Prof. Dr. Eberhard von Olshausen, Dr. Jürgen Blersch
Rn 13
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens tritt die Unwirksamkeit der nach den oben dargestellten Voraussetzungen entstandenen Zwangssicherungen ipso iure ein. Abzustellen ist auf den im Eröffnungsbeschluss gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 3 angegebenen oder nach § 27 Abs. 3 unwiderleglich vermuteten Zeitpunkt. Mit Wirkung ab diesem Zeitpunkt, also sofort und nicht erst ab Zustellung des Eröffnungsbeschlusses oder ab dessen Rechtskraft, tritt die Unwirksamkeitsfolge ein. Von der Frage, wann die Unwirksamkeitsfolge eintritt, ist die andere Frage zu unterscheiden, ob sie endgültig eintritt. Hier hat die Begründung zum Regierungsentwurf der InsO für einige Verwirrung mit der Formulierung gesorgt, die InsO lasse im Unterschied zur früheren VerglO die Unwirksamkeit "schon bei Beginn des Verfahrens und unabhängig von dessen Ausgang eintreten." Daraus wurde gefolgert, die eingetretene Unwirksamkeit sei endgültig, die Sicherheiten lebten also auch bei Beendigung des Verfahrens ohne vorherige Verwertung des belasteten Gegenstandes (z. B. bei Einstellung nach §§ 207, 212, 213) oder bei Freigabe des Gegenstandes durch den Insolvenzverwalter nicht wieder auf. Zwingend ist diese Folgerung aber keineswegs. Die zitierte Stelle aus der Entwurfsbegründung nimmt nur Bezug auf den Umstand, dass die Unwirksamkeit der Sicherung nach der VerglO erst dann eintrat, wenn das Verfahren einen bestimmten Verlauf genommen, nämlich zur Bestätigung des Vergleichs (§ 87 VerglO) oder zur Eröffnung des Anschlusskonkurses (§ 104 VerglO) geführt hatte. Zur Frage, ob die einmal – nach § 88 anders als nach der VerglO bereits mit Verfahrenseröffnung – eingetretene Unwirksamkeit von Sicherungen endgültig ist, ist damit aber nichts besagt.
Rn 14
Die Unwirksamkeit nach § 88 ist eine absolute, nicht eine relative, d. h. nicht eine nur im Verhältnis zu den Insolvenzgläubigern bzw. zum Insolvenzverwalter bestehende Unwirksamkeit. Daraus darf aber nicht, wie es zuweilen geschieht, gefolgert werden, es handle sich auch um eine endgültige, den Wegfall des Insolvenzbeschlags überdauernde Unwirksamkeit. Absolute Unwirksamkeit (Wer darf sich auf die Unwirksamkeit berufen?) und endgültige Unwirksamkeit (Wie lange dauert die Unwirksamkeit?) sind zweierlei Dinge. Allerdings wird die absolute Unwirksamkeit durch die Zwecke des Insolvenzverfahrens begrenzt, d. h. (in den Worten des BGH), sie wirkt nur insofern und so lange, als sie zum Schutz der Insolvenzgläubiger erforderlich ist. Nach der Aufhebung des Insolvenzbeschlags, sei es durch Verfahrenseinstellung, sei es durch Freigabe, kann der betreffende Gegenstand nicht mehr der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung oder der Erreichung sonstiger Ziele des Insolvenzverfahrens dienen. Es ist deshalb im Grundsatz den Stimmen zu folgen, die für diese Fälle ein Wiederaufleben der nach § 88 erloschenen Sicherung befürworten.
Die Einzelheiten dieses Wiederauflebens sind schwierig. In mehrfacher Hinsicht fragwürdig ist jedenfalls die Aussage des BGH "Noch eingetragene Vormerkungen … und noch eingetragene Zwangshypotheken, die nach der Freigabe am belasteten Grundstück entsprechend § 185 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB gleichzeitig neu entstehen", hätten "untereinander gemäß § 879 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB gleichen Rang mit dem Tag der Konvaleszenz." Das wäre bei mehreren Zwangshypothekaren, die ihr Recht jeweils in der Sperrfrist, aber zu unterschiedlicher Zeit erworben haben (ein solcher Fall war Gegenstand der BGH-Entscheidung), ein wahrer Glücksfall für den zunächst nachrangigen Hypothekar: Ihm würde der Gleichrang mit einer ursprünglich vorrangigen Hypothek durch die Existenz einer Vorschrift (§ 88) geschenkt, die nicht seinem Schutz dient, und der zunächst vorrangige Hypothekar erlitte einen Nachteil, obwohl seine Vollstreckungsmaßnahme rechtmäßig war und eine dem Vollstreckungsschuldner gehörende Sache betraf. Jedenfalls in einem solchen Fall empfiehlt sich eine analoge Anwendung des § 185 Abs. 2 Satz 2 BGB, also Wiederaufleben der Hypotheken mit früherer Priorität. Der vom BGH bemühte § 879 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB sagt nichts über einen Gleichrang mehrerer gleichzeitig wiederauflebender Rechte, sondern allenfalls darüber etwas aus, wie ein – anderwärts begründeter – Gleichklang im Grundbuch zu verlautbaren ist.
Die öffentlich-rechtliche Verstrickung wird wie schon nach der vergleichbaren Regelung in der Vergleichsordnung durch § 88 nicht berührt. Sie bleibt vielmehr bestehen, bis die zugrunde liegenden Vollstreckungsmaßnahmen aufgehoben werden, z. B. das Pfandsiegel vom Gerichtsvollzieher entfernt wird. Wird eine verstrickt gebliebene Pfandsache trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 88 versteigert, so erwirbt der Ersteher unabhängig von gutem oder bösem Glauben kraft Hoheitsakts das Eigentum; der Vollstreckungsgläubiger hat aber den erlangten Erlös wegen des Fehlens eines Pfändungspfandrechts nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB an die Insolvenzmasse herausz...