Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 11
Noch in § 101 Abs. 1 KO war bestimmt, dass sich der Gemeinschuldner während des Insolvenzverfahrens von seinem Wohnort nur mit Erlaubnis des Gerichts entfernen durfte. Diese relativ unnachgiebige Regelung wurde im Zeitalter zunehmender Mobilität und verbesserter Kommunikationsmöglichkeiten als unverhältnismäßig empfunden. Die neuen Vorschriften der Insolvenzordnung enthalten gegenüber der starren konkursrechtlichen Regelung keine Residenzpflicht mehr, sondern nur noch eine Bereitschaftspflicht des Schuldners. Damit sollen wegen der mit der umfassenden Residenzpflicht verbundenen Einschränkungen des Grundrechts aus Art. 11 GG unverhältnismäßige Aufenthaltsbeschränkungen weitestgehend vermieden werden. Gleichzeitig soll eine flexiblere und differenziertere Regelung geschaffen werden, mit der sichergestellt wird, dass der Schuldner im Bedarfsfall für die Erfüllung seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten auch dann herangezogen werden kann, wenn er sich nicht an seinem Wohnort aufhält. Der Schuldner ist verpflichtet, sich jederzeit zur Erfüllung seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zur Verfügung zu stellen. Damit wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die insolvenzrechtlichen Belange auch beim Schuldner im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Verpflichtungen absoluten Vorrang genießen, d.h., anderweitige persönliche Verpflichtungen oder private Termine haben demgegenüber ausnahmslos zurückzutreten.
Rn 12
Schließlich ist zu beachten, dass die nach der Norm statuierte Bereitschaftspflicht nicht während des gesamten Verfahrens kraft Gesetzes besteht, sondern einer Anordnung des Gerichts bedarf, die üblicherweise von den Auskunftsberechtigten nach § 97 Abs. 1 veranlasst werden muss. Zweckmäßigerweise sollte in dem gerichtlichen Beschluss ein bestimmter Termin oder zumindest ein zeitlicher Rahmen genannt werden; dagegen ist eine Beschreibung der in diesem Zeitpunkt zu erfüllenden Pflichten nicht zwingend erforderlich. Gleichwohl steht dem Insolvenzverwalter schon nach § 97 ein durchsetzbarer Anspruch gegenüber dem Schuldner auf Erteilung der notwendigen Auskünfte und Vornahme der erforderlichen Mitwirkungshandlungen zu. § 97 Abs. 3 Satz 1 konkretisiert lediglich die zeitlichen Anforderungen, innerhalb deren der Schuldner diese Pflichten gegenüber den Auskunftsberechtigten zu erfüllen hat. Gleichzeitig liefert eine entsprechende gerichtliche Anordnung den Prüfungsmaßstab für die nach § 98 mögliche Verhängung eines Zwangsmittels. Dabei wird die Bereitschaftspflicht des Schuldners nach § 98 Abs. 2 Nr. 2 durchgesetzt.
Rn 13
Des Weiteren enthält § 97 Abs. 3 Satz 2 systemwidrig eine allgemeine Klausel, die sich mit den Handlungen befasst, die der Schuldner im Rahmen seiner nach § 97 festgelegten Pflichten zu unterlassen hat. Da sich Satz 2 daher auf die in § 97 Abs. 1 und 2 beschriebenen Pflichtenkreise bezieht, die der Schuldner aktiv zu erfüllen hat, wäre sie besser in diesen Kontext gebracht worden. Die daraus resultierende Unterlassungsverpflichtung betrifft beispielsweise die Vernichtung von Unterlagen oder das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen. Aus dieser Generalklausel kann sich aber auch die Verpflichtung des Schuldners ergeben, eine im Wettbewerb zum insolventen Unternehmen stehende selbständige oder abhängige Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen während der Dauer des Insolvenzverfahrens oder zumindest während der Betriebsfortführung zu unterlassen. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der in § 97 Abs. 2 ausdrücklich normierten Mitwirkungs- bzw. Mitarbeitsverpflichtung des Schuldners. Nur auf diesem Wege dürfte der persönliche Schuldner bei entsprechender Vergütung in den aufgezeigten Grenzen in den Genuss einer späteren Restschuldbefreiung gelangen. Auch diese Unterlassungsverpflichtung des Schuldners kann durch die zwangsweise Vorführung und Haftanordnung gemäß § 98 Abs. 2 Nr. 3 durchgesetzt werden.