Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 11
Wenn die Gesellschafter oder einzelne Gesellschafter nicht allen Gesellschaftsgläubigern, sondern nur einem Teil dieser Gläubiger haften, hat der Insolvenzverwalter aus den von solchen Gesellschaftern eingezogenen Beträgen eine Sondermasse (ggf. auch mehrere Sondermassen) zugunsten desjenigen Teils der Gesellschaftsgläubiger zu bilden, dem gegenüber die Gesellschafterhaftung bestand. Diese Sondermassen sind zur Verhinderung einer ungerechtfertigten Besserstellung der Gläubiger, denen die Gesellschafter nicht persönlich haften, ausschließlich unter die "Sondermassen-Gläubiger" zu verteilen. Zu einer solchen Konstellation konnte es früher insbesondere bei der seit Inkrafttreten der InsO insolvenzfähigen (§ 11 Abs. 2 Nr. 1) Gesellschaft bürgerlichen Rechts kommen, weil die einst herrschende Doppelverpflichtungslehre nur eine Haftung der bei Schuldentstehung bereits vorhandenen Gesellschafter und nur deren Haftung für rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten zu rechtfertigen vermochte. Diese Notwendigkeit, für bestimmte Gläubiger einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Sondermassen zu bilden, ist entfallen, seit der BGH die Haftung der BGB-Gesellschafter auf eine Analogie zu §§ 128 bis 130 HGB stützt, also auch die Haftung für gesetzlich begründete Verbindlichkeiten (z.B. aus Delikt, aus ungerechtfertigter Bereicherung in sonstiger Weise und aus dem Steuerrecht) sowie eine Haftung eines neu eintretenden Gesellschafters für Altverbindlichkeiten bejaht. Gleichwohl gibt es sowohl bei der BGB-Gesellschaft als auch bei den anderen von § 93 erfassten Gesellschaften (OHG, KG etc.) Fälle, in denen nicht alle Gesellschafter gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern haften und deshalb Sondermassen zu bilden sind. So liegt es z.B.
- bei einem zwischen einem Gesellschafter und einem oder einzelnen Gesellschaftsgläubigern vereinbarten Ausschluss oder Erlass der Gesellschafterhaftung,
- bei ausgeschiedenen Gesellschaftern, die für nach ihrem Ausscheiden begründete Verbindlichkeiten überhaupt nicht und für vorher begründete Verbindlichkeiten nur noch eine begrenzte Zeit (§ 160, ggf. i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB, § 736 Abs. 2 BGB, § 278 Abs. 2 AktG) haften,
- bei einem Nicht-Gesellschafter oder Nicht-mehr-Gesellschafter, der sich nach § 15 Abs. 3 oder Abs. 1 HGB mit Beschränkung auf den Geschäftsverkehr oder auf Fälle einer wenigstens potentiellen Kausalität von kenntnislosen Dritten als Gesellschafter oder als Noch-Gesellschafter behandeln lassen muss,
- bei der unbeschränkten Haftung eines Kommanditisten nach § 176 HGB, die nach h.M. nur für rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Verbindlichkeiten gilt,
- bei Partnerschaftsgesellschaften, bei denen nur die mit der Bearbeitung des jeweiligen Auftrags befassten Partner für berufliche Fehler haften.
Schließlich muss der Insolvenzverwalter auch dann eine Sondermasse – diesmal zugunsten von nicht durch eine parallele Gesellschaftersicherheit begünstigten Gesellschaftsgläubigern – bilden, wenn ein Gesellschafter einem Gesellschaftsgläubiger parallel zu dessen Anspruch aus der akzessorischen Gesellschafterhaftung z.B. eine Bürgschaft bestellt hat und der Gesellschaftsgläubiger, was ihm die h.M. ja gestattet, während der Gesellschaftsinsolvenz den Bürgschaftsanspruch durchgesetzt oder in einem parallel laufenden Insolvenzverfahren gegen den Gesellschafter angemeldet hat.