Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 20
Als Rechtsbehelf gegen nach Abs. 1 oder 2 unzulässige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (bzw. gegen die Verweigerung der Aufhebung einer solchen) steht regelmäßig die Erinnerung nach § 766 ZPO zur Verfügung. Erinnerungsbefugt sind bei einer Vollstreckung in die Insolvenzmasse der Insolvenzverwalter (als Amtswalter sowohl für den Insolvenzschuldner als auch für die Insolvenzgläubiger), bei einer Vollstreckung in insolvenzfreies Vermögen und im Falle der Eigenverwaltung (§§ 270 ff.) der Insolvenzschuldner und bei einer Forderungspfändung auch der Drittschuldner, dagegen niemals die Insolvenzgläubiger. Abweichend von der Regelung des § 766 Abs. 1 ZPO ist für die Entscheidung über diese Rechtsbehelfe aber nicht das Vollstreckungsgericht (§ 764 ZPO), sondern das Insolvenzgericht (§§ 2, 3) zuständig. Diese Verlagerung der Zuständigkeit wird mit der größeren Sach- und Verfahrensnähe des Insolvenzgerichts begründet, wodurch es zur besseren Beurteilung der Voraussetzungen der Vollstreckungsverbote in der Lage sei. Analoge Anwendung findet § 89 Abs. 3 auf Erinnerungen, mit denen Verstöße gegen die Vollstreckungsverbote nach § 90 oder nach bzw. analog § 210 gerügt werden, nach richtiger, freilich umstrittener Ansicht auch auf Erinnerungen gegen nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 untersagte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren. Funktionell zuständig für die Entscheidung über eine auf ein Vollstreckungsverbot gestützte Einwendung ist beim Insolvenzgericht der Richter, nicht der Rechtspfleger, da es sich bei den Entscheidungen trotz der Zuständigkeit des Insolvenzgerichts um "Geschäfte im Zwangsvollstreckungsverfahren nach dem 8. Buch der ZPO" (§ 20 Nr. 17 RPflG mit einem Richtervorbehalt in Satz 2), nicht um "Geschäfte …in Verfahren nach der InsO" (§ 3 Nr. 2 Buchst. e RPflG) handelt.
Gegen den auf die Erinnerung hin ergehenden Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt (§ 793 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG). § 6 Abs. 1, wonach Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel unterliegen, in denen die InsO die sofortige Beschwerde vorsieht, steht dem nicht entgegen. Denn § 793 ZPO ist als "speziellere Norm" vorrangig gegenüber § 6 Abs. 1, wenn das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht entscheidet. Von vornherein ist nach h.M. nur die sofortige Beschwerde (§ 793 ZPO), nicht dagegen die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) gegeben, wenn schon der erste angegriffene Gerichtsakt nicht eine Vollstreckungsmaßnahme, sondern eine Entscheidung innerhalb des Vollstreckungsverfahrens ist, wenn also vor dem Gerichtsakt den Parteien oder jedenfalls der Partei, zu deren Lasten die Entscheidung später ausfiel, rechtliches Gehör gewährt wurde. Solche Fälle einer Entscheidung im Vollstreckungsverfahren ohne vorangegangene Vollstreckungsmaßnahme sind etwa beim Erlass eines Haftbefehls gegen einen im Termin zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nicht erschienenen Schuldner (§ 901 ZPO) und bei der Zurückweisung des Antrags eines Gläubigers auf Pfändung im Vorrechtsbereich des § 89 Abs. 2 Satz 2 gegeben.
Rn 21
Streitig ist, ob § 89 Abs. 3 auch dann anwendbar, also das Insolvenzgericht auch dann zuständig ist, wenn als erster Rechtsbehelf nicht die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO), sondern eine Beschwerde gegeben ist, die an sich in eine höhere Instanz führen müsste (§ 72 GVG, § 72 GBO). Für die Anwendbarkeit des § 89 Abs. 3 spricht das in der Begründung für die Regelung verwendete Argument der größeren Sach- und Verfahrensnähe des Insolvenzgerichts. Indessen erscheint es unwahrscheinlich, dass die Gesetzesverfasser, die in der Gesetzesbegründung nur auf die Vollstreckungserinnerung als in Betracht kommenden Rechtsbehelf verweisen, eine so wunderliche Regelung wie die Zuständigkeit eines Amtsgerichts als Beschwerdegericht bedacht und beabsichtigt haben. Hält man sich an den Wortlaut des § 89 Abs. 3, wendet man die Vorschrift also nur an, wenn "Einwendungen… gegen die Zulässigkeit einer (zu ergänzen: bereits begonnenen) Zwangsvollstreckung erhoben werden", so sind in der streitigen Gerichtsbarkeit Fälle, in denen die Anwendbarkeit auf Beschwerdeentscheidungen in Betracht kommt, ohnehin sehr selten, weil der Schuldner vor einer Zwangsvollstreckung grundsätzlich nicht zu hören ist (vgl. § 808 Abs. 3, § 834 ZPO). Auf jeden Fall abzulehnen ist die Ansicht, das Insolvenzgericht sei auch zuständig für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde eines Gläubigers, dessen Vollstreckungsantrag abgelehnt worden ist. Denn mit einer solchen Beschwerde werden nicht "Einwendungen gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung erhoben", sondern es wird (allenfalls) geltend gemacht, die Vollstreckung hätte nicht unter Berufung auf § 89 Abs. 1 oder 2 für unzulässig erklärt werden dürfen.
Größere praktische Bedeutung hätte die Anwendung des § 89 Abs. 3 auf Beschwerdeentscheidungen im Falle der Eintragung einer Zwangshypothek. Denn hierge...