne dass in § 88 darauf hingewiesen wird, enthält § 139 Regeln für die Berechnung dieser Frist. Sie beginnt nach § 139 Abs. 1 mit dem Anfang des Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht eingegangen ist. Ist also der Eröffnungsantrag am 10. des Monats eingegangen, so beginnt die Monatsfrist des § 88 am 10. des Vormonats um 0.00 Uhr. Geht ein Eröffnungsantrag am 30. März beim Insolvenzgericht ein, so beginnt die Monatsfrist am 1. März 0.00 Uhr (vgl. § 139 Abs. 1 Satz 2).
Eine erweiterte Rückschlagsperre gilt für Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304. In diesem Fall bestimmt § 88 Abs. 2, in den der durch InsO-Änderungsgesetz zum 1.12.2001 eingeführte § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F. überführt wurde, dass die Frist für die Rückschlagsperre auf 3 Monate ausgedehnt wird. Hintergrund dieser Regelung ist die Absicht des Gesetzgebers, Störungen durch Vollstreckungsgläubiger während des teilweise mehrmonatigen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens vorzubeugen und im vereinfachten Insolvenzverfahren einen ansonsten notwendigen langwierigen und kostenintensiven Anfechtungsrechtsstreit zu vermeiden. Wird dagegen das Verbraucherinsolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers eröffnet, weil der Schuldner nach einem Gläubigerantrag auch auf Hinweis des Gerichts keinen (für die Restschuldbefreiung erforderlichen Eigenantrag stellt, verbleibt es nach richtiger Ansicht bei der Monatsfrist des § 88 Abs. 1. Anders als die Vorgängerregelung des § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F. macht § 88 Abs. 2 die Fristverlängerung nun zwar nicht mehr ausdrücklich davon abhängig, dass das Verfahren auf Schuldnerantrag eröffnet wurde. Dies allein entspricht aber dem Regelungszweck, denn der Eröffnung aufgrund eines Gläubigerantrages muss kein Schuldenbereinigungsverfahren vorausgehen, so dass mangels frühzeitigerer Kenntniserlangung durch die Gläubiger auch keine Rechtfertigung für eine Ausdehnung der Rückschlagsperre besteht. Der Gesetzesbegründung lässt sich ebenfalls kein Anhaltspunkt für eine Anwendung von § 88 Abs. 2 bei Eröffnung aufgrund eines Gläubigerantrages entnehmen. Vielmehr war im Gesetzgebungsverfahren ursprünglich eine Beschränkung vorgesehen auf Fälle, in denen ein außergerichtlicher Schuldenbereinigungsversuch erfolglos blieb. Dadurch wäre die Anwendung von § 88 Abs. 2 auch bei Eröffnung auf Gläubigerantrag ausgeschlossen gewesen. Dass diese Einschränkung nicht Gesetz wurde, liegt allein daran, dass man von dem ursprünglichen Plan, auf den obligatorischen außergerichtlichen Einigungsversuch auch bei Schuldnerantrag unter bestimmten Umständen zu verzichten, aufgab. Eine Ausdehnung des § 88 Abs. 2 auf Fälle der Eröffnung aufgrund Gläubigerantrages war nicht beabsichtigt. Auch angesichts der grundsätzlichen Bedenken, die gegen die auf drei Monate verlängerte Rückschlagsperre wegen der Benachteiligung behutsam vorgehender Gläubiger bestehen, ist § 88 Abs. 2 teleologisch auf die Fälle zu reduzieren, in denen das Verbraucherinsolvenzverfahren auf Eigenantrag eröffnet wird – so wie dies bereits § 312 Abs. 1 Satz 3 InsO a. F. vorsah.
Rn 9
Auf den Zeitpunkt der Antragstellung ist auch dann abzustellen, wenn der Antrag zunächst unzulässig war, das Verfahren aber aufgrund dieses Antrages eröffnet wurde, z. B. wenn bei einem Verbraucherschuldnerantrag noch kein Schuldenbereinigungsversuch stattgefunden hat oder wenn ein Antrag zunächst beim unzuständigen Gericht gestellt wurde, das Verfahren aber bis zum Erlass des Eröffnungsbeschlusses an das zuständige Gericht verwiesen wurde.
Bei mehreren Eröffnungsanträgen ist nach § 139 Abs. 2 Satz 1 auf das Eingangsdatum des ersten zulässigen (vgl. §§ 13 ff.) und begründeten (vgl. §§ 16 ff.) Antrags abzustellen, auch wenn das Verfahren aufgrund eines späteren Antrags eröffnet worden ist. Außer Betracht sollen nach der Rechtsprechung aber zurückgenommene (§ 13 Abs. 2) oder für erledigt erklärte Insolvenzanträge bleiben, solange die Erledigungserklärung nicht bloß prozessuale Gründe hat.
Ein rechtskräftig abgewiesener Antrag bleibt grundsätzlich unberücksichtigt, ohne dass das über die Rechtsfolge des § 88 entscheidende Gericht zu prüfen hätte, ob der Antrag entgegen der Annahme des Insolvenzgerichts vielleicht doch zulässig und begründet war. Berücksichtigt wird ein abgewiesener Antrag aber (ausnahmsweise) dann, wenn die Abweisung ausschließlich mangels Masse (§ 26) erfolgte (§ 139 Abs. 2 Satz 2). Nach dem Rechtsgedanken des § 139 Abs. 2 Satz 1 setzt die Berücksichtigung auch eines mangels Masse abgewiesenen Antrags dessen Zulässigkeit und Begründetheit voraus, was das jetzt entscheidende Gericht an sich zu prüfen hat. ...