1. Bedeutung des Rechtsgebiets
Rn 1
In Deutschland wurden in den letzten Jahren nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes durchschnittlich rund 80 000 Erfindungen zum Patent oder Gebrauchsmuster angemeldet. Per 31.12.2015 bestanden 129 591 Patente und 85 180 Gebrauchsmuster. Schon allein diese Zahlen belegen, welche große wirtschaftliche Bedeutung derartigen Schutzrechten im Alltag zukommt. Da 80 % der Erfindungen auf Leistungen von Arbeitnehmern beruhen, gilt das nicht minder für die betriebliche Praxis, da dort entsprechend den Regelungen des ArbnErfG die Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern miteinander in Einklang zu bringen sind.
2. Zweck des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen
Rn 2
Mit dem ArbnErfG hat der Gesetzgeber von Beginn an das Ziel verfolgt, den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Zuordnung des Arbeitsergebnisses zu Gunsten des Arbeitgebers mit dem patentrechtlichen Erfinderprinzip, das den Arbeitnehmer schützt, in einen angemessenen Interessenausgleich münden zu lassen. Nach Auffassung des BVerfG entspricht das dem ArbnErfG innewohnende System wechselseitiger Rechte und Pflichten den gestuften verfassungsrechtlichen Anforderungen an Eingriffe in das Verfügungsund in das Verwertungsrecht von Immaterialgüterrechten, so dass das Gesetz als zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums nicht gegen Art. 14 GG verstößt.
3. Rechtsentwicklung
3.1 Rechtslage bis zum 31.12.1998
Rn 3
Das ArbnErfG ist nach langjährigen Vorarbeiten am 01.10.1957 in Kraft getreten.
In der Folgezeit hat es über Jahrzehnte nur wenige Modifizierungen erfahren. Die wesentlichen Grundprinzipien blieben unberührt. So enthielt – aus insolvenzrechtlicher Sicht von besonderem Interesse – § 27 ArbnErfG in seiner bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung seit jeher Regelungen darüber, welche Rechte dem Arbeitnehmer im Fall der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Arbeitgebers zustanden. Konkret räumte die Vorschrift dem Arbeitnehmer ein Vorkaufsrecht in Bezug auf "seine" vom Arbeitgeber unbeschränkt in Anspruch genommene Diensterfindung ein, wenn der Konkursverwalter die Diensterfindung ohne den Geschäftsbetrieb zu veräußern gedachte. Des Weiteren waren die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers
- für die unbeschränkte Inanspruchnahme einer Diensterfindung (§ 9),
- für das Benutzungsrecht an einer Erfindung (§ 10, § 14 Abs. 3, § 16 Abs. 3, § 19) und
- für die Verwertung eines technischen Verbesserungsvorschlags (§ 20 Abs. 1)
mit einem Vorrecht im Konkurs ausgestattet, d. h. die zuvor erwähnten Ansprüche wurden im Konkurs über das Vermögen des Arbeitgebers nach den in § 61 Nr. 1 KO genannten, jedoch vor allen anderen Konkursforderungen berücksichtigt.
3.2 Rechtslage vom 01.01.1999 bis zum 30.09.2009
Rn 4
Aufgrund des Wegfalls der aus der Konkursordnung bekannten Vorrechte mit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung zum 01.01.1999 bedurfte auch § 27 ArbnErfG (1957) der Änderung. Diese hat die Vorschrift durch Art. 56 EGInsO erfahren. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte die Novellierung dazu dienen, die Rechtsstellung der Erfinder derjenigen absonderungsberechtigter Gläubiger bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitnehmererfinderrechts anzunähern. Angesichts dessen machte § 27 ArbnErfG (1999) die dem Erfinder zustehenden Ansprüche einerseits davon abhängig, ob der Arbeitgeber die Diensterfindung vor Insolvenzeröffnung unbeschränkt in Anspruch genommen hatte, und andererseits davon, auf welchem Wege die Diensterfindung einer Verwertung zugeführt werden sollte.
3.3 Rechtslage seit dem 01.10.2009
Rn 5
Im Zuge der Patentrechtsmodernisierung wurden am ArbnErfG im Jahre 2009 wesentliche Änderungen vorgenommen. Ihnen war eine mehrjährige Reformdiskussion vorausgegangen. Diese fußte auf der über die Jahre gewonnenen Erkenntnis, dass das Gesetz teils zu kompliziert und teils zu bürokratisch konzipiert war. Aus diesem Grunde sollte nach der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers die angestrebte Novellierung neben Erleichterungen bei der Meldung und Inanspruchnahme der Erfindung insbesondere einen Ersatz der jeweils konkret zu berechnenden Erfindervergütung durch Pauschalen zur Folge haben. Tatsächlich wurde jedoch statt der "großen" Lösung nur eine "kleine" Lösung umgesetzt, die die Vergütungsproblematik ausklammerte. Gegen die große Lösung waren erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden. Gegenstand der Novellieru...