Gesetzestext
(1) 1Hat das Gericht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet, so ist, solange dieses Insolvenzverfahren anhängig ist, ein bei einem inländischen Insolvenzgericht gestellter Antrag auf Eröffnung eines solchen Verfahrens unzulässig. 2Ein entgegen Satz 1 eröffnetes Verfahren darf nicht fortgesetzt werden. 3Gegen die Eröffnung des inländischen Verfahrens ist auch der Verwalter des ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens beschwerdebefugt.
(2) Hat das Gericht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, weil nach Artikel 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 die deutschen Gerichte zuständig seien, so darf ein deutsches Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ablehnen, weil die Gerichte des anderen Mitgliedstaats zuständig seien.
1. Art. 102 § 3 Abs. 1 Satz 1 EGInsO
Rn 1
Gemäß Art. 16 EuInsVO (Art. 19 EuInsVO n. F.) wird die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens in den anderen Mitgliedstaaten automatisch anerkannt. Die deutschen Gerichte müssen den Eröffnungsbeschluss eines ausländischen Gerichts beachten, ohne diesen selbst einer Überprüfung unterziehen zu dürfen. Der Antrag auf Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens ist, solange ein Hauptinsolvenzverfahren in einem anderen Mitgliedsstaat anhängig ist, von einem deutschen Gericht als unzulässig zurückzuweisen.
Rn 2
Ist in einem anderen Mitgliedstaat der EU ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet, so darf ein deutsches Insolvenzgericht kein deutsches Hauptinsolvenzverfahren einleiten. Im Anwendungsbereich der EuInsVO kann es nur ein Hauptinsolvenzverfahren geben, denn nach der Konzeption der EuInsVO hat der Schuldner nur einen Mittelpunkt seiner Interessen.
Rn 3
Es gilt insoweit das Prioritätsprinzip. Das Verfahren, welches als erstes wirksam eröffnet wurde, ist das Hauptinsolvenzverfahren. Das zeitlich spätere Verfahren kann allenfalls ein Sekundärinsolvenzverfahren sein, sofern die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Liegt lediglich ein Insolvenzeröffnungsantrag in einen anderen Mitgliedsstaat vor, ist der Anwendungsbereich von Art. 102 § 3 EGInsO nicht eröffnet.
2. Art. 102 § 3 Abs. 1 Satz 2 EGInsO
Rn 4
Wurde beispielsweise in Unkenntnis der ausländischen Verfahrenseröffnung dennoch ein Hauptinsolvenzverfahren in Deutschland eröffnet, dann ist dieses gemäß Art. 102 § 4 EGInsO einzustellen.
Rn 5
Daneben besteht auch die Möglichkeit, das deutsche Hauptinsolvenzverfahren in ein Sekundärinsolvenzverfahren umzuwandeln, s. o.
3. Art. 102 § 3 Abs. 1 Satz 3 EGInsO
Rn 6
Dem ausländischen Hauptinsolvenzverwalter wird in Art. 102 § 3 Abs. 1 Satz 3 EGInsO die Beschwerdebefugnis gegen die Eröffnung eines deutschen Hauptinsolvenzverfahrens eingeräumt. Damit hat er die Möglichkeit, den Vorrang "seines" Verfahrens in Deutschland durchzusetzen.
4. Art. 102 § 3 Abs. 2 EGInsO
Rn 7
Durch Art. 102 § 3 Abs. 2 EGInsO sollen sogenannte "negative" Kompetenzkonflikte vermieden werden.
Rn 8
Wenn die Insolvenzeröffnung in einem Mitgliedstaat (z. B. Frankreich) mit der Begründung abgelehnt wird, dass die internationale Zuständigkeit fehle, dann ist es dem deutschen Insolvenzgericht nicht gestattet, seine Zuständigkeit mit der Begründung zu verneinen, das betreffende Land (hier: Frankreich) sei doch zustän...